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Um 7000 HE befand sich ein großer Teil der Menschheit bereits in der Bronzesteinzeit, war also in der Lage, Metalle zu verarbeiten und profitierte auch kulturell und gesellschaftlich davon. Lediglich in Teilen Afrikas, Nordasiens, Südamerikas und in Australien war das Jagen und Sammeln noch die verbreitete Wirtschaftsform. Doch an einigen Orten der Welt ging man schon den nächsten Schritt: Zwischen 7000 und 8000 HE erschienen Hochkulturen und organisierten sich in Staaten. Was veranlasste die Menschen dazu, einen Teil ihrer Souveränität aufzugeben und eine neue Art des Zusammenlebens zu begründen?
Wieso bildete der Mensch Staaten?
Die zeitgenössische Antwort auf diese Frage war meist ganz klar:
„Es ist offensichtlich dass der Staat ein Werk der Natur ist und der Mensch von Natur aus ein staatenbildendes Lebewesen.“
Aristoteles
Der Staat ist ein Bestandteil der Natur und der Mensch von Gott (oder Göttern) für seine Schaffung gemacht – diese Vorstellung verschaffte Kaisern und Königen auch ihr überhebliches Selbstbewusstsein und den festen Glauben darin, besser als alle anderen zu sein. Doch aus heutiger Perspektive lässt sich dieser Schritt vielleicht etwas pragmatischer nachvollziehen.
Soziale Schichten gab es schon während der gesamten Kupfersteinzeit, da sie vermutlich durch die Kontrolle über diese Ressource entstanden (mehr dazu hier). Diejenigen, die eine hohe soziale Stellung innehatten, verdankten sie natürlich den herrschenden Verhältnissen – also entwickelten sie Strukturen, um diese Verhältnisse langfristig zu erhalten.
Auch der Krieg einzelner Stadtstaaten, sowohl gegen andere Stadtstaaten als auch gegen nicht staatlich organisierte Stämme, spielte vermutlich eine Rolle. Durch Bevölkerungswachstum nahmen die Spannungen zu und die unterworfenen Stämme wurden ziemlich mies behandelt. Einige vermuten, dass systematisch Abgaben von ihnen erhoben wurden. Dieser Prozess wurde institutionalisiert, was zur Bildung von Staaten beitrug.
Es gibt auch einige weitere Theorien dazu, etwa die Patriarchaltheorie der zufolge Staaten eine Erweiterung des Machtapparats männlicher Stammesführer waren und die Vertragstheorie, die besagt, dass Staaten aus der freiwilligen Vertragsschließung verschiedener Parteien über Ressourcen entstanden. Vermutlich spielten all diese Faktoren eine Rolle. Sicher ist, dass die ersten Flächenstaaten im Dritten Jahrtausend vor Christus in Indien, Ägypten, dem fruchtbaren Halbmond und Südamerika entstanden.
Was macht eine Hochkultur aus?
Was nun diese Zivilisationen zu Hochkulturen macht und ob ein Staat die Grundvorraussetzung ist, das ist umstritten. Dennoch gibt es einige Merkmale, die zumindest die meisten Hochkulturen aufwiesen, die um diese Zeit entstanden. Besonders wichtig ist die Schriftsprache, denn sie ist nötig, um sich präzise auszudrücken und auch abstrakte Dinge zu beschreiben oder Dinge, die es (noch) nicht gibt.
Zudem wurden meist mehr Nahrungsmittel produziert als konsumiert. Der Überschuss wurde verkauft, wodurch man Einnahmen generierte. Es gab Menschen, die über das Land herrschten und auf seinem Territorium Gesetze erließen – ihren Herrschaftsanspruch gründeten sie meist auf die dort verbreitete Religion.
In einer Hochkultur gibt es außerdem spezialisierte Berufe, die der Allgemeinheit dienen. Beispiele sind Händler*innen, Fischer*innen, Viehhalter*innen, Bauern und Bäuerinnen. Auch Soldat*innen gab es, denn ein eigenständiges Militär zum Schutz der errichteten Ordnung war ebenfalls unentbehrlich.
