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Amazonas-Brände: Kein Planet der Affen

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Der Amazonas brennt. Europa schaut fassungslos zu. Und Brasiliens faschistischer Präsident Bolsonaro schüttet im wahrsten Sinne des Öl ins Feuer. Die Welt hat schon größere Brände erlebt, viel größere. Und dennoch ist es das ökologische Finale, welches sich derzeit in Brasilien abspielt. Denn es markiert womöglich eine Zeitenwende – in der sich die Klimakrise nicht mehr aufhalten lässt.

Tatsächlich sind die Brände in erster Linie keine direkte Ursache der Klimakrise (aber natürlich dadurch begünstigt), sie sind vor allem durch die enorme Abholzung des Waldes entstanden – eine weitere Art, auf die der Mensch seine Umwelt verändert. Jahrelang ging es dort wieder bergauf, von 1980 bis 2017 hat sich die abgeholzte Fläche um ganze zwei Drittel verringert. Es ist daher nicht das erste Mal, dass der Amazonas auf solche Weise brennt – früher stand Vergleichbares der Tagesordnung, der Amazonas brannte regelmäßig lichterloh. Schon bald erkannte man jedoch, dass es nicht ewig so weitergehen kann.

Wie entstehen die Brände?

Doch seitdem der faschistische Präsident und Klimawandelleugner Bolsonaro Brasilien regiert, werden Betriebe nicht nur aktiv ermutigt, den Amazonas für Palmölplantagen und Weiden für Vieh abzuholzen, es werden auch seitens der Regierung gezielt Brände gelegt, um die brasilianischen Ureinwohner einzuschüchtern und ihnen die Lebensgrundlage zu rauben, die seit Monaten erbitterten Widerstand gegen die wieder aufflammende Diskriminierung gegen sie unter Bolsonaros Regime leisten. Die Situation hat also nicht nur eine ökologische, sondern auch eine politische Ebene.

Wo liegt das Problem?

Dabei genügt alleine ein wissenschaftlicher Blick auf das Geschehen, um das Ausmaß des Desasters zu erkennen. Eigentlich dürfte es den Amazonas nämlich gar nicht geben, die Region ist viel zu trocken für einen Regenwald. Der einzige Grund, aus dem dort noch Bäume wachsen können, liegt darin, dass schon welche da sind. Der tatsächliche Niederschlag aus der Atmosphäre macht nur etwa 50% des gesamten Niederschlages im Amazonas-Becken aus, das wäre viel zu wenig für Regenwald.

Doch der Amazonas selber – also die bereits vorhandenen Bäume – speichert riesige Mengen an Wasser, über die Blätter der Pflanzen verdunsten sie und regnen über der Region wieder aus – nur durch dieses ausgeklügelte Selbsterhaltungssystem kann der Amazonas überhaupt existieren. Der Wald liefert die Grundlage für seine eigene Existenz. Ein kleiner Eingriff genügt, um das System zum Kippen zu bringen. Denn wenn Bäume absterben, wird auch weniger Wasser gespeichert. Dadurch kann weniger davon über die Blätter verdunsten, es gibt weniger Niederschlag, die Region wird trockener und – am Ende des Teufelskreises – sterben noch mehr Bäume ab, wodurch noch weniger Wasser gespeichert wird…

Was sind die Folgen?

Ein kleiner Eingriff genügt. Ein kleiner Eingriff wie etwa die 73.000 Brände, von denen der Amazonas derzeit heimgesucht wird. Nachdem an einer Stelle alle Bäume abgeholzt sind, wird der Boden nämlich oft angezündet, damit er auch unterirdisch verbrennt und zu freier, bspw. für Viehhaltung nutzbarer Fläche wird. Durch die eskalierenden Brände verbrennt natürlich viel mehr Fläche als eigentlich „nötig“.

Doch bevor sich die ungenutzte Region habilitieren kann und neue Bäume wachsen, siedeln sich weniger anspruchsvolle Gräser dort an und machen den Boden für Bäume unbrauchbar, da sie die Nährstoffe des Bodens beanspruchen. Sogenannte Generalisten setzen sich durch, also Lebewesen, die extrem anpassungsfähig sind.

