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Die Venus hütet ihre Geheimnisse unter einem dicken Wolkenschleier, durch den man sie noch bis weit indas letzte Jahrhundert hinein für einen wasserbedeckten Tropenplaneten hielt. Bis die Raumsonden der Sowjets das Gegenteil zeigten. Doch zumindest früher könnte die Venus tatsächlich so oder so ähnlich ausgesehen haben – bis etwas passiert ist.
Für eine erstaunlich lange Zeit hatte man keinerlei Ahnung, wie die Venus aussieht. Obwohl sie der erdnächste Planet und am Himmel sogar als kleine Scheibe sichtbar ist, kann man ihre Oberfläche kaum ergründen, da sie von riesigen und dichten Wolkenschleiern umhüllt ist, die jede Sicht auf auf ihre Oberfläche versperren.
Sich sonnende Venusianer*innen?
Bis in die 60er hinein zog man es in Erwägung, dass die Venus ein Tropenplanet, eine wärmere Version unserer Erde und von Dschungeln und Ozeanen bedeckt ist. Man spekulierte über Dinosaurier und die Gestalt der Venusianer*innen, schließlich ist die Venus das Symbol der Schönheit. Während der Mars als kältere Version der Erde galt, hielt man die Venus für ein Paradies.
Als die erste Raumsonde auf der Venus landete, war man sogar noch auf eine Landung in Wasser vorbereitet. Das mag vielleicht heute abstrus klingen, ist aber eigentlich durchaus nachvollziehbar, denn aus rein planetologischer Sicht sind sich Erde und Venus verblüffend ähnlich.
Erde | Venus | |
Masse | 5,9724 · 1024 kg | 4,875 · 1024 kg |
Durchmesser | 12.756,27 km | 12.103,6 km |
Dichte | 5,514 g/cm3 | 5,243 g/cm3 |
Entfernung zur Sonne | 1 AE | 0,723 AE |
Wie wir sehen, ist die Venus nur gut ein Drittel näher an der Sonne, hat eine ähnliche Dichte, ist fast genauso groß wie die Erde und hat immerhin 81,5% ihrer Masse. Zudem ließen sich auch Wolkenbänder beobachten, die man als Wasserwolken interpretierte.
Doch als die Sowjets tatsächlich auf der Venus landen, entpuppte sich die Venus als wahre Hölle, die meisten Sonden wurden nach wenigen Minuten zerstört. Dort herrschen fast 500°C und 92 Bar – ein Mensch würde also gleichzeitig verbrennen und zerdrückt werden. Mittlerweile deuten jedoch immer mehr Indizien darauf hin, dass die Venus über lange Zeit tatsächlich lebensfreundlich war.
Viermal Venus
Schon länger deuten Daten von Raumsonden, die man zur Venus schickte, darauf hin, dass dort früher einmal ein deutlich milderes Klima herrschte. Doch ob es auch reichte, um flüssiges Wasser oder sogar Ozeane zu beherbergen, das war bisher unbekannt. Um dieses Rätsel zu lösen, haben Forscher vom Goddard Institute for Space Studies den Werdegang der Venus unter vier verschiedenen Startbedingungen simuliert und dann ausgewertet, aus welchen Bedingungen am ehesten die heutige Venus resultiert.
Dabei variierte man vor allem die topologische und geographische Beschaffenheit des Planeten. Hier seht ihr eine Animation der heutigen Venusoberfläche unterhalb der Wolkendecke.
Dort sind eindeutig Senken auf der Oberfläche zu sehen, eine der Simulationen beinhaltet tiefe Ozeane in diesen Senken, eine andere eher seichte Meere, die den Planeten bedeckten. Eine weitere Simulation geht hingegen von einer erdähnlichen Topographie aus und eine vierte nahm sogar an, dass die Venus ein Ozeanplanet, also vollständig mit Wasser bedeckt war.
Die Sonneneinstrahlung nimmt mit der Zeit langsam zu, so gab man einmal die Intensität der Sonnenstrahlung auf der Venusbahn vor 4,2 Milliarden Jahren, vor 715 Millionen Jahren und heute als Input in die Simulation. Als Atmosphäre setzte man anfangs eine Kohlendioxidatmosphäre voraus, die sich langsam zu einer erdähnlichen Atmosphäre entwickelt – dies wäre im Falle von großen Ozeanen vermutlich so gewesen, da das Kohlendioxid durch diese gebunden würde.
Nun betrachtete man, wie sich die Venus in den verschiedenen Simulationen über die Jahrmillionen entwickelte.
Theoretisch ein Erdzwilling
Das Ergebnis ist verblüffend: So ganz theoretisch ist die Venus auch noch heute noch lebensfreundlich. Sehr theoretisch, wie die Bilder von der Venusoberfläche zeigen… Zumindest müsste sie es sein. Denn alle vier Versionen der Venus hätten ein über Milliarden Jahre stabiles Klima gehabt und würden zu einer Venus mit tropischen Temperaturen von 20°C bis 50°C führen – und zwar bis heute.
Daraus könnte man schließen, dass keine der vier Versionen stimmt und die Venus niemals lebensfreundlich war. Doch das wiederum stimmt aber nicht mit den durch Raumsonden erhobenen Daten überein, die zur Venus flogen.