Allgemein lässt sich sagen, dass Hochkulturen ein für ihre Zeit hohes Maß an menschlicher Entwicklung aufwiesen. Sie ermöglichten nicht nur das reibungslose Überleben ihrer Bevölkerung, sondern auch etwas darüber hinaus: Kunst, Wissenschaft und öffentliches Leben. Die Menschen hatten es geschafft, ihre Welt so umzubauen, dass sie sich keine Sorgen mehr ums Überleben machen mussten.
Welche Hochkulturen gab es?
Altes Ägypten
Kaum eine Zivilisation wird heutzutage so mystifiziert wie das Alte Ägypten. Dies führt auch dazu, dass wir viele falsche Vorstellungen über diese Kultur haben. Die Wahrheit ist, dass zu dieser Zeit kaum eine Zivilisation so egalitär war wie die ägyptische. Frauen verfügten dort über Rechte, von denen selbst Römerinnen und Griechinnen später nur träumen konnten: Scheidungen, Unternehmensführung und Vererbung waren möglich und sexueller Missbrauch war verpönt und wurde hart bestraft. Absolute Selbstverständlichkeiten, damals jedoch fast nirgends realisiert. Auch Sklaven durften Eigentum besitzen und mit ihren Herren handeln.
Nicht nur durch den Bau der ersten Pyramide um 7300 HE war Ägypten wissenschaftlich und technologisch führend. Mittels astronomischer Kenntnisse über die Bewegung Sterns Sirius berechneten die Ägypter*innen jene Daten, an denen der Nil über seine Schwelle trat und die Felder mit fruchtbarem Schlamm überzog. Die medizinischen Kenntnisse erstreckten sich von gelungenen Amputationen über gerichtete Brüche und künstliche Gebisse bis zu Eingriffen am Schädel.
Natürlich sollte man das Alte Ägypten auch nicht zu sehr romantisieren: Die Todesstrafe wurde durchgeführt, indem langsam ein Pfahl in eine bestimmte menschliche Körperöffnung eingeführt wurde, die Macht des Pharaos war quasi unbegrenzt und Religion und Esoterik waren untrennbar mit der damaligen Wissenschaft verbunden. Aber zur damaligen Zeit lebte es sich tatsächlich an wenigen Orten mit so hohem Lebensstandard wie in Ägypten.
Indus-Kultur
Die Indus-Kultur am Arabischen Meer zeichnete sich vor allem durch seine hochentwickelten Städte aus, sie waren Zentren von Handel, Wissenschaft und Kunst. So unterhielt die Indus-Kultur einen ausgeprägten Fernhandel, sie exportierte Holz, Elfenbein, Schmuck und beherrschte eine Monopolstellung im Baumwollwarenhandel. Im Gegenzug importierte sie Gold und Edelsteine, was ihr großen Wohlstand bescherte. Die nötige Infrastruktur für den Handel war vorhanden: Wasserstraßen, Kanäle und Häfen.
Die bedeutendsten Städte der Indus-Kultur trugen Namen wie Mohenjo-Daro, Kot Diji, Harappa, Lothal und Kalibangan und an ihrem streng geometrischen Aufbau lässt sich erkennen, dass sie offenbar aufwendig geplant wurden. Meist saß auf einer Erhöhung die Oberstadt, die wie eine Festung in sich abgeschlossen war. Die Wohnstadt darunter bildete ein Rechteck oder Parallelogramm und erinnert an den schachbrettartigen Aufbau moderner Metropolen: Nord-Süd- und Ost-West-Straßen mit einer Breite von zehn Metern durchzogen die Städte.
Die Häuser waren meist recht prunklos in Form von rechteckigen Wohnblöcken angeordnet. Die hygienischen Zustände waren gut: Viele Haushalte hatten ihren eigenen Brunnen und ein Badezimmer, welches eine öffentliche Straßenkanalisation speiste. Tatsächlich war dieser kupfersteinzeitliche Standard der Wasserversorgung höher als der heutige auf diesem Gebiet Indiens und Pakistans. Auch die Metallverarbeitung war fortgeschritten, man verarbeitete neben Kupfer auch Blei, Zinn und Bronze.
