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#8 Maria liebt Hertha BSC

Hallo Jay-Jay,

ich heiße Maria und ich bin Fan von Hertha BSC. Dieser Satz kommt mir heute wie selbstverständlich über die Lippen. Doch lange Zeit ging es mir wie dir: Ich hatte keinen Verein.

Fußball mag ich schon sehr lange, aber die Vereinsfrage habe ich mir nie wirklich gestellt. Als mein Vater feststellte, dass ich sein Interesse für Fußball teilte, nahm er mich ab und zu mit zu Spielen. Einmal waren wir sogar bei einem Champions-League-Spiel im Münchner Olympiastadion, obwohl wir dafür mehrere Stunden durch den Schnee fahren mussten und ich am nächsten Tag wieder Schule hatte. Er hat mir auch mal einen Schal von Borussia Dortmund geschenkt, den er von einer Dienstreise mitbrachte. Ich begann, Fußballschals zu sammeln. Ich entwickelte Sympathien für gewisse Vereine, aber Liebe ist daraus nie geworden. Ich war bei Heimspielen vom FC Bayern, dem Chemnitzer FC und dem 1. FC Köln, bei der deutschen Nationalmannschaft und Espanyol Barcelona, bei Ajax und ADO Den Haag. Nirgendwo bin ich so richtig hängen geblieben. Und dann bin ich nach Berlin gezogen.

 

Als ich 16 Jahre alt war, hatte ich mich in Berlin verliebt. Vier Jahre später war ich in meiner Traumstadt angekommen. Es dauerte nicht lange bis ich das erste Mal ins Olympiastadion ging. Es war eine spontane Entscheidung an einem Mittwochabend irgendwann in der Hinrunde. Hertha BSC spielte gegen Hannover 96. Von diesem Abend ist mir nicht viel in Erinnerung geblieben – ich habe ein fürchterlich schlechtes Gedächtnis. Ich weiß noch, wie mir ein netter Mann in der Reihe am Ticketschalter bei der Wahl des Blocks half. So saß ich schließlich auf der richtigen Seite des Stadions – auf der Ostkurvenseite. Und ich weiß noch, dass Hertha das Spiel 3:0 gewann. In jener Saison habe ich anschließend kein Heimspiel der Hertha mehr verpasst. Das lag zu Beginn eigentlich nur daran, weil ich Bundesliga-Fußball live im Stadion sehen wollte. Doch spätestens am Valentinstag war es um mich geschehen. Da gewann Hertha 2:1 gegen den FC Bayern. Ich hatte mich schon wieder verliebt.

 

Mittlerweile ist die alte Dame mein Lebensmittelpunkt. Alte Dame – so nennen wir die Hertha liebevoll. Über 120 Jahre ist sie alt. Und ganz schön launig. Aber wenn man jemanden gern hat, dann mag man auch dessen Fehler. Ich stehe regelmäßig in der Ostkurve des Berliner Olympiastadions und juble und leide mit meinem Verein. Auch auswärts bin ich oft dabei. Mein Vater schüttelt mittlerweile ein bisschen den Kopf über meine Leidenschaft. Dieses extreme Fansein, das versteht er nicht. Aber oft freut er sich auch mit mir, wenn Hertha gewonnen hat.

 

Wenn ich die blau-weiße Fahne sehe oder irgendwo „Hertha“ höre, dann hüpft mein Herz kurz höher. Wenn ich in der Kurve stehe, dann weiß ich, dass ich da hingehöre. Das geht mir nicht oft im Leben so. Ich habe Schwierigkeiten mit anderen Menschen. Das kommt dir vielleicht bekannt vor. Um ehrlich zu sein: Die meisten Menschen gehen mir auf die Nerven. Oder sie langweilen mich. Aber das darf man nicht immer zeigen. Das gehört sich nicht. Deshalb bin ich gerne alleine und habe nur wenige Freunde. Damit geht es mir gut. Damit fühle ich mich wohl. Einige meiner Freunde habe ich bei Hertha gefunden. Wir teilen dieselbe Leidenschaft und sehen uns regelmäßig in Blau und Weiß. Wenn wir im Olympiastadion stehen, dann singen wir „Nur nach Hause geh’n wir nicht“. Wenn ich das singe, dann ist das immer ein bisschen gelogen. Denn wenn ich bei Hertha bin, dann bin ich zu Hause.

Liebe Grüße

Maria

Sehr persönliche Worte. Vielen Dank. Für alles. Ich werde mich wie versprochen demnächst revanchieren.

Maria findet Ihr auch auf Twitter. Wer das direkte Wort nicht scheut sollte es wagen.

Was es mit diesem Brief auf sich hat, warum du auch einen schreiben darfst musst und wer dieser Jay-Jay ist erfährt man hier.

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2 Comments

  • Sebastian (@Uckmann_Heise)

    Da denk ich sogar plötzlich Hertha sei ein sympathischer Verein 😉
    Wirklich sehr toller Text! Der ist geeignet um zu überzeugen.
    Ich bin wie immer begeistert.

    Antworten
  • xxlhonk

    Das wird ja immer stärker. Keine Ahnung, was JayJay daraus macht, ob es ihm gelingt, sich aus dieser Vielzahl an tollen Beiträgen einen Verein zu suchen. Eines merkt er sicherlich. Fußball Fan sein ist etwas ganz grossartiges, auch weil es immer etwas mit dem gemeinsamen Erlebnis mit vielen anderen „Gleichgesinnten“ zu tun hat. Mit Menschen aller sozialer Schichten und Vorgeschichten.
    Es hat immer etwas mit viel Liebe und Leidenschaft zu tun. Fast wie bei Rosamunde Pilcher. Und da finden sich am Ende ja auch immer die Richtigen. Ich bin mir sicher, dass JaJay am Ende den richtigen Verein findet. Und das dieser Verein unglaublich viel Liebe zurückbekommen wird. Wollen wir nur hoffen, dass es der Verein ihm auch mit viel Freude zurückzahlt.

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