Dies ist ein Brief für meinen Sohn. Eine Vielzahl netter Menschen hat sich die Zeit genommen um Jay-Jay ein paar Zeilen nieder zu schreiben und ihm Details zur Findung ihrer Fußballliebe zu verraten. In dieser Woche veröffentlichen wir jeden Tag um 09:31 Uhr (Fragen Sie nicht) eines der großartigen Werke unterschiedlichster Autoren. Innerhalb weniger Monate ist vielleicht sogar mit einer Antwort des Sohnes zu rechnen. Alle Briefe und Antworten findet man dann hier. Den ein oder anderen Posteingang könnten wir übrigens noch vertragen. Was es mit dieser ganzen Briefaktion überhaupt auf sich hat, kann man hier nachlesen. Und wir beginnen gleich mit einer Ausnahme. Aber he, es ist Düsseldorf. Vielen Dank an Christoph vom Halbangst-Blog Team, die gleich drei Briefe beisteuerten und wir somit kurz vor der ersten magischen Hürde stehen. 50! Fünfzig Briefe! Autoren von siebzehn bis dreiundsechzig Jahren mit unterschiedlichsten persönlichen Hintergründen und Herangehensweisen, mit sachlichen, bewegenden und teils einfach logischen Begründungen für ihre große Liebe. Dem Fußballvereins ihres Herzens. Fettes Dankeschön noch einmal an alle Autoren. Viel Spaß!
Ich weiß, Jay-Jay, dein Vater hat sämtliche Fußball-Fans dazu aufgerufen, dir einen Text zu schreiben, warum ihr Verein für dich eventuell der richtige sein könnte.
Und dann komm ich – im Fußballleben Dauerkartenbesitzer und Über-Idiologe von Borussia Mönchengladbach – um die Ecke und fasel was von Eishockey und der Düsseldorfer EG. Warum nur? Für mich ist das ganz einfach: weil es für Nerds einfach keinen schöneren Sport gibt. Und solch einer bin ich leider. Kein Scheiß, vor zwei Jahren hatte ich eine Diskussion mit meinen Eltern. Sie hatten von Asperger gelesen und wollten mich mit damals 30 Jahren zum Arzt schicken. Meine Freundin, selber Fan der DEG, nickte irgendwie. Warum? Weil ich einfach krampfhaft versuche, mir alles in gewisse Regelhaftigkeiten zu lenken, ich auf Familienfeiern lieber alleine bin, statt mich auf die manchmal doch spannenden Gespräche einzulassen und – jetzt das entscheidende – ich mich in Stadien nur mit ausgewählte Menschen abgeben kann, die mich nicht bei meinem Genuss der kleinen Details auf dem Spielfeld stören.
Natürlich mache ich das so auch bei der Borussia. Aber das Paradies, die Entspannung für mich ist Eishockey! Warum? Ich kenne kaum einen Sport, der mehr Regelkunde voraussetzt als das Spiel mit dem Puck (so heißt hier der Ball). Das führt auf jeden Fall schon einmal dazu, dass ich zu einem erlauchten Kreis gehöre, der das Spiel versteht. Fußball ist einfach, das macht seinen Reiz für Millionen von Menschen aus. Eishockey dagegen ist kompliziert. Deshalb lieben es ganz viele Nerds. Icing, Cross-Check, die diversen Abseitsformen, Zwei-Wege-Stürmer, Strafen, angezeigt durch Gesten des Schiris, die für einen Außenstehenden wie eine Geheimsprache wirken, komplexe Ligenregelung samt Play-Offs, und, und, und. Dazu kommt noch, dass es Statistiken für einfach jeden Scheiß gibt. Je mehr man sich davon merken kann, umso besser kann man einen Spieler bewerten. Zumindest meine ich das. Alleine die Plus/Minus-Statistik eines Akteurs zu analysieren macht mir Spaß wie für andere der Besuch einer überlaufenen Party-Meile wenn die Werbeindustrie, sorry, die Nationalmannschaft spielt. Noch geiler ist, dass meine Freundin beim Eishockey inzwischen auch den Durchblick hat. Somit haben wir vor unseren Freunden eine gewisse Geheimsprache entwickelt, wenn wir über Hockey reden. Für mich ist das ideal, auch wenn sie uns dann manchmal seltsam findet. Mir ist das egal.
Aber ich muss dich warnen: Natürlich gibt es beim Eishockey auch Menschen, die mit den Regeln nichts am Hut haben. Sie tragen im Stadion immer eine bestimmte Kleidung. Sie haben Oberteile an, die schwarz/weiß gestreift sind und sie dürfen sogar auf dem Eis mitlaufen. Man nennt sie “Schiedsrichter”. Vor allem in Deutschland, vor allem gegen die DEG, zeigen diese vier Jungs immer bestechende Regelunkenntnis. Das liegt daran, dass sie (bis auf drei Außnahmen) dafür so gut wie kein Geld bekommen, meistens aus Bayern stammen und daher die Clubs aus dem Westen, ganz besonders die große Düsseldorfer EG, nicht leiden können. Und so ist es nicht weiter schlimm, wenn man beim Eishockey den Menschen ein paar ordentliche Sprüche drückt, die das Ganze nicht kapieren. Es trifft auf jeden Fall die Richtigen. Beim Fußball beschimpfe ich hin und wieder auch Menschen, die es nicht verdient haben. Eben weil sie mich gestört haben – und das tut mir dann immer leid. Beim Eishockey muss es mir das nicht.
Denn diejenigen, die den Sport verstehen, sind überwiegend nett. Egal von welchem Verein man Eishockey-Fans trifft: in der Regel endet es in einer Fachsimpelei für Eingeweihte und meist an der Theke. Vor allem, wenn man zu einem Auswärtsspiel nach Bayern fährt. Die Dichte an Menschen, die im Stadion einfach unterhalten werden wollen, statt sich auf den Sport zu konzentrieren (wir nennen sie auch Eventys) ist sehr niedrig.
Du bekommt also eine verdammt schnelle Sportart, die dir als Zuschauer viel abverlangt und dich trotzdem in deiner emotionalen Mitte belässt. Das ist der Grund, warum ich dir Eishockey mehr als empfehlen kann. Und da dann natürlich nur die Düsseldorfer EG – denn die ist das Sahnehäubchen auf den Sport. Es gibt auf der ganzen Welt keinen Verein, der sich mehr Mist erlauben kann, und trotzdem die Menschen (zumindest ein paar Tausend) begeistert. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Die findest du, wenn Du im Internet jetzt neugierig und ungestört suchst. Vielleicht sehen wir uns ja dann im Eisstadion wieder.
Christoph