Diese Art von Stadtplanung erforderte natürlich ein hohes Maß an Wissen. Vermutlich war die Indus-Kultur führend in der präzisen Vermessung von Längen, Massen und Zeitspannen. Sie verfügten über eigene Einheiten, die Grundeinheit der Länge, die auf einer Skala in Lothal entdeckt wurde, beträgt nur 1,704 mm – also wirklich sehr präzise. Die Massen wurden in Vielfachen einer Grundeinheit eingegeben, die etwa 28 Gramm beträgt. Auch unser heutiges Dezimalsystem wurde genutzt.
Reich von Akkad
Das Reich von Akkad war eine Entwicklungsstufe der sumerischen Kultur, die aus der Obed-Kultur hervorging, die schon um 5000 HE Felder bewässerte und eine Schrift entwickelte (mehr dazu hier). Fast drei Jahrtausende später war man dort natürlich schon viel weiter: Das Reich von Akkad war wohl der erste Flächenstaat der Menschheitsgeschichte. Er war zentralistisch organisiert und wurde aus der Hauptstadt Akkad regiert, hatte eine offizielle Landessprache und eine monarchische Regierung – ein Land wie es die Welt zuvor noch nicht gesehen hat.
Gegründet wurde das erste Großreich der Welt um 7700 HE durch eine Vereinigung der zerstrittenen und dadurch angreifbaren sumerischen Stadtstaaten von Sargon von Akkad, der darauf zum ersten akkadischen König wurde und eine neue Ära in Mesopotamien einläutete. Bis zu seinem Zerfall regierten nach ihm noch vier weitere Könige das Reich.
Letztlich endete es abrupt, ironischerweise weil es zu vernetzt war. Als sich das Klima veränderte und die Felder im Norden weniger Nahrung abwarfen, brach das gesamte Reich wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es hinterließ nur wenige verwertbare Quellen und Ausgrabungen, weshalb wir wenig über das Leben in Akkad wissen. Aber seine Geschichte zeigt wie schnell eine so überlegende Kultur fast restlos untergehen kann.
Maya-Kultur
Meine früheste Erinnerung an die Maya ist der 21.Dezember 2012, der Tag für den die Maya angeblich den Weltuntergang prophezeiten. In den Nachrichten waren Typen, die sich in ihren Kellern Vorräte für 90 Tage angelegt hatten, in Frankreich musste der Berg, an dem man den Weltuntergang angeblich überleben sollte, für den Ansturm aus Esoteriker*innen gesperrt werden und einige Menschen verdienten mit Erleuchtungsseminaren 350 Euro pro Person.
Natürlich sagten die Maya für dieses Datum nicht den Weltuntergang voraus und auch wenn es viele Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Völkern gibt, gab es nicht die eine Maya-Kultur. Aber ihre Errungenschaften teilten die sie: Hohe Mathematik, ausgefeilte astronomische Zeitmessung, Pyramiden, Paläste und Ballspielplätze – auf denen es nicht selten ziemlich blutig zur Sache ging. Wir wissen übrigens bis heute nicht, ob die Gewinner oder die Verlierer geopfert wurden.
Die Maya nutzen das sogenannte Vigesimalsystem, statt auf der Zahl zehn basierte es auf der zwanzig. Der Maya-Kalender basiert auf drei Zählungen, die in Kombination innerhalb eines gewissen Zeitraums ein eindeutiges Datum beschreiben: Die Lange Zählung, das Haab und der Tzolkin. Eine Datum im Maya-Kalender sieht dann so aus:
9.12.11.5.18 6 Edznab 11 Yax
Dabei ist 9.12.11.4.18 die Lange Zählung, jede Zahl läuft dort von 0 bis 19 durch (außer die vorletzte, die nur bis 17). 6 Edznap ist der Tzolkin, er bildet sich aus einer Zahl von 1 bis 13 und dem Namen einer Schutzgottheit. 11 Yax ist der Haab. Hier läuft die Zahl von 0 bis 19, der Yax ist einer von 18 Monaten (es gibt auch einen neunzehnten Monat, der aber nur aus fünf Tagen bestand, die sogenannten Unglückstage). Transferiert in unseren Kalender steht das oben abgebildete Datum für den 31.August 9318 HE.
