TSG 1899 Hoffenheim – Fortuna Düsseldorf, 05.04.2013
Mit Fortuna Düsseldorf auswärts unterwegs. Sitzplatz unmittelbar am Gästeblock in Hoffenheim Ich war selten so siegessicher.
05. April, 20:41 Uhr. Der Aufschlag war dumpf und hart. Dies musste der Höhe des Überheblichkeitsfluges geschuldet sein. Man hörte aber keine Knochen splittern. Das ist auch gut so. Das Skelett schützt ja auch irgendwo das Herz. Und das ist rot und nicht blau.
Und da sind viele wichtige Menschen drin und ein Verein. Noch nicht lange, und trotzdem fest verankert. Ich war nervös wie selten zuvor. Schon vor dem Spiel. Und jetzt erst recht. Und die 24 Stunden vor dem Spiel ließen sich auch eher schlecht in der Rubrik „Optimale Spielvorbereitung“ ablegen.
Nach unserer Rückkehr aus München am späten Donnerstagnachmittag fühlte Sohnemann sich schon schlapp. Fiebermessung gegen Abend brachte Gewissheit: 38,5 Grad plus Husten und laufende Nase. Die Reise nach Hoffenheim konnten wir so gut wie knicken.
Die Mama wird sich freuen, dachte ich mir. Wir waren schon arg viel unterwegs in den letzten Wochen. Meine Tochter reagierte eher gleichgültig, wenn sie mich sah und selbst meiner äußerst geduldigen Frau merkte man das ein oder andere Mal an, dass es dauerhaft nicht sonderlich glücklich ist, wenn ich 4-6 Tage die Woche im Süden Deutschlands unterwegs bin, um mir dann an jedem Tag, an dem ich zu Hause bin, den Sohnemann zu schnappen und mit dem Zug durch Deutschland zu tingeln. Ich glaube, diesem unsäglichen Vorwurf und dem unverschämten Verhalten dieser meiner Frau, die mich ehelichte, werde ich demnächst gesondert einen Blogpost widmen.
Zurück zum Herz.
Rot war es ja schon immer. Nur mag es jetzt eben keine weissen Würste und Bier aus Literkrügen mehr. Es mag eigentlich auch kein verbranntes Bier, aber das zählt nicht. So.
Eigentlich diesmal auch egal. Denn eines ist klar. Blaue Herzen gibt es nicht. Jetzt schreien die Schalker wieder. Versuchen wir es anders. Schalker Herzen sind blau, weil seit über 50 Jahren zu Unrecht darauf rumgetrampelt wird. Das sind quasi echte Herzen , nur zu 100 Prozent mit blauen Flecken übersät. Aber sie schmerzen nicht. Es ist ein stolzes blau, ein königliches blau. Deal?
Vor 50 Jahren bei der TSG 1899 Hoffenheim war nur …
Keine Ahnung.
Ich hätte es insgesamt auch cooler gefunden, wenn sich die Macht aus der Metropolregion TSG 1995 Hoffenheim genannt hätten. Das hätte was gehabt. Ein klares Zeichen im Rahmen dieses manchmal echt vollkommen schwachsinnigen Traditionsgelabers. Ich kann mich auch insgesamt in dieser Hoffenheim-Hass-Polonaise nicht hundertprozentig einreihen. Hoffenheim hat für mich im ersten Jahr nach dem Aufstieg einen schönen Ball gespielt.Ich bin froh, dass es nicht für den Titel gelangt hat, wobei die Story auch mit Meistertitel so verlaufen wäre wie auch jetzt.
Mein Hals (korrekt: nicht Hass!) auf Hoffenheim resultiert eher aus dem völlig lächerlichen, aber zum Teil auch menschenverachtenden Umgang mit Tim Wiese. Aber das ist ein anderes Thema. Und da die beiden Kampagnengestalter nun geschasst sind, taugte auch dies am vergangenem Freitag nicht als Substanz für den Aufbau des Feindbilds.
Insgesamt kann ich mich also dem Hoffenheim-Hass, wie gesagt, nicht anschließen. Schon gar nicht an so manch unsäglichen Chor die sexuellen Gewohnheiten Mama Hopps betreffend. Ich kenne auch auch nicht ihre berufliche Qualifikation und gehöre wohl zu der Minderheit, die Gesänge über Mütter sehr abstoßend findet. Vielleicht ein Schwäche von mir. Aber ich mag die TSG nicht. Ich wünsche ihnen Abstieg, Insolvenz und Kreisklassenfussball auf mit Glasscherben bestückten Aschenplätzen im Bammetal gegen Heidelberg III, aber ich hasse sie nicht.