Die Artenvielfalt nimmt dadurch drastisch ab, was dazu führt, dass die Ökosysteme anfälliger für Seuchen und Schädlinge werden. Dadurch sterben dann nicht nur ganze Landstriche, sondern es können auch immer öfter Erreger auf Menschen überspringen. Im schlimmsten Fall endet das dann in einer Epidemie oder gar einer Pandemie. In Zukunft könnte der Amazonas also zur größten Wiese der Welt werden – ein ökologisches Desaster.

Was tut die Regierung?

Brasiliens faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro scheint das wohl wenig zu beeindrucken. Bolsonaro, auch „Tropen-Trump“ genannt und bekannt für Aussagen wie „Es wird eine in Brasilien niemals gesehene Säuberung geben“, kommen die Brände im Amazonas mehr als gelegen. So muss er schließlich nicht einmal mehr finanziellen Aufwand betreiben, um Flächen für Vieh zu gewinnen und Naturvölker zu vertreiben, die er bereits öfter rassistisch beleidigte. Gezielte Brandrodungen sind in Brasilien längst Praxis. Dabei sind sie für das Klima noch schlimmer als Rodungen ohnehin immer sind, denn der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff wird bei der Verbrennung direkt in Kohlendioxid umgewandelt, das sofort in die Atmosphäre strömt.

Bolsonaro greift längst auch zu härteren Mittel, um die indigene Bevölkerung zu vertreiben. Illegale Goldgräber*innen werden toleriert, Gesetze untergraben den Schutz indigener Gebiete. Auch rhetorisch werden Ureinwohner*innen auf beispiellose Weise diskriminiert.

„Wenn diese Leute hier bleiben wollen, müssen sie sich unserem Recht unterwerfen. Oder sie verlassen das Land oder gehen ins Gefängnis. Diese r*ten Typen werden aus unserem Vaterland verbannt.“

Jair Bolsonaro

Das hat folgen: Die Anzahl von Mordanschlägen auf indigene Häutplinge hat sich drastisch erhöht. Raoni Metuktire und Almir Narayamoga Surui, zwei indigene Häuptlinge in Brasilien, wollen Bolsonaro gar vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stellen.

Droht uns eine Sauerstoffkrise?

Der Amazonas ist für ein Fünftel des globalen Sauerstoffs in der Atmosphäre verantwortlich, insgesamt macht der Stoff heute fast 21% der Atmosphäre aus und ist für Menschen unabdingbar. Panik vorm Ersticken müssen wir jedoch nicht haben, denn diese Zahl muss in einen Kontext gebracht werden: Ein gesunder Wald produziert keine riesigen Mengen Sauerstoff. Zwar wird der Luft CO2 entzogen und das O, also der Sauerstoff wird tatsächlich in die Luft angegeben, doch wir dürfen nicht das C vergessen, den Kohlenstoff. Der wird zu Biomasse und wenn diese verrottet, wird dabei wieder Sauerstoff verbraucht – ein Nullsummenspiel.

Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre sinkt aufgrund der Klimakrise tatsächlich etwas, wir müssen aber nicht befürchten, dass wir bald an der freien Luft ersticken. Aber es gibt andere schlimme Folgen: Nämlich, das CO2, welches bei den Brandrodungen frei wird. Das beeinträchtigt tatsächlich die Luftqualität, schon heute muss deutlich länger gelüftet werden, um in Räumen eine ausreichende Luftqualität zu erzeugen.

Wir stoßen durch die Brände also nicht nur enorme Menge Kohlendioxid aus, wir zerstören auch noch Pflanzen, die dieses Kohlendioxid wieder binden könnten. Genau dieses ökologische Netz sorgte dafür, dass sich das Klima bisher nach jeder Katastrophe wieder regenerierte. Dieses stabilisierende Netz zerstören wir jetzt jedoch – es gibt dann nichts mehr, was uns noch auffängt.

Und tatsächlich hat auch Sauerstoffmangel Folgen, vor allem aber in den Ozeanen, wo viele Zonen aufgrund des geringen Sauerstoffgehalts längst unbewohnbar sind bereits. Vermutlich wurde sogar eines der „Big Five“, der fünf großen Massensterben durch eine solche zu geringe Sauerstoffkonzentration in den Ozeanen verursacht.