Minoische Kultur
Die minoische Kultur war die erste Hochkultur Europas, sie lieferte die Grundlage für das, was einige Jahrtausende später als westliche Kultur aufging. Bereits zur Kupfersteinzeit war Kreta, die Insel der Minoer, unglaublich dicht besiedelt, tatsächlich sogar ähnlich dicht wie heute. Referenzen darauf findet man schon im berühmten Epos Odyssee des antiken Dichters Homer.
„Kreta ist ein Land im dunkelwogenden Meere,
aus Homers Odyssee
Fruchtbar und anmutsvoll und ringsumflossen. Es wohnen Dort unzählige Menschen, und ihrer Städte sind neunzig: Völker von mancherlei Stamm und mancherlei Sprachen.“
Über die gesellschaftliche Ordnung der Minoer wissen wir nicht viel, sicher ist lediglich, dass es eine spezialisierte Arbeitsteilung gab und auch Frauen hohe Positionen übernehmen konnten. Einige vermuten anhand der Darstellung von Frauen auf Keramik und Wandmalereien sogar, dass sie die politischen Geschicke steuerten. Doch ob der soziale Status vererbt wurde und es Sklaverei gab, gilt als unsicher.
Besonders zeichnete sich die minoische Kultur aber durch die Seefahrt aus, einige sprechen sogar von einer Thalassokratie, einer Meeresherrschaft, und minoischen Kolonien auf anderen griechischen Inseln – auch wenn das nur Vermutungen sind. Gewissheit besteht darüber, dass sich der Einflussbereich über das östliche Mittelmeer bis Sizilien erstreckte und viele der dortigen Völker politisch und wirtschaftlich von Kreta abhingen.
Prägend für die minoische Kultur sind die noch heute berühmten Paläste, die sich etwa in Knossos besichtigen lassen. Sie waren vermutlich eine Art Mehrzweckgebäude: Es wurden Güter produziert und gelagert, das Land wurde von dort verwaltet und nebenbei wurden auch religiöse Kulte abgehalten. Wie genau die Herrschaftsfunktion ausgeübt wurde, wissen wir nicht, es könnte der geschützte und abgegrenzte Sitz einer herrschenden Elite oder ein öffentlicher Ort der Zusammenkunft zum Treffen kommunaler Entscheidungen gewesen sein – oder aber die Paläste erfüllten keine politische Funktion.
Xia-Dynastie
Ob es wirklich eine Xia-Dynastie in China gegeben hat, gilt unter Historiker*innen als umstritten. Es gibt durchaus einige Überlieferungen mit recht genauen Schilderungen, aber diese stammen aus einer Zeit weit nach der Zeitspanne, in der die Xia-Dynastie existiert haben soll. Ein wahrer Kern wird sicherlich dahinterstecken, doch was nun Realität und was Mythos ist, lässt sich nur schwer sagen.
Ausgrabungen deuten jedoch zumindest darauf hin, dass es tatsächlich eine Hauptstadt der Xia-Dynastie gab, aus der ein Reich rund um den Gelben Fluss mehr oder weniger zusammenhängend und zentralistisch unter Führung eines Königshauses regiert wurde.
Vermutlich gab es um das Jahr 8880 HE ein verheerendes Erdbeben in dieser Region, dem auch ein Stamm gänzlich zum Opfer fiel. Durch große Bauprojekte wie Dämme gelang es der Xia-Dynastie jedoch offenbar eine Überflutung durch den Gelben Fluss zu verhindern. Dies deutet nicht nur auf große technische Fähigkeiten, sondern auch auf eine zivile Organisation hin, die notwendig ist, um solche Vorhaben zu realisieren. Es wurde auch intensiv Landwirtschaft betrieben, Alkohol gebraut und Ton sowie Bronze verarbeitet.
Angeblich trieb ein brutaler König die Xia-Dynastie in ihren Untergang, der Menschen köpfte, die sein Essen falsch zubereiteten, beim Trinken von Wein auf dem Rücken von Menschen ritt und auch noch einige andere seltsame Angewohnheiten hatte. Dennoch beherrschte die Dynastie China für etwa 400 Jahre. Wir neigen dazu, die Errungenschaften in Südamerika und China zu verdrängen, doch sie gehören genauso zur Menschheitsgeschichte wie das, was in Ägypten oder Griechenland geschah. Eine neue Zeitrechnung könnte dies verdeutlichen.