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Forscher*innen können Erinnerungen löschen

Forscher*innen können Erinnerungen löschen - und nun?

Gedächtnismanipulation, unliebsame Erinnerungen löschen oder falsche Erinnerungen einfügen, die es nie gegeben hat – das klingt nach Science Fiction. Doch genau das ist Forscher*innen nun erstmals in kleinem Umfang gelungen. Könnte dies eines Tages auch bei Menschen funktionieren und welche Veränderungen brächte das mit sich?

Ein Forscher hat eine Methode entwickelt, unliebsame Erinnerungen für immer aus dem Gehirn von Menschen löschen zu können und so nehmen zwei Verliebte, die miteinander kein Glück finden können, den Dienst in Anspruch. Doch als sie im Tiefschlaf während des Löschens ihre gesamte Geschichte noch einmal durchleben, erkennen sie, wie wertvoll die Erinnerungen eigentlich sind – da ist es allerdings schon zu spät.

Dieses Szenario ist natürlich nicht real, es ist die Handlung des Dramas Vergiss mein nicht!. Doch technologisch sind wir von einer solchen Stufe vermutlich gar nicht mehr so weit entfernt, denn erstmals haben es Forscher*innen geschafft, Erinnerungen im Gehirn zu lokalisieren und mit eines Lasers gezielt auszulöschen.

Aber nicht nur das, di konnten im Nachhinein sogar ebenso gezielt wieder angeschaltet werden – quasi per Knopfdruck und mit Fernbedienung. Das ist schon eine sehr faszinierende Vorstellung…

Lokalisierung und Manipulation

Die Gedankenmanipulation fand natürlich nicht bei Menschen statt, dafür aber bei Mäusen. Ihre Biologie ist der unseren überraschend ähnlich und es handelt sich ebenfalls um Säugetiere. Das macht die Gedankenmanipulation schon bei Mäusen zu einem gigantischen Schritt für die Wissenschaft.

Aber es zeigt auch mal wieder eindrücklich, dass Gedanken etwas Materielles sind. Lange hielt man den menschlichen Geist für etwas Abstraktes oder gar Göttliches, man erklärte ihn durch eine nicht existente Seele. Doch seit einigen Jahren können wir Gedanken im Gehirn lokalisieren, sie haben also einen Ort und sind im Grunde genommen nichts Anderes als eine spezielle Anordnung an Neuronen.

Von dieser Erkenntnis und der Fähigkeit, die Gedanken im Gehirn zu lokalisieren, ist es nicht mehr weit bis Kontrolle und auch zum gezielten Löschen von Gedanken und Erinnerungen.

Erinnerungen löschen – wie funktioniert das?

Diese Fähigkeit zur Lokalisierung von Gedanken ist auch die Basis der Technologie, mit der wir nun Erinnerungen löschen können. Wenn Zellen im Gehirn aktiv werden, leuchten sie auf, wodurch sich feststellen lässt, welche Erinnerungen in welchen Hirnregionen sitzen.

Ermöglicht wird die Gedächtnismanipulation durch erhebliche Fortschritte in der Physik und der Biologie in den letzten Jahren. Der Mechanismus funktioniert über ein Laser, der von einem Computerprogramm gesteuert wird, welches mittels Holographie arbeitet. Dieses holographische Programm fokussiert den Laser auf eine eng umrissene Gruppe von Neuronen, die dadurch samt aller in ihnen steckenden Erinnerungen deaktiviert werden.

Dank des gebündelten Lasers beeinflusst die Methode keine umliegenden Neuronen, sondern nur die wirklich fokussierten. Andernfalls könnten auch andere Teile des Gehirns deaktiviert werden, was nicht vorhersehbare Folgen haben könnte.

Eine vielversprechende Technologie

Habt ihr vielleicht eine Erinnerung, die ihr unbedingt loswerden wollt, die euch an nichts Anderes mehr denken lässt oder heftig traumatisiert hat? Dann träumt ihr vielleicht auch davon, dass die Gedankenmanipulation auf Menschen angewandt werden kann.

Perspektivisch ist das sogar möglich, in einigen Jahren oder Jahrzehnten könnte es eventuell Dienstleister wie in „Vergiss mein nicht!“ geben, bzw. spricht wissenschaftlich nichts Grundlegendes dagegen. Doch bevor dies geschieht, müssen noch einige Hürden überwunden werden.

Derzeit muss für das Verfahren zum Beispiel die Schädeldecke geöffnet werden, ein sehr schädliches und riskantes Unterfangen – das wird wohl kaum jemand freiwillig für einen nicht lebensnotwendigen Eingriff machen.

Zudem ist das menschliche Gehirn deutlich größer als das einer Maus, das bedeutet einige Neuronen sind deutlich weiter vom Laser entfernt. Über diese Distanzen würde der Laser vermutlich streuen und das genaue Zielen wäre nicht mehr möglich. Daher könnte man Neuronen in den inneren Bereichen des Gehirns wohl nicht manipulieren – zumindest noch nicht.

Radikal andere Gesellschaft

Gedächtnismanipulation katapultiert die Neurobiologie in ein neues Zeitalter, die Technik hat sicherlich bahnbrechendes Potential. Doch es gibt auch noch ethische Hürden, die uns mit der Frage konfrontieren, ob es überhaupt erstrebenswert ist, wenn auch Menschen Erinnerungen löschen können.

Eine Gesellschaft, in der jede*r einfach und schnell Erinnerungen löschen kann, wäre eine radikal andere. Man müsste Ereignisse nicht mehr verarbeiten, sondern könnte einfach die entsprechenden Erinnerungen löschen – das könnte eine ganz andere Weltanschauung hervorrufen und auch unseren Stil zu leben verändern, vielleicht nicht nur positiv.

Noch schwieriger wird es, wenn man in Erwägung zieht, dass die Technik vielleicht auch von schlechten Menschen zwangsweise angewandt werden könnte, um unliebsame Gedanken aus dem Kopf der Opfer zu entfernen – oder wenn es eines Tages sogar gelingt, Gedanken einzupflanzen, die sich so in Wahrheit nie ereignet haben.

Wenn plötzlich gedanklich gewisse Lebensabschnitte fehlen, könnte das auch sehr verwirrend sein. Wir wissen beispielsweise noch nichts über die Langzeitfolgen der Behandlung. Erinnerungen löschen könnte eine verstörende Erfahrung sein. Was passiert etwa, wenn die behandelte Person von Anderen auf eine Zeitspanne angesprochen wird, zu der sie keine Erinnerungen mehr hat?

All diese Fragen liegen natürlich noch in weiter Ferne, aber man sollte sie klären, bevor es soweit ist, denn wie wir alle wissen, geht technische Entwicklung oft schneller als man denkt – und auch schneller als eine Gesellschaft nüchtern abwägen und diskutieren kann.

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2 Comments

  • Marius Eversmann
    Marius Eversmann

    Hallo Jason,

    ein sehr interessanter Artikel. Wie immer verständlich geschrieben.
    Aber eine Sache habe ich noch nicht ganz kapiert: werden die Erinnerungen komplett gelöscht oder kann man sie „an und ausschalten“? Also „wegmachen“ wenn man sie nicht braucht, und wiederholen, wenn man sie dann doch nutzen möchte?

    LG aus Leverkusen
    Marius

    Antworten
    • Jason vJ

      Man kann sie tatsächlich an- und ausschalten. Die Neuronen werden lediglich deaktiviert, nicht zerstört, sodass man sie wieder herstellen kann.

      Antworten

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