Also muss es ein einschneidendes Ereignis gegeben haben, das den Planeten so entstellt hat, dass sich das Klima nie regenerierte. Man vermutet, dass sich dies vor etwa 700 Millionen Jahren ereignete, die Venus wäre also über die längste Zeit ihrer Existenz bewohnbar und vielleicht tatsächlich von Ozeanen bedeckt gewesen. Als mögliches Leben auf der Venus endete, waren auf der Erde also noch nicht einmal die Säugetiere entstanden.
Galoppierender Treibhauseffekt
Eine Möglichkeit, die in Erwägung gezogen wird, ist ein extrem starker globaler Vulkanismus, der die Oberfläche der Venus aufgeschmolzen hat. Aus der geschmolzenen Kruste sind dann gebundene Gase wie Kohlendioxid und Wasserdampf in die Atmosphäre entwichen, wo sie einen sich selbst verstärkenden Treibhauseffekt in Gang gesetzt haben.
Durch die Gase wurde die Atmosphäre dichter, sodass die Wärme nicht mehr entweichen konnte und sich das Klima veränderte. Durch diese Veränderung entwichen noch mehr Gase und so ging es immer weiter. Auch nach Ende des Vulkanimus entwichen immer mehr Gase, ein galoppierender Treibhauseffekt ereignete sich, der erst endete, als die Ozeane der Venus vollständig verdampft waren.
Die Vulkane wären also lediglich der Startschuss für eine Reihe an sich selbst verstärkenden Effekten gewesen. Das gleicht dem Kreischen, das entsteht, wenn ein Ton von zwei zu nah aneinander stehenden Verstärkern immer und immer wieder verstärkt wird.
Ähnlich ereignete sich es auch auf der Erde vor 250 Millionen Jahren. Ein extremer Vulkanismus im sogenannten Sibirischen Trapp löste das größte Massenaussterben aller Zeiten aus. Da die Erde zu diesem Zeitpunkt bereits ein widerstandsfähiges ökologisches Netz hatte, welches Veränderungen trotzte und Sauerstoff produzierte, pendelte sich das irdische Klima wieder ein. Die Venus hatte vermutlich kein solches Netz.
Vielleicht kommen euch einige Formulieren bereits bekannt vor, und erschreckend irdisch, denn die menschengemachte Klimakrise auf der Erde verursacht derzeit einen ähnlichen Effekt. Durch unsere Kohlendioxidemissionen entweichen ebenfalls Stoffe wie Methan aus dem Erdboden, bzw. aus den Permafrostböden in der Arktis.
Erwärmen wir die Erde nur um wenige Grad Celsius, könnte auch auf der Erde ein nicht mehr zu kontrollierender Treibhauseffekt einsetzen, der große Teile der Erde unbewohnbar macht. Ob die Menge der gebundenen Treibhausgase ausreicht, um rein theoretisch im Falle einer vollständigen Freisetzung wie auf der Venus das Wasser verdampfen zu lassen, was weitere Kettenreaktionen in Gang setzt, ist nicht sicher, bzw. vermutlich tut sie das nicht.
Möglich ist aber, dass bereits bei zwei Grad Celsius Erwärmung Effekte in Gang gesetzt werden, welche die Erde zumindest für uns und höhere Lebewesen langfristig unbewohnbar machen. Die Verbrennung aller fossiler Brennstoffe, wie US-Präsident Trump sie forderte, könnte die Erde bspw. um etwa 20°C erwärmen. Passen wir nicht auf, dann sind wir nicht nur der Spiegel der Vergangenheit der Venus, sie ist auch der Spiegel unserer Zukunft.
Weitere Raumsonden nötig
Doch um zu klären, ob es auf unserem Nachbarplaneten überhaupt Vulkanismus gibt und welche der Versionen der Vergangenheit zutrifft, benötigen wir mal wieder Raumsonden. In der Anfangszeit der Raumfahrt landeten zahlreiche, vor allem sowjetische Sonden auf der Venus. Die letze Landung fand jedoch 11.984 HE statt, seitdem erforschten nur Orbiter und Vorbeiflugssonden den Planeten.
Tatsächlich könnte die Venus in Zukunft wieder stärker in den Fokus rücken, Russland möchte etwa an alte Zeiten anknüpfen und 12.025 HE Venera-D zur Venus schicken, die Raumsonde soll aus einem Orbiter, einem Atmosphärenballon und einem Lander bestehen, der mehrere Stunden auf der Venusoberfläche arbeitet. Auch bei der NASA liegen Konzeptstudien für Venuslander in der Schublade.
Es gibt auch Ideen für Zeppeline oder Flugzeuge, die in der dicken Atmosphäre der Venus fliegen sollen. Einfache Mikroben werden dort bis heute nicht ausgeschlossen, auch wenn sich die jüngste Meldung von Biomarkern in der Atmosphäre vermutlich als Fehler herausstellte. Die wenigsten wissen es, aber vermutlich wird die Venus auch der erste Planet sein, der von Menschen besucht wird: Auf dem Flug zum Mars in den 30ern ist zunächst ein Vorbeiflug an der Venus eingeplant.
Bis dahin wird sie mit ihrer Geschichte mahnend am Nachthimmel stehen, weiterhin Menschen für die Astronomie begeistern und uns zeigen, dass Treibhausgase am besten dort bleiben, wo sie sind. Im Boden.