Es ist mehr so wie in meiner damaligen Kindergartengruppe. Es gab immer dieses kleine hübsche, immer chic angezogene Bonzenkind in meinem Erkrather Kindergarten, bei dem sich die Arschlochkinder eingeschleimt haben. Nicht, weil sie das Kind mochten, sondern die Leckereien, die dieses Kind verteilte. Die Verteilung erfolgte nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Berechnung. Bei den Arschlochkindern waren eigentlich einpaar ganz nette dabei. Sie wurden ja auch nicht als Arschlochkind geboren. Sie wurden dies erst, als sie begannen, sich beim Bonzenkind einzuschleimen.
Eine Mischung aus beiden, quasi das Kindergarten-Arschloch-Bonzenkind. Nur nicht in hübsch. Sondern hässlich wie die Nacht. Das ist die TSG 1899 Hoffenheim. Der Quasimodo der Germany‘s next Topmodel-Bundesliga.
Dietmars Worte zum Thema Tradition noch in Erinnerung war ich traurig, dass wir uns durch die Erkrankung meines Sohnes diese Boomregion und seine Fans nicht näher anschauen konnten.
Wer sich an den Schalke-Blogpost und die beschriebene Identifikation mit dem ansässigen Verein erinnert, erlebt hier jedenfalls das bisher krasseste Gegenteil. In keiner der bisher besuchten Stadt hatte man den Eindruck, dass die Mannschaft eine so geringe Rolle spielt.
Fairerweise muss man vielleicht dazu sagen, dass wir in der „Stadt“ Hoffenheim selbst gar nicht gewesen sind und hier nur das Umfeld und das Einzugsgebiet bewerten können.
Vielleicht ist die Stadt blau-weiss gehalten und man wird am Bahnhof von den SAP-Ultras begrüßt mit „Hopp-Hopp-Hopp-Schoppe in de Kopp“-Gesängen, Tim-Wiese-Friseurshop und Shuttles, die einem Didis große weite Welt zeigen. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
In Mannheim trafen wir jedenfalls nur einen weiblichen Fan, der uns dann sogar noch zum Verhängnis wurde. In Heidelberg verhielt es sich ähnlich, und das Bild des Fussballsonderzugs von Mannheim nach Sinsheim spricht auch eine eindeutige Sprache.
Selbst Medien, die ich sonst eher vernachlässige, offenbaren hier den Stellenwert eines Vereins, den niemand haben mag in Liga 1-10 dieses Landes: Für die TSG 1899 handelt es sich um eines der wichtigsten Spiele der Saison. Die letzte Chance, wieder Anschluss zum Relegationsplatz zu bekommen. Man kennt die Sprache der lokalen BILD-Ausgabe an solchen Spieltagen: Martialisch. Provokativ. Motivierend. Vielleicht auch offensiv platt.
Oder man macht es so wie die Lokalausgabe der Bild im Rhein-Neckar Kreis am Spieltagsfreitag: Eine Zwölftelseite anlässlich des Geburtstags von Bernhard Peters, dem heimlichen Herrscher. In dem sowieso schon recht kleinen Drei-Spalten-Beitrag wird wie folgt auf das Spiel eingegangen: „Denn die TSG kämpft ab 20:30 Uhr gegen Düsseldorf ums Überleben in der Bundesliga.“
Das war‘s . Kein Aufruf, sich die letzten Tickets zu holen, keine Einzelportraits der Mannen, die es nun richten sollen.
Der Story, dass Phelps bei Wettkämpfen schon mal ins Becken gepinkelt hat, wird übrigens doppelt so viel Platz eingeräumt. Auf Sportseite 1. Cool, dieser Verein wird sogar zu Hause nicht gemocht. Das hat ja schon fast wieder Kultfaktor. Aber nur fast.
Nachdem wir nach völlig sinnlosen Rangieraktionen in Mäckesheim nicht wie geplant um 19:20 Uhr, sondern erst um 20:00 Uhr in Sinsheim ankamen, wurde es sogar noch mal knapp für uns und die gesamte, mittlerweile ca. 25 Mann starke Besatzung des Fussball-Sonderbaren-Zugs mit 7 Waggons. Auf in den Sinsheimer Hexenkessel.
Nicht mal ausverkauft. Boom-Region, eben.
Ich muss zugeben, dass ich mich im Rahmen des Projektes „Mannschaft-für-Sohn“ ein wenig in den Grauzonen des Regelwerks bewegte. Ursprünglich war es das Ziel, jede Mannschaft mindestens einmal zu Hause gesehen zu haben, um auch einen Eindruck von der Fankultur und der Qualität des heimatlichen Supports zu bekommen.
Der Blickwinkel aus Block aus F der „Sunnyside Arena“, also dem Block direkt neben den Gästefans, war hervorragend. Ich hatte wohl nicht bedacht (hüstel), dass man in unmittelbarer Nähe des Gästeblocks keinen fairen Eindruck der Hoffenheimer Fankultur erhalten kann.
