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Dragonfly fliegt zum Titan!

Dragonfly auf dem Titan

Wir alle müssen im Leben Entscheidungen treffen, der NASA geht das nicht anders. Auch sie muss entscheiden, was sie mit dem Geld macht, welche Missionen sie finanziert und welche sie aufgibt. Eine große Entscheidung wurde nun getroffen, nämlich die über die vierte Mission des New-Frontiers-Programms. Die Reise soll wieder zum Saturmond Titan gehen, und zwar mit der Roboter-Drohne Dragonfly.

Die NASA teilt ihre unbemannten Forschungsmissionen in drei Programme ein. Das günstige Discovery-Programm setzt auf einfach zu erreichende Ziele, simple Technik und eine maximale wissenschaftliche Ausbeute. Das teure Flagship-Programm umfasst die großen und komplexen Missionen, die häufig mehrere Milliarden US-Dollar kosten.

Das Auswahlverfahren

Dann gibt es jedoch noch das dritte Programm, zwischen günstigen Discovery-Missionen und teuren Flagship-Missionen. Das ist das sogenannte New-Frontiers-Programm, also Medium-Class Missionen. Hier sind die drei Programme mal zum Vergleich ausgeführt.

DiscoveryNew FrontiersFlagship
Preisspanne300-500 Mio. USD500-800 Mio. USD800-2.800 Mio. USD
Durchgeführte Missionen1234
BeispielInSightNew HorizonsCassini-Huygens

Die Auswahl einer neuen Mission funktioniert so: Es gehen verschiedene Vorschläge ein, von denen einige von der NASA finanziert werden, um ihre Ideen näher auszuarbeiten. Im Fall der vierten Mission des New-Frontiers-Programm waren das unter anderem folgende:

  • Eine Landesonde für die Venus, die längere Zeit auf der Oberfläche überstehen und eine Bodenprobe nimmt
  • Eine Atmosphärensonde für den Saturn, die tief in den Gasplaneten eindringt
  • Eine Raumsonde, die Proben von einem Kometen oder dem Mond auf die Erde bringen soll
  • Eine Raumsonde, die nach Leben auf dem Saturnmond Enceladus suchen soll
  • Eine autonome Drohne für den Saturnmond Titan

Die beiden Finalisten waren die Probenrückführungsmission für den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko namens CAESAR mit einem Xenon-Ionenantrieb und die Roboterdrohne für den Titan namens Dragonfly.

Dragonfly, CAESAR-Raumsonde
So hätte CAESAR Proben vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko sammeln sollen

Nun hat sich die NASA nach über eineinhalb Jahren Überlegen für Dragonfly entschieden – wenn ihr mich fragt, keine schlechte Entscheidung.

Das Ziel

Das Ziel von Dragonfly ist der bis zu 1,67 Milliarden Kilometer von der Erde entfernte Saturnmond Titan. Das ist wirklich weit weg, man kann sich das kaum vorstellen. Könnte man mit einem Zug dorthin fahren, würde die menschliche Lebenszeit nicht ausreichen, selbst die Kinder und Enkel würden den Titan nie zu Gesicht bekommen – erst nach über 1.900 Jahren käme man an. Um heute anzukommen, hätte man also zur Blütezeit des Römischen Reichs aufbrechen müssen.

Dementsprechend frostig sind die Temperaturen auf dem Titan, die Sonne scheint dort mit nur einem Prozent ihrer Helligkeit am irdischen Himmel und hat ein Neuntel ihres Durchmessers am irdischen Himmel – die Temperaturen auf Titans Oberfläche sinken auf fast -180°C.

Dennoch handelt es sich um den erdähnlichsten Himmelskörper im Sonnensystem, der Titan ist von riesigen hunderte Kilometer großen Seen aus flüssigen Kohlenwasserstoffen bedeckt, sie werden von Flüssen gespeist und erzeugen Karstgebiete. Es gibt Regen, Blasen, Eisberge, Vulkane und eine Atmosphäre aus Stickstoff mit einem etwa 50% höheren Druck als auf der Erde.

Vor allem die Gewässer auf der Oberfläche des Titans machen ihn zu einem der vielversprechendsten Orte für Leben oder zumindest Vorstufen dazu in unserem Sonnensystem. Aus diesem Grund setzte man die Landesonde Huygens ab, sie fotografierte Küstenlinien und Gebirge bei ihrem Abstieg durch die Atmosphäre.

