Es ist passiert.
Ich stand nun erstmals mit dem Sohn in einer Kurve….. (Korrektur des Sohnes: Es ist keine Kurve, sondern eine Gerade). Ich stand also nun erstmals mit dem Sohn auf einer Heimtribünengerade und um uns herum stand ein Vielzahl an Meenzschen, die bezüglich ihres Alters dem Sohn deutlich näher anzusiedeln waren als dem Papsi, der sich gefühlt hat wie Opsi.
Und schon sind wir mittendrin in unserem Rebellenbericht, der am Samstagmittag beim Spiel von Hannover 96 gegen die TSG Neureich-Bimbeshausen beginnen und über das Topspiel des Abends, VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen, mit einer Weiterreise nach Berlin am Sonntag in der Alten Försterei mit vielen netten Menschen enden sollte.
Es hätte so schön werden können. Und dann stehst du in Mainz auf der Lotto-Totto-Rheinland-Pfalz Tribüne, umgeben von 15-jährigen Mädels und hörst den Stadionsprecher, wie er die „lauteste Haupttribüne der Welt“ begrüßt und Dir wird schlagartig klar:
Die Meenzschen hier haben Humor. Es ist vielleicht nicht dein Humor, aber sie haben Humor. Und mein Sohn auch. Dem fiel nämlich urplötzlich ein, dass wir vor Berlin noch nach Aue müssen, weil ich das so gesagt habe. Irgendwann. Ich erinnere mich nicht.
So wurde die Planung kurzfristig angepasst, und da es uns selbst unter Nutzung aller zur Verfügung stehender Verkehrsmittel nicht gelungen ist, am vergangenen Samstag eine stabile Planung für den Besuch von zwei Erstligaspielen nacheinander aufzubauen, entschlossen wir uns eben für Mainz gegen Braunschweig am Samstag und für die Bayern Amateure am Sonntag, was dann auch wieder verworfen werden musste.
Da der letzte Punktedreier der Mainzer ungefähr X Monate (X = fragen Sie den Statistikfreak Ihres Vertrauens) her ist, hatte man im Stadion vorgesorgt und im Falle eines Scheiterns gegen das Team, die angeblich vermutlich mehr braun sind, als dass sie schweigen, Grills an den Ecken der einzelnen Kurve aufgebaut. Wieder einmal mehr war es also der HSV, der eine Tradition begründete, die über die Landesgrenzen hinweg Fuß fassen konnte:
Das Fan-Grillfest. Aber zurück zu den schweigenden Braunen, die im Stadion nicht wirklich schwiegen, sondern ihrer Mannschaft über 90 Minuten einen tollen Support lieferten.
Ich wehre mich immer ein wenig gegen diese Komplettpauschalisierung (Ist das jetzt doppelt gemoppelt? Egal.).
Ich glaube, dass weder alle Kölner ausschließlich Bier trinken, welches wie Pipi schmeckt, noch, dass alle Fans der Düsseldorfer Fortuna intelligent und gutaussehend sind , so wie ich auch nicht glaube, dass alle Dortmunder Borussen Pyromanen sind und alle Bayern Fans den dominanten Part bevorzugen. (Der dauert vielleicht eine Sekunde.)
Die Mainzer sind ein ziemlich glatter Verein. Kaum Skandale, selten Negativ-Schlagzeilen und würde Meister Tuchel nicht gelegentlich sinnfrei ausrasten, wäre ihnen der unangefochtene Platz eins der „Graue-Maus-Tabelle“ nicht zu nehmen. Längst vorbei sind die Zeiten der „Bruchweg Boys“, die heute noch mit ihrem Startrekord den Weg ins aktuelle Stadionmagazin „Der Nullfünfer“ finden.
Dieses kompetente Fachmagazin fiel in der Ausgabe zum Spiel gegen den BTSV hauptsächlich durch billige Provokationen in Richtung Ex-Trainer Klopp und seinem Team auf. ( Who the fuck is Mats Hummers ?) Der laut eigener Aussage „erste klimaneutrale Verein der Bundesliga“ scheint in der Bundesliga eine unbesetzte Nische für sich entdeckt zu haben. Der ökologisch verantwortungsvoll handelnde Verein.
Man setzt dazu nicht nur auf auch namentlich naturverbundene Spieler wie PARK und BAUMgartlinger in der ersten Mannschaft, sondern auch im Jugendbereich tummeln sich unter Trainer Markus REHbein Spieler wie BERGmann, und BÄUMEl, während man sich beim Jugendspieler ARAL wohl schon jetzt sicher sein kann, dass dieser schon namentlich keine Option für die Fortführung der Mission Klimaverteidiger ist. Aber nun mal ganz im Ernst. Zumindest ganz kurz.
Ich finde es wirklich klasse, dass die Mainzer nun Bierbecher aus Maisstärke anstatt aus Plastik einsetzen, Fans belohnen, die umweltfreundlich anreisen und das Stadionmagazin auf klimaneutralem Papier drucken. Wenn es nur nach außen nicht alles nach so wenig Überzeugung, sondern eher nach agenturgetuntem Glattbügel-Konzeptimage aussehen würde. Was mich überzeugen würde? Ihr könntet komplett auf diese kaschierten, plastikbezogenen Drecksklatschpappen verzichten oder sie aus Vollkornbutterkeksen herstellen und Herr Tuchel könnte aufhören so oft zu schreien und damit unnötig diese Ozolotschicht zu belasten, die unser Klima kaputt machen tut. Äh, ja.
Das wäre zumindest ein Anfang. Aber okay, die Nische ist besetzt. Ihr seid nun die Birkenstocksandale einer Liga, in der die Meisterschaft an den stachelbesetzten Domina High Heel geht, obwohl die Holzpantine der Dominanten lieber den Elfmeter geschossen hätte. Karneval ist überall. Egal. Hauptsache die Springerstiefel verlieren. Immer. Egal wie. Der Sohn hatte Laune. Und Papsi erst recht.
Kurz vor Spielbeginn sickerte das Ergebnis der Fortuna aus Düsseldorf durch, was Jason dazu veranlasste, mir anzubieten ruhig noch einmal die Fortuna aus Düsseldorf auch auswärts zu sehen. Er würde es doch so mögen, wenn viele Tore fallen.
Ja Sohn, du warst Deiner ersten Tracht Prügel damals näher als du denkst.
Dazu die lustigen Mainzer im Karnevalsoutfit, die klatschpappend jecke Lieder singen. Dem Sohn gefiel es gut. Selbst ihm fiel das faire Verhalten der gesamten Mainzer Anhängerschaft auf. Die Braunschweiger Fans durften ihre Mannschaftsaufstellung selbst „ansagen“ und dies wurde weder von Mainzer Pfiffen, noch von den obligatorischen Rufen rund um den Anus begleitet, sondern am Schluss sogar mit Applaus bedacht.
Sohn selbst hält nicht viel von Fair Play. „In der Schule niete ich jeden um, der an mir vorbeikommt. Und es kommen viele an mir vorbei.“
Leider bestätigte die Lehrerin dies in einem der letzten Gespräche, umso mehr verwunderte es mich, dass ihm dies hier auffiel, und er es zudem mochte. Er mochte vieles an der Birkenstock-Fraktion und als dann nach dem ersten Treffer für Mainz unmittelbar vor unserer Tribüne der Jubel aufkam und dieser unsägliche Torsound lief, kein Maskottchen zu sehen war und dann noch die nicht zu unterschätzende Wirkung des Umweltengagements – kam kurzzeitig doch etwas Angst auf, dem Sohn könnte es hier öfter, besser gefallen.
Zum Glück kam die 73. Minute.
TSCHUPOMOTÄNG.
Seine Einwechslung ließ die Mädels um mich herum in einer Lautstärke kreischen, die dem Sohn befremdlich wirkte, fast Angst einflößte. Er hatte das ja auch bisher so noch nicht erlebt. Das Geschrei war schmerzhaft laut und heftig und ähnelte wohl einer schrilleren Variante des altersmilden Jauchzen der „Lasst mich-Strafkästen“-Fraktion in Reihe eins des Helene-Fischer-Tourauftakts. (Grüße in den Norden!)
Mädchen sind ja eher so bäh (ziemlich früh, oder?) und somit war der Mainz-Trip dann auch schnell abgehakt, und Sohnemann konzentrierte sich früh auf seine Planung für den folgenden Sonntag.
Wir hatten die ersten beiden Briefe verlesen und nun hatte er Bock auf richtig grottigen Fußball. Gesagt getan. Doch dazu dann demnächst ein wenig mehr.
Tschupo ne marque pas un Bütt (*, **)
Tore nur durch lange Dinger,
hätt de Tuchel drin die Finger,
soll nicht so toll zu guggn sein
ist ja auch ein Karnevalsverein.
DäDÄÄÄÄÄÄ DäDÄÄÄÄÄÄ DäDÄÄÄÄÄ
Die Mädels uff de Tribün von Lotto,
kennen auch den Addo Otto,
Ein Blick auf Tschupo, wollnse erheischen,
Wechsel. 73. – Die Mädels kreischen.
DäDÄÄÄÄ DÄDÄÄÄÄ DÄDÄÄÄÄÄÄ
In Meenz da jibbets Umweltstreber,
immer parat, der Grill vom Weber,
vorbei ist´s nun mit den Bruchweg-Boys
ham halt auch keenen Marke Reus
aber wie solls anders sein,
bei ´nem richtgen Clownsverein,
sindse auch mit wenig lucky,
ham heut auch ´nen Okazaki.
Dädäää dädääää dädäääää
Fairplay wird hier noch groß geschrieben
Als tätense sich #echtelieben
Doch Meenz du bleibst ne graue Maus
hoffe du bist beim Sohn bald raus.
*= Ja, ja, Versmaß ich weiß.
**= Ja, ja, Dialekt ist falsch, ich weiß.
Das ist mehr das Level einer Büttenrede des örtlichen Kinder-Karnevalsvereins und da sind sowieso immer alle besoffen.
Ausmarsch bitte!
julian
Disclaimer:
I did not have sex with that woman.
der_tim
Für mehr doppelt gemoppelt! Allein weil ich diesen begriff so liebe und er viel zu selten verwendet wird. Oder um um Fish aus Ally McBeal zu zitieren „Ich neige ein wenig zur Redundanz. Zudem wiederhole ich mich.“
(tolle Büttenrede)