Drauf geschissen.
Die F95-Fans waren von der ersten Spielminute an 1895% da. Der Sohn war sichtlich beeindruckt. Es dauerte bis zur 9. Minute (und selbst da nur auf Grund eines Hinweises von mir), dass er den Blick vom Fortunenblock abwenden konnte,um vielleicht auch ein wenig das Spiel zu verfolgen.
„Mist, schau mal, der Bolly muss schon raus.“
Geil, Sohnemann hatte die kompletten ersten neun Minuten des Spiels verpasst, weil er gebannt zugeschaut hat, wie sich der Block eingesungen hat. Ich roch es. Dies wird der Tag, an dem die Suche endet. Die Auflösung der „Mannschaft für Soh-Kommission“ stand unmittelbar bevor.
All die Hektik die letzten 24 Stunden, die Inhaliererei mit Kochsalzlösung abends, nachts, morgens, mittags, die Fahrt zum Arzt und im Anschluss bepackt mit fiebersenkenden Säften, Salben und Lutschtabletten gegen den Husten 4 Stunden in den Zug. All die Mühen scheinen zu lohnen. Sohnemann wird Rot-Weiß. Sohnemann wird „Efffümmenneunzich“.
Es war spürbar. Es fehlte nur eine klitzkleine Notwendigkeit: Ein Erfolgserlebnis. Ein Sieg. Am besten ein glorreicher, in Erinnerung bleibender Erfolg. Ein hoher Sieg. Ein 6:1 mit sechs Kruse-Treffern. Ein historischer Sieg. Mit 6:5. Ein dreckiges 1:0. Ein unverdientes 2:1. Scheißegal. Hauptsache, ein Sieg. Sohn hatte auch in diesem Spiel eindeutige Sympathien. Hoffenheim musste verlieren. Glücklicherweise hatte sich die Abneigung gegenüber diesem Verein wohl schon von diversen Vätern auf die Mitschüler meines Sohnes in der 2. Klasse übertragen. Es war von absolutem Hass die Rede!
„Oh, Freistoß.“
Dies waren die ersten vom Sohn zum Spiel gesprochenen Worte. Es sollten die letzten bleiben.
Konter. 1:0 für Hoffenheim.
Sohn hatte nach dem fiesen, auch körperlichen, Ausraster in Nürnberg hoch und heilig versprochen (mit rechter Hand und so), sich nicht wieder so zu benehmen, wenn das Spiel nicht verläuft, wie von ihm gewünscht.
Er hielt Wort. Ohne Regung rückte er nach dem Firmino-Treffer die Wolldecke als Sitzkissen zurecht und kniete sich, mit dem Rücken zum Spielfeld, auf seine Sitzschale und starrte auf die Treppe.
„Papsi, sag mir Bescheid wenn Düsseldorf das 1:1 geschossen hat.“
Die Geschehnisse von Minute 11. bis Minute 80. lassen sich nur schwer wiedergeben. Zum einen, weil mir die Worte fehlten für das, was ich auf dem Spielfeld sehen musste. Zum andern, weil ich völlig hilflos mit ansah, wie mein Sohn teilnahmslos auf die Treppe starrte. Er wollte nichts trinken, nichts essen, er ließ sich nicht zum schauen überreden. Ich müsste ihm auf die rechte Hand versprechen, dass Düsseldorf nicht verliert. Dann würde er sich umdrehen. Nicht machbar! Versprechen, die wir uns gegenseitig auf die rechte Hand geben, sind heilig. Beidseitig. Und die Leistung der Mannschaft auf dem Platz ließ mich auch nicht in das Risiko gehen, welches man vielleicht bei einem Rückstand des FC Bayern gegen Hoffenheim hätte gehen können.
Was wir den Hoffenheimern Räume im Mittelfeld gegeben haben.Unglaublich. Dieser Platz war keineswegs erarbeitet, erlaufen oder erkämpft. Geschenkt! Geschenkter Raum im Mittelfeld des wohl wichtigsten Spiels.
Ich war wirklich fassunsglos. Dass man in engen Situationen in der Offensive nur noch Kruse und Bellinghausen anspielen kann, wenn man plant, danach noch länger als 20 Sekunden im Ballbesitz zu bleiben. Passiert. Dass man in der 10. Minute einen Konter auswärts fängt. Passiert. Dass man es nicht schafft, die größeren Spielanteile in gute Torchancen umzumünzen. Passiert. Aber in so einem Spiel schenke ich keinen Raum im Mittelfeld her. Kein abgefuckten Millimeter. Das ist ein Unding. Mit welcher Seelenruhe der Ball phasenweise durch das Hoffenheimer Mittelfeld gespielt werden konnte, war beängstigend. Der fehlende Elfmeterpfiff in der 65.Minute? Hätte, