Eintracht Frankfurt – TSG 1899 Hoffenheim, 26.10.2013
Die Wochenendrebellen im Frankfurter Waldstadion. Welch Zufall, dass ich für die Stadiontour mit meinem Sohn an diesem Wochenende das Spiel der Frankfurter Eintracht gegen die TSG Hoffenheim auswählte. Grund für diese Entscheidung war eigentlich einzig und allein das verfügbare Kartenkontingent direkt hinter dem Tor in Reihe 1 wo Sohnemann schon immer einmal sitzen wollte und die relativ kurze Anreise. Im Nachhinein war dies zumindest wohl ein lokalhistorisches Spiel, denn es dürfte das letzte Spiel von Tim Wiese für die TSG Hoffenheim gewesen sein. Was jemanden wie Tim Wiese nun wirklich damals bewogen hat seine Zelte ausgerechnet in Hoffenheim aufzuschlagen wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben.
Der Babbelsche Ansatz bleibt aus dem Blickwinkel der TSG für mich ja nachvollziehbar. Aber eine so extrem polarisierende Person wie Tim Wiese in der Provinz ohne Boulevardpresse? Ein Torhüter, den viele unberechtigterweise sofort mit einem rosa Torwarttrikot und großen Haargelmengen in Verbindung bringen , mit der durchaus selbstbewussten Ausstrahlung, gehörte eigentlich nach Hamburg, nach Berlin vielleicht sogar nach München, aber Hoffenheim?
Aber bleiben wir aktuell. Abseits der Kameras. Die Knackpunktszene in diesem Spiel war leider nicht im Fernsehen zu sehen. Es gab viele Anzeichen , für Herrn Wieses instabile Seelenlage wie Kopfschütteln, nach eigenen nicht wirklich schlechten Szenen oder auch die Körperhaltung ganz allgemein, aber so einen tiefen Einblick ins Seelenleben eines Sportlers vermochte ich zuvor live noch nicht wahr zu nehmen.
Die Nachspielzeit läuft. Ecke für Hoffenheim. Wiese läuft am Sechszehner los um sich im gegnerischen Strafraum zu positionieren , so wie es wohl ausnahmslos jeder Torhüter von Liga 1 bis 12 in aller Welt getan hätte. Ein Oliver Kahn hätte auf dem Weg in den gegnerischen Strafraum vermutlich sogar noch drei Hoffenheimer umgerissen um zu zeigen:
“So, Freunde der Nacht. Jetzt klingelt´s oder es wird blutig-Oder beides“
Wiese aber stoppt auf Höhe der Mittellinie kurz ab um Blickkontakt zur Trainerbank aufzunehmen und mit dem Finger in den gegnerischen Strafraum zu zeigen. Von unseren Plätzen relativ eindeutig erkennbar , dass er die Freigabe haben wollte bevor er sich dann doch vorne mit ins Getümmel warf.
Wie verunsichert muss jemand sein , wenn er in diesem Moment die Absolution des Trainers benötigt? Wo ist das Selbstbewusstsein eines Keepers, wenn er in Anbetracht der letzten Offensivaktion , die einen Punkt bringen könnte Angst vor dem Tempogegenstoss hat? Ist es zu viel verlangt wenn ich in diesem Moment auch von einem Torwart nichts anderes erwarte als das Höchtsmaß an Überzeugung den Ausgleich mit herbeizuführen.
Andererseits. Wer mag es Ihm verdenken? So lustig wie er beim zweiten Gegentor gegen Hoffenheim auch aussah. Durch die Kopfballverlängerung war der Ball nicht haltbar. Für einige , mich inklusive , wäre es vermutlich ein Heidenspass gewesen sich anschließend über den Ex-Nationalkeeper zu belustigen wenn er vergeblich dem Konter nach der Ecke hinterher geeilt wäre.
Tim Wiese. Er gehört sicherlich nicht zu meinen Lieblingen innerhalb der Bundesliga. Aber ich wünsche Ihm, dass er auch mal wieder aus nächster Nähe angeschossen wird wie der ein oder andere sich im Anschluss feiernde Kollege. Ich wünsche Ihm Fans seines zukünftigen Teams , die Ihm zumindest zu Beginn die 100%ige Rückendeckung und vollen Support bieten. Ich wünsche Ihm, dass er bei keinem Verein als Bauernopfer herhalten muss und sein hoffentlich weiterhin hartgegeltes Haupt nicht an der Trophäenwand einen aktionistischen Managers landet, der ihn bereitwillig zur Schlachtbank führt um Führungsstärke und Kompetenz ausstrahlen zu wollen. Ich wünsche Ihm Interviews wo er aus vollem Brustton der Überzeugung einem Manuel Neuer oder einem René Adler den Kampf ansagt. Das wünsche ich Ihm. Aufrichtig.