Noch nie landete eine Raumsonde auf einem Mond eines anderen Planeten und noch nie landete ein Raumfahrzeug in so großer Entfernung zur Sonne. Diese Meisterleistung soll nun wiederholt werden – aber in einem ganz anderen Maßstab.

Die Mission

Huygens ist lediglich gelandet, hat etwa 70 Minuten Daten zur Erde gesendet und ist dann eingefroren. Dragonfly hingegen soll mobil sein und dabei über die Oberfläche des Titan fliegen.

Das Konzept ist ein Quadrokopter, also eine Drohne mit vier Doppelrotoren, welche in der dichten Atmosphäre des Titans fliegen soll. Die Vorteile gegenüber einem Rover oder einer einfachen Landesonde sind offensichtlich: Dragonfly wird viele weit auseinander liegende Orte des Titan erforschen können, wird dabei schnell sein und unebenes Terrain und Seen überqueren können.

Zudem hat der Titan eine dichtere Atmosphäre und eine geringere Anziehungskraft als die Erde, es ist hier also viel leichter, genügend Auftrieb für einen Flug zu gewinnen. Für den Flug einer Drohne auf dem Titan ist 38-mal weniger Energie nötig als auf der Erde. Die dicke Atmosphäre schirmt auch kosmische Strahlung ab, welche die Elektronik zerstören könnte.

Insgesamt soll Dragonfly sogar 175 Kilometer auf der Oberfläche des Titan zurücklegen und bis zu vier Kilometer hoch fliegen. Das ist mit großem Abstand die größte je zurückgelegte Strecke auf einem fremden Himmelskörper. Dragonfly soll etwa zwei Jahre aktiv sein, womöglich auch länger.

Die Drohne ist ungefähr drei Meter lang und wird durch einen thermoelektrischen Radioisotopengenerator angetrieben, sie wird ihre Energie also durch den Zerfall radioaktiver Elemente gewinnen. Dabei wird die entstandene thermische Energie in elektrische Energie umgewandelt. Solarzellen sind in so großer Entfernung zur Sonne unpraktikabel.

Starten soll Dragonfly im Jahr 2026, der Flug zum Titan wird fast neun Jahre dauern. Wenn alles gut läuft, trennt sich die Abstiegsstufe 2034 von der Sonde ab und dringt mit einem Fallschirm in die Atmosphäre des Titan ein. Kurz vor dem Aufkommen auf der Oberfläche löst sich die Drohne und fliegt los.

Dragonfly wird nicht das erste Fluggerät auf einem anderen Himmelskörper sein, schon 2021 soll im Rahmen der Mars 2020 Mission gemeinsam mit dem Marsrover Perseverance der Mars Helicopter Scout im Jezero-Krater des Mars landen. Doch er ist quasi nur ein Test und trägt keine eigenen wissenschaftlichen Instrumente.

Der Landeplatz

Der Landeplatz von Dragonfly ist die sogenannte Shangri-La-Region. Laut einer tibetischen Legende ist Shangri-La ein sagenhaftes Land, wo die Menschen in Frieden und Eintracht leben. Es galt aber auch immer als Verkörperung des Geheimnisvollen.

Genau das ist die Shangri-La-Region auf dem Titan auch, eine kaum erforschte, rätselhafte, dunkle Region auf dem Saturnmond. Die einzigen Daten über diese Ebene kommen von Huygens, der ebenfalls in der Shangri-La-Region niederging.

Man vermutet, dass dort ausgetrocknete Meere liegen, womöglich auch organische Moleküle. Es gibt zahlreiche Dünenfelder und Gebirge, deren helle Gipfel sichtbar sind. Lange meinte man, in den tropischen Regionen des Titans, wozu auch Shangri-La gehört, könne es keine flüssigen Seen geben, doch Cassini zeigte auch dort mindestens ein Meter tiefe Seen.

Nachdem diese Region ausgiebig erforscht wurde, wird Dragonfly zum Selk-Krater weiterfliegen. Hier vermutet man die Existenz komplexer organischer Moleküle, womöglich könnte man sogar Vorstufen zu Leben finden. Wohin es danach geht, wird man dann sehen, das ist wohl auch vom Zustand der Drohne und von den ersten Ergebnissen abhängig.

