fbpx

Wochenendrebellen

Groundhopping | Autismus | Wissenschaft | Podcast | Weltverbesserung

1. FC Köln – # 13 Axel liebt den 1.FC Köln

Hallo Jay-Jay!

Ich nehme an Dein Papsi hat Dir schon eine Menge Geschichten über Kölner erzählt. Dass sie in Höhlen schlafen und nachts Katzen jagen, weil sie sonst nichts zu essen bekommen. Dass sie Haare auf dem Rücken haben und keine Manieren. Und dass sie sich für den Mittelpunkt der zivilisierten Welt halten. Hat er bestimmt, oder?

Aber jetzt mal unter uns, aus erster Hand:

Das ist natürlich alles Blödsinn. Ich muss das wissen, denn ich bin nämlich Einer dieser Kölner. Wir sind eigentlich ganz normale Leute. Vielleicht ein bisschen fröhlicher als der Rest der Welt, weil wir so leckeres Bier trinken dürfen aber das kannst Du in ein paar Jahren ja selbst ausprobieren. Und als Mittelpunkt der Welt sehen wir uns natürlich auch nicht. Höchstens als ihr Herz. Vielleicht. Aber das ist ein Aufsatz für ein anderes Mal. Diesmal wollte ich Dir ja wegen des Fußballs schreiben.

 

Ich verfolge die Abenteuer von Dir und Deinem Papsi schon eine ganze Weile und freue mich immer wieder über neue Berichte über Eure rebellischen Touren, Eure Bekanntschaften und über die Kleinigkeiten die bei so einer Fahrt passieren können. Falls Du willst, kannst Du Deinem Papsi ja mal ein Lob aussprechen, ich lese das wirklich sehr gerne. Und heute schreibe ich dann einfach mal zurück. Warum ich mir freiwillig den 1.FC Köln anschaue. Woche für Woche. Jahr für Jahr. Obwohl es doch so viele schöne Hobbys gibt. Es ist nicht einfach zu erklären aber ich probiere es mal.

 

Meine erste Erinnerung an den Fußball ist nicht der Ball oder das Stadion oder das Spiel selbst. Nein, meine erste Erinnerung an den Fußball ist der Krach. Meine Großeltern hatten früher in Köln Müngersdorf einen Kleingarten. Das waren so Anlagen für Stadtbewohner die keinen eigen Garten am Haus hatten, weil es einfach keinen Platz dafür gab. Die sind dann einfach zwei Stationen mit der Straßenbahn gefahren und hatten dann ein kleines Gartenrundstück, wo sie die Wochenenden verbrachten. So richtig mit kleinem Gartenhäuschen und Küche und Strom und allem Drum und Dran.

 

Im Sommer waren dann immer die Kinder und die Enkel zu Gast. Es gab Pflaumenkuchen und wir Kinder konnten rumtoben. Das war ganz schön großartig aber irgendwann, ich muss so drei oder vier Jahre alt gewesen sein, fiel mir etwas Spannendes auf. Alle zwei Wochen wurde es Nachmittags irgendwie laut. Irgendwo in der Ferne musste was passiert sein. Ich bin dann mal in die Richtung gelaufen wo der Krach herkam und habe meine Eltern einen Heidenschreck eingejagt, weil ich plötzlich nicht mehr da war und Keiner wusste wo ich war. Die haben mich dann suchen müssen. Da habe ich vielleicht Ärger bekommen, sag ich Dir. Aber ich wollte ja wissen, was da vor sich geht und meine Oma hat es mir dann erklärt: Der Krach kam vom Müngersdorfer Stadion, wo anscheinend ein Fußballspiel stattfand. Klar wusste ich was Fußball war, ich war ja schon im Kindergarten und mit einem Ball haben wir auch damals schon gespielt. Aber dass da so viele Menschen waren um sich das anzuschauen, das war dann doch neu für mich. Mein Opa ist dann mit mir mal da hin spaziert, das waren ja nur ein paar Minuten und wir haben uns mal das Stadion angeschaut. Junge, Junge, das war schon ein mächtiger Anblick. Ich wollte natürlich sofort da rein aber das Prinzip Eintrittskarte hatte ich damals noch nicht verstanden. Auf jeden Fall habe ich dann immer auf den Krach geachtet und plötzlich machte es auch Sinn, was die Erwachsenen da im Radio hörten. Ich wusste immer wenn es laut wird, ist was passiert. Meistens ist ein Tor gefallen. Und wir – im Garten – wussten es immer ein paar Sekunden früher als der Rest der Welt.

 

Ich wollte ab da natürlich immer direkt wissen wie es steht und ob „Köln“ am gewinnen war. Das wurde immer wichtiger. Ich quengelte und quengelte doch endlich auch mal ins Stadion zu dürfen, mir das mal anschauen zu dürfen aber meinen Eltern war das viel zu gefährlich. Ich war ja noch viel jünger als Du heute bist.

