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5000 HE: Erfindung des Rads

Rad an einem Wagen

Um 5000 HE gab es einen regelrechten Innovationsschub: Die ersten großen Städte entstanden in Mesopotamien und Anatolien, die Landwirtschaft erreichte fünf Jahrtausende nach ihrer Entwicklung endlich auch Mitteleuropa, Pferde wurden domestiziert, Salz abgebaut, Segel konstruiert und Felder bewässert. Doch die wohl populärste Erfindung aus dieser Zeit, die unseren Alltag noch heute am nachhaltigsten bestimmt, war wohl eine andere: Das Rad.

Städte als Innovationszentren

Schon lange vorher hatte es stadtartige Siedlungen gegeben, etwa Jericho mit seinen knapp 3.000 Einwohnern. Doch um 5000 HE entstanden in Mesopotamien die ersten Siedlungen, die sich zweifellos als Städte bezeichnen lassen, da sie Zentren von sich ausbreitenden Kulturen waren – sozusagen frühe Metropolen. Eine davon ist Eridu, sie war der Ausgangspunkt der sumerischen Kultur, die sich zur fortgeschrittensten Zivilisation der damaligen Welt entwickeln sollte.

Die hochwertige Keramik aus Eridu, auch Eridu-Ware genannt, verbreitete sich schnell in ganz Persien und galt als Symbol für die kulturelle Überlegenheit der Sumerer. Auch dort spielte die Religion eine große Rolle, Eridu wurde um einen Tempel für die Gottheit Enki errichtet, er war der sumerische Gott der Weisheit, der Handwerker, Künstler, Magier und Herrscher eines Süßwasserozeans, den sich die Menschen unter der Erde liegend vorstellten.

Weitere bedeutende sumerische Städte zu dieser Zeit waren Ur und Uruk – und in letzterer wurde vermutlich jener Gegenstand zuerst erfunden, der unser Leben noch bis heute prägt. Damit leiteten die prähistorischen Städte jene Ära ein, in der Städte als Innovationszentren dienen, von denen die gesamte Bevölkerung profitiert. So verhielt es sich mit dem Rad.

Welche Funktion hatte das Rad?

Schlitten, mit denen Güter transportieren werden konnten, waren den Menschen schon bekannt und sie hatten auch Stangenschleifen, die von Ochsen gezogen wurden. Häufig wurden auch Rollen verwendet, die unter dem zu transportierenden Gegenstand platziert wurden. Doch all diese Transportmittel hatten immer einen Nachteil: Die Schlitten und Stangenschleifen erzeugten eine große Gleitreibung und die Rollen mussten immer wieder von hinten nach vorne geschleppt werden, damit es weiterging. Deshalb musste etwas Neues her.

Genau diese neue Erfindung war das frei bewegliche Rad, welches sich unbegrenzt oft um die Achse drehen lässt. Die Frage nach der Funktion eines Rads mag etwas offensichtlich erscheinen, doch das ist sie nicht: Man geht tatsächlich davon aus, dass eine der ersten Anwendungen die Töpferei war: Mittels einer rotierenden Töpferscheibe wurde Keramik verarbeitet.

Natürlich erfüllte das Rad auch schnell den Zweck des Transports, so wurden die primitiven Schlitten, die man zuvor gehabt hatte, mit Rädern ausgestattet. Die ersten dieser Räder hatten noch keine Speichen, sondern waren runde Holzscheiben, die meist mit Steinwerkzeugen angefertigt wurden. Speichenräder erfanden die Sumerer erst später zu Kriegszwecken, noch später erfand man in China die Schubkarre und schließlich nutzten die Ägypter und Griechen das Rad zu technischen Zwecken – etwa als Wasserrad. So zumindest die gängige Version.

Wurde das Rad in den Alpen erfunden?

Doch neuere Forschungen deuten darauf hin, dass relativ zeitgleich zur Erfindung in Mesopotamien auch in den Alpen erste Räder konstruiert wurden – und auch auf der anderen Seite des Atlantiks. Zwar sind auf mesopotamischen Steintafeln bereits Gefährte mit Rädern abgebildet, jedoch kannte man das Rad auch in Amerika bereits früh, fand allerdings keine solch breiten Anwendungen, da es in Amerika nach der Quartären Aussterbewelle kaum größere Zugtiere gab.

Eines der ersten Räder, welches zeitgleich mit denen in Mesopotamien entstand, fand man jedoch ganz woanders – in den Alpen, nahe Zürich. Auch auf dem Balkan, in Deutschland, Dänemark und in Nordwesteuropa fand man Räder aus der Steinzeit, doch die aus den Alpen gefundenen unterscheiden sich in einem wichtigen Aspekt: Sie hatten viereckige Achslöcher und waren somit fest mit der Achse verbunden, die sich wiederum frei drehte. Normalerweise bewegen sich die Räder in einem runden Achsloch gänzlich frei.

Beide Prinzipien zum Bau des Rades wurden unabhängig voneinander erfunden, erfüllten ihren Zweck und wurden in den Jahrtausenden danach vielfach verfeinert. Das Rad neu zu erfinden ist also nicht so sinnlos wie es klingt.

Welche Bedeutung hatte das Rad?

Wo auch immer das Rad zuerst erfunden wurde, seine überwältigende Bedeutung steht außer Frage. Auch wenn sich die Anwendungen damals noch in Grenzen hielten und vor allem auf Transport und Töpferei beschränkten, ist das Rad heute ein fundamentaler Bestandteil der menschlichen Zivilisation.

„Nehmen Sie uns das Rad – und wenig wird übrig bleiben. Es verschwindet alles. Vom Spindelrad bis zur Spinnfabrik, von der Drehbank bis zum Walzwerk.“

Ernst Mach

Und auch im modernen Zeitalter spielt es nach wie vor eine große Rolle: Man denke an Windräder, Eisenbahnen und Riesenräder. Aber das Rad hatte auch einen kulturellen Wert, in dem es sich von vielen anderen damaligen Erfindungen unterscheidet: Es hat kein Vorbild in der Natur. Das Prinzip eines runden Rades, welches um eine Achse rotiert, ist in der Natur nicht aufzufinden. Anders als viele weitere damalige Erfindungen, war das Rad also tatsächlich ein reines Produkt menschlicher Vorstellungskraft.

Das mag primitiv klingen, doch das ist es nicht. Ganz im Gegenteil, die perfekte Konstruktion eines Rads konfrontierte die Menschen mit den physikalischen Naturgesetzen. Sie verstanden, dass möglichst jeder Punkt auf dem Rand die gleiche Entfernung zum Mittelpunkt haben muss und entwickelten Mechanismen, um dies praktisch umzusetzen. Außerdem bemerkten sie, dass die Achse stets senkrecht im Achsloch stecken muss, um die Reibung zu minimieren und sich in der Mitte des Rades befinden sollte, um eine stetige Drehung zu ermöglichen.

Das Rad trieb also mehr an als nur Fahrzeuge, es trieb auch die menschliche Neugier und ermöglichte mehr Mobilität und schnelleren Austausch von Waren, wodurch es den Fernhandel befeuerte.

Vielfältige Errungenschaften

Diese bahnbrechende Entwicklung fiel in eine interessante Zeit. Schmuckstücke aus Kupfer gewannen an Bedeutung, die Domestizierung verschiedenster Tiere verbreitete sich weiter über den Globus und erreichte China, große Kupferbergwerke entstanden, im Mittelmeerraum wurde das Klima zunehmend trocken und die Sahara ergrünte. Neben dem Rad kamen auch andere neuartige Kulturtechniken auf.

Ideografische Schrift

Die Obed-Kultur in Mesopotamien entwickelte eine primitive Schrift. Dabei handelte es sich um eine sogenannte Ideenschrift, es gab also keine abstrakten Buchstaben, die zusammen eine Bedeutung erlangen, sondern stilisierte Bilder. Die Bilder zeigten jedoch nicht das, was sie beschrieben, sondern lediglich damit verbundene Symbole. Ein modernes Beispiel ist das Eurozeichen €, welches auch kein Geld abbildet, aber damit verbunden wird. So funktionierten auch die ersten Schriften.

Bewässerungstechnik

Dieselbe Kultur erzielte zu dieser Zeit eine weitere kulturelle Errungenschaft: Die Bewässerung von Feldern. Man praktizierte einen einfachen Regenfeldbau, konstruierte also Kanäle, die mittels Regenwasser die Felder bewässerten. Der nächste große Schritt in der Landwirtschaft war getan. Natürlich war dieser Regenfeldbau nicht überall möglich, aber das feuchte mesopotamische Klima eignete sich dafür. Das Klima hing auch mit einer weiteren Kulturtechnik dieser Zeit zusammen, der Mumifizierung.

Mumifizierung

Mumien kennen wir vor allem aus dem Alten Ägypten, doch tatsächlich mumifizierte schon die Chinchorro-Kultur ihre Toten, die in der Steinzeit entlang der Westküste Südamerikas lebte. Eigentlich waren sie Nomaden, doch plötzlich – quasi aus dem nichts – entwickelten sie solch ausgefeilte Technologien. Man vermutet, dass sich die Menschen damals um Quellen und Wasserflächen ansiedelten, die infolge eines Klimawandels zugunsten feuchteren Klimas enstanden.

Doch noch gibt es viele Rätsel rund um den Totenkult der Chinchorro. Die populärste Erklärung ist grausig und faszinierend zugleich: Vermutlich ließ die Wüstenluft die Leichen des öfteren nicht verwesen, sondern vertrocknen – als natürliche Mumien. Da sie meist in flachen Gruben beerdigt wurden, gelangten die Leichen nicht selten wieder an die Oberfläche und wurden gefunden. Davon inspiriert, entwickelte man wahrscheinlich vielfältige Mumifizierungstechniken. Geschichte ist nunmal meist grausam oder interessant. Und manchmal beides gleichzeitig.

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