Wissenschaftliche Ziele

NASA-Chef Jim Bridenstine lässt optimistische Töne schlagen:

„Diese mysteriöse Ozean-Welt zu besuchen könnte unser Wissen über Leben im Universum revolutionieren. Die geplante Mission wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Doch jetzt sind wir bereit.“

Jim Bridenstine, Administrator der NASA

Tatsächlich ist die Mission wahnsinnig anspruchsvoll, denn die Drohne muss fast komplett autonom fliegen können. Titan ist so weit entfernt, dass selbst die Signale mit Lichtgeschwindigkeit etwa 80 Minuten benötigen. Wenn Dragonfly abhebt, sehen wir das also erst 80 Minuten später. So kann man natürlich keine Landung steuern oder Hindernissen ausweichen, das muss Dragonfly selbst schaffen.

Sie wird vermutlich das erste außerirdische Fluggerät sein, das mit eigenen wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet ist. So führt Dragonfly das Dragonfly Mass Spectrometer mit, welches Biosignaturen, also die Stoffwechselprdoukte von Aliens aufspüren könnte. Das Dragonfly Gamma-Ray and Neutron Spectrometer kann die Zusammensetzung der Oberfläche Titans ermitteln.

Das Dragonfly Geophysics and Meteorology Package hingegen besteht aus einer Art Wetterstation für den Titan und einem Seismometer, das geologische Aktivitäten findet. Mitgeführt wird auch eine Kamera zur Erforschung der Landeplätze und ein Bohrer zur Untersuchung von Bodenproben.

Mit diesen Instrumenten wird sich Dragonfly unter anderem folgenden wissenschaftlichen Aktivitäten widmen.

  • Detailliertere Erkundung der Methanseen
  • Suche nach (Vorstufen zu) Leben in den Seen
  • Suche nach Kryovulkanen, die möglicherweise flüssiges Wasser aus dem Untergrund nach oben befördern
  • Suche nach komplexen organischen Molekülen und Aminosäuren
  • Ermittelung der Zusammensetzung der festen Kohlenwasserstoffe
  • Erforschung von Gebieten, in denen komplexe organische Moleküle mit flüssigem Wasser interagieren könnten.
  • Suche nach Stoffwechselprodukten möglicher biologischer Aktivitäten

Sollte man Leben auf Titan finden und sollte es keine genetischen Gemeinsamkeiten mit dem irdischen Leben haben, was sehr wahrscheinlich ist, wäre das mehr als nur eine Sensation. Wenn in nur einem Sonnensystem unter 300 Milliarden alleine in unserer Milchstraße zweimal unabhängig voneinander Leben entstand, dann bedeutet das, dass es im Universum nur so vor Leben wimmelt.

Ballons und U-Boote geplant

Dragonfly ist eine ganz neue Art, das Sonnensystem zu erforschen. Doch es ist nicht die einzige Möglichkeit, den Titan zu erforschen. So gibt es schon seit längerem die Idee, sogar ein Flugzeug auf den Titan zu schicken, einen Ballon durch seine Atmosphäre schweben zu lassen oder zumindest mit einer Raumsonde in seinen Orbit einzutreten.

Eine bereits konkretere Idee ist, ein kleines Boot, den Titan Mare Explorer (TiME) in einem der großen Methanseen abzusetzen, etwa dem Ligeia Mare oder dem Kraken Mare. Mit verschiedenen Instrumenten, Kameras und Scheinwerfern könnte die Zusammensetzung der Seen so direkt ermittelt werden und somit auch ihre Bewohnbarkeit und mögliche Bewohner.

Dragonfly, Titan Mare Explorer
TiME erforscht das Kraken Mare…

Noch ambitionierter ist sogar ein großes atombetriebenes U-Boot, welches in die Methanseen eintauchen und direkt mit möglichen außerirdische Lebensformen treffen könnte. Aber auch die Tiefe der Seen ließe sich direkt bestimmen.

Doch ein solches U-Boot zu konstruieren ist noch schwerer als eine Drohne, vor allem muss es in den kalten Gewässern extrem stark geheizt werden, das würde Blasen erzeugen, welche die Navigation erschweren. Blasen durch aufsteigenden Stickstoff gibt es wahrscheinlich sowieso und auch Eisberge hält man für möglich – wir wollen ja keine außerirdische Version der Titanic.

Bis dieses U-Boot bereit ist, wird es wohl noch 20 Jahre dauern, es könnte also nach Ende der Dragonfly-Mission starten. Wer weiß, was Dragonfly bis dahin schon gefunden hat.

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