 

Und so dauerte es bis 1983, ich war sechseinhalb, bis mich mein Opa mitnahm. Es war Mai und es war der Tag des Pokalfinales. Damals hat das Finale noch nicht jedes Jahr in Berlin stattgefunden, sondern immer in anderen Städten und 1983 war es eben in Köln. Und weißte was? Mein Verein war dabei! Und dann war noch etwas ganz besonderes an dem Spiel: Der Gegner kam nicht aus einer anderen Stadt, sondern war ebenfalls ein Kölner Verein. Der SC Fortuna Köln. Unsere kleine Schwester sozusagen. Das war natürlich ein tolles Ereignis in der ganzen Stadt und ich war dabei! Ich war so stolz, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen! Ich kann von dem Spiel gar nicht so viel erzählen, weil ich nur ganz wenige Erinnerungen daran habe. Zu sehr war ich mit anderen Dingen beschäftigt. Da wurde geschimpft, da wurde gelacht, die Fans hatten Fahnen und Schals dabei, es war so laut aber es war so toll, das weiß ich noch. Das einzige Tor hat Pierre Littbarski geschossen, einer der besten Spieler, die je für den 1.FC Köln gespielt haben. Der hat auch Nationalmannschaft gespielt und ist 1990 mit Deutschland Weltmeister in Italien geworden. Das war natürlich sofort mein Held auch wenn ich heute weiß, dass der Sieg von meinem Verein eigentlich ein ganz klein wenig ungerecht war aber das war mir egal. Damals schon.

 

Von da an musste ich natürlich eigentlich bei jeden Spiel dabei sein, denn ich konnte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass die Mannschaft ohne mich auch gewinnen konnte. Ich gehörte doch eigentlich schon dazu. Leider sahen das meine Eltern ganz anders und so musste ich mich die nächsten paar Jahre meistens mit Ausschnitten aus der Sportschau begnügen. SKY und Live-Übertragungen gab es damals ja noch gar nicht.

 

Erst als ich so 13,14 Jahre alt war hatte ich den Kampf endlich gewonnen. Mit Schulfreunden, die auch heute noch zu meinen besten Freunden zählen, sind wir dann alle zwei Wochen mit der Straßenbahn ins Stadion gefahren. 5 Mark hat die Karte damals für Schüler gekostet, daran erinnere ich mich noch. Stehplatz, Südkurve. Da wo heute auch noch die Fans stehen. Da wurde dann zwei Stunden am Stück gesungen und gelacht und meistens hatten wir allen Grund dazu denn – auch wenn Du Dir das vielleicht schwer vorstellen kannst – der 1.FC Köln war damals ganz schön erfolgreich. Wir haben immer eine Platz im Europapokal sicher gehabt. Tja, das waren Zeiten.

 

Irgendwann bin ich dann von der Südkurve weggegangen, weil es mir zu voll wurde und bin mit meinen Freunden auf die Sitzplätze gewechselt. Das muss in der Saison 1992 gewesen sein. Damals spielte der 1.FC Köln zum letzten Mal bis heute international. Ich habe immer noch den leisen Verdacht, dass der Verein es mir nie verziehen hat, dass ich meinen Stammplatz in der Kurve einfach so verlassen habe.

 

Siehst Du, lieber Jay-Jay, wir sind auch nur ganz normale Fans. Lass Dir von Deinem Papsi nichts erzählen. Ich weiß ja, dass ihr nochmal nach Köln kommen wollt, weil der erste Besuch nicht so ganz geklappt hat, wie er sollte. Wenn das soweit ist, dann sag mir doch einfach Bescheid, dann treffen wir uns vor dem Spiel auf eine Fanta, wenn Du Lust hast.

 

In ein paar Jahren, wenn Du zum ersten Mal das Buch „Fever Pitch“ von Nick Hornby gelesen hast (ja, glaub mir Du wirst es mehrmals lesen), wünsche ich Dir, dass Du Dich in seinen Worten genauso wiederfinden kannst wie ich:

 

„Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“

 

Dann hast Du Deinen Verein nämlich gefunden. Oder er Dich. Das weiß man nie so genau.

 

Viele Grüße und weiterhin ganz viel Spaß auf Euren Touren,

 

Axel

 

Tja, was soll ich sagen. Es gibt Briefe über die man sich freut und es gibt Briefe von Fans des 1.FC Koln. Nein, im Ernst, fettes Dankeschön an jemanden, der sich beim letzten #tkss schon vor einem persönlichen Kennenlernen gedrückt hat und der in diesem Jahr nicht durchweg mit Glück und Gesundheit überschüttet wurde.

Ich wünsche mir, dass die Befürchtungen von Frau Kebekus eintreffen werden und Ihr auf dem Weg zu Eurem Aufstieg am Sonntag „piiiiiiieeeeeeep“ werdet von der wunderbaren Fortuna aus Düsseldorf. Ich wünsche mir aber noch viel mehr, dass du welche Fußballergebnisse auch immer schnellstmöglich wieder im Vollbesitz Deiner Kräfte zur Kenntnis kannst.

Axel, ich wünsche Dir ehrlich und aufrichtig eine schnelle nachhaltige Genesung.

Fettes Dankeschön. Pass auf Dich auf.

Man könnte ggf. auch einmal einen Blick in das Blog von Axel werfen und ihn vielleicht darüber zur Wiederaufnahme seiner Schreiberei ermutigen. Die ganz schmerzfreien könnten natürlich auch ein Follow auf Twitter erwägen, was der Großteil natürlich schon längst tut.

 

 

 

Show More