Die aktuellen Brände sind also keineswegs die größten Brände, die wir je gesehen haben und dennoch könnten sie eine neue Ära einläuten. Sie könnten eine Ära einläuten, in der Staats- und Regierungschef*innen bei sich keine Verantwortung für Umweltschutz mehr sehen, eine Ära, in der das Leugnen der menschengemachten Klimakrise endgültig salonfähig ist und damit Wahlen gewonnen werden, eine Ära, in der über die Klimakrise wieder mehr als Meinungsthema diskutiert wird, eine Ära, in der CO2 nicht mehr nur aus Fabriken und Kraftwerken, sondern aus Wäldern und Mooren kommt und eine Ära, die verdächtig an die verheerenden Brände in den 1980er Jahren erinnern.

Stehen wir kurz vor dem Kipppunkt?

Sollte der Amazonas tatsächlich kollabieren, dann fällt ein großer Kohlenstoffspeicher der Welt plötzlich weg – und wird zu einer Kohlenstoffschleuder. Ist der sich selbst erhaltende Kreislauf einmal zerstört, dauert es nicht lange bis sich dies in der Zusammensetzung der Atmosphäre manifestiert.

Eine Änderung des Kohlendioxidpegels in dieser Dimension führte schon zu Massenaussterben. Würde der gesamte Amazonas abbrennen, dann würde allein das eine Erwärmung von 1,5°C verursachen. Fällt der Amazonas, dann fällt mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Weltklima – und zwar irreversibel. Doch die Wirkung dieses Ereignisses geht noch darüber hinaus. Anscheinend ist es auch in Europa mittlerweile salonfähig, Geschäfte mit solchen Verbrechern zu machen.

Denn das Mercosur-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten, darunter auch Brasilien, enthält praktisch keine ökologische Forderungen – und lässt Bolsonaro auch bei der Verfolgung von Ureinwohner*innen alle Optionen offen. Dabei ist der Amazonas keine nationale Angelegenheit, schließlich wären alle Menschen auf der Welt von dessen Kollaps beeinträchtigt.

Sollte es so weitergehen mit der Rodung des Amazonas, dann wird sich zunächst das Brachland weiter ausbreiten. Irgendwann werden sich dann Gräser ausbreiten und der Amazonas wird zur Wiese. Sollte sich die Klimakatastrophe ungebremst fortsetzen und der Meeresspiegel dadurch ansteigen, dann wird irgendwann Atlantikwasser in das Amazonasbecken strömen, wodurch es zur größten Lagune der Welt werden wird. Dann wird ein Zeugnis menschlichen Versagens sogar aus dem All zu sehen sein.

Nachtrag: Im März 2021 wurde bekannt, dass die Fähigkeit des Amazonas-Regenwalds, CO2 zu binden nun so stark beeinträchtigt ist, dass er unterm Strich mehr Treibhausgase ausstößt als er bindet. Seine Wirkung als globale Klimaanlage ist somit verloren. Ob er auch den Kipppunkt für seinen eigenen Kollaps überschritten hat, ist unter Wissenschaftler*innen umstritten.

Was kann ich tun?

Man kann jedoch mehr tun als nur für den Amazonas beten wie es derzeit in den sozialen Medien heißt. Lasst die Finger von brasilianischem Fleisch, Nahrung für die Tiere wird meist auf gerodeter Amazonas-Fläche angebaut. Genauso verzichtet werden muss auf alle Produkte, die Palmöl enthalten, denn auch für Palmölplantagen wird viel Waldfläche gerodet.

Letztlich dürfen wir hier in Europa natürlich auch nicht zu hochnäsig sein, Stichwort Hambacher Forst. Daher gilt es auch hier natürlich, RWE und die Mitverantwortlichen mit aller Kraft zu bekämpfen und natürlich 2021 diejenigen abzuwählen, die Geschäfte mit Verbrechern wie Bolsonaro machen.

Weiterführende Links

  • Bildstrecke zu den Ereignissen im Amazonas
  • Weitere Informationen zu Brasiliens Präsident Bolsonaro
  • Bericht zum Rückzug aus den Amazonas-Fonds
  • Artikel über Frankreichs Blockade beim Mercosur-Abkommen, auch zum Schutz des Amazonas
  • Beleg für den Nachtrag bezüglich der Netto-CO2-Bilanz
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