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#62 Maurus liebt den 1.FC Köln

Lieber Jay-Jay,

nun finde ich auch mal Zeit, Dir einen Brief über meinen Verein zu schreiben. Ich verfolge Eure Aktivitäten schon seit längerer Zeit sehr aufmerksam und mit großem Interesse. Spannend, was ihr da so in Deutschlands Stadien erlebt. Dein Interview mit dem @felgenralle war übrigens genial. Aber genug des Lobes, nun zu mir.

Ich habe meine Kindheits- und Jugendjahre am Niederrhein verbracht. Zunächst in Dinslaken, das ist eine Stadt an der Grenze zwischen Ruhrgebiet und Niederrhein. Ganz in der Nähe ist Duisburg, wo ich immer noch Bekannte habe. Deshalb freut es mich auch, dass der MSV Duisburg wieder in der 2. Liga mitspielt.

Sieben Jahre meines Lebens habe ich dann am linken Niederrhein verbracht, 100 m von der niederländischen Grenze entfernt. Da war nicht viel los. Internet gab es damals ja eh noch nicht so wirklich, aber selbst heute ist der Empfang dort eher bescheiden. Dort auf meiner Internatsschule gab es fußballfanmäßig eigentlich nur eine Möglichkeit: Borussia Mönchengladbach. Gut, ich fand die dann auch ganz gut, habe samstags die legendären Bundesligakonferenzen noch mit Manni Breuckmann und Werner Hantsch gehört. Ich war sogar mal im Stadion. Da müsste ich so ungefähr in Deinem Alter gewesen sein. Auf dem alten Bökelberg. Gladbach gegen Köln. Und Köln hat 2:0 gewonnen. Damals, als ich Gladbachfan war, oder Gladbach-Sympathisant. Kannste dir echt nicht ausdenken.

Denn heute bin ich auf der anderen Seite. Ich bin Fan des glorreichen 1. FC Köln. Vermutlich ist jetzt der Punkt gekommen, wo Dein Papsi entnervt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, aber lassen wir das. Ich habe sozusagen eine Bekehrung um 180 Grad vollzogen. Zum Erzrivalen. Zu denen, mit denen man als Niederrheiner nicht spricht. Geschweige denn ins Stadion geht und mitleidet (denn beim Effzeh ist es ja meistens ein Mitleiden.)

Wie kam das? Nun, wohl vor allem durch meine Studienzeit. Ich habe damals zwei Jahre in Bonn studiert, und da habe ich mich ein klein wenig in diese Stadt verliebt. In das gute Bier, das dort gebraut wird, in das Lebensgefühl, in die Menschen in all ihrer chaotischen Liebenswürdigkeit, in den Dom (das gehört für mich als jemand, der für die Kirche arbeitet, auch dazu) – ja, auch in den Effzeh. Ich fand es faszinierend, dass sich die ganze Stadt am Wochenende in ein rotweißes Farbenmeer verwandelt hat. Ich fand es faszinierend, dass die Fans lachend und feiernd aus dem Stadion in die Innenstadt strömten und sie dann auf meine Gratulation zum Sieg meinten: „Nö, wir haben verloren. Aber Spaß gehabt.“ Da kam ich ins Nachdenken. Ein Verein mit einer so großen Lebensfreude, einer so großen Widerstandskraft im Leiden – da muss doch was dran sein. Und ich begann, mich etwas mehr für Fußball und den 1. FC Köln zu interessieren. Dazu kam noch, dass der damalige Torwart, Stefan Wessels, öfter bei uns im Kloster zu Gast war. Er wollte wohl mal für eine Woche aus dem Kölner Fußballzirkus raus und hat sich dann zu uns ins Kloster zurückgezogen. Ich hab von ihm noch eine echte Autogrammkarte. Und konnte etwas über die kommenden Erfolge des Effzeh fachsimpeln.

Irgendwann hab ich dann Twitter entdeckt. Und gemerkt, dass es da ganz viele Fans von ganz vielen Vereinen gibt. Natürlich viele Effzeh-Fans, die ja sowieso zu den Guten gehören. Aber ich habe auf Twitter so viele liebe Menschen kennengelernt, dass ich mich sogar auch für deren Vereine interessiere. Im schlimmsten Fall gehe ich dann auch schon mal stadionmäßig fremd und besuche ein Spiel eines anderen Vereins. Es ist irgendwie seltsam – aber diese ganze Fanrivalität ist nicht so mein Ding. Es gibt wunderbare Fans von Fortuna Düsseldorf, Bayer Leverkusen, von Greuther Fürth, dem 1. FC Nürnberg, dem FC St. Pauli – ja sogar von Borussia Mönchengladbach und Bayern München.

Ja, meine bevorzugte Liebe gehört immer noch dem 1. FC Köln. Aber ich mag auch ganz viele andere Vereine. Und Ende letzter Saison war ich schon ein bisschen traurig, dass Freiburg und Paderborn abgestiegen sind – weil es nämlich viele liebe Fans von Freiburg und Paderborn gibt, die traurig darüber sind, dass ihr Verein abgestiegen ist. Da kann ich doch keine blöden Witzchen darüber machen, oder?

Du siehst, ich bin eben doch kein klassischer Fan eines Vereins, dem alle anderen Vereine egal sind. Und das ist es, was ich Dir mitgeben möchte. Genieß die Zeit mit Deinem Papsi bei den Fußballspielen. Besuch möglichst viele Stadien. Lerne viele Fans persönlich kennen – nicht nur auf Twitter, auch in diesem sog. Real Life. Wobei auch Twitter zu diesem Real Life gehört, wie ich finde. Aber das ist eine andere Geschichte. Und selbst wenn Du Dich mal irgendwann für die Bayern entschiedest und Papsi androht, Dich zu enterben, dann ist das auch gut. Das Herz lässt sich nämlich nichts vorschreiben. Aber wenn Du Dich dann irgendwann entschieden hast, vergiss die anderen Vereine nicht. Und vor allem die Menschen, die dahinter stehen. Vielleicht ist es besser, Deine Entscheidung für einen bestimmten Verein noch hinauszuzögern. Bis dahin wünsch ich Dir mit Deinem Papsi noch viel Spaß auf euren Touren. Vielleicht sehen wir uns ja mal in irgendeinem Stadion auf dieser Welt. Muss ja nicht unbedingt Köln sein. Alles Gute,

Dein Maurus (@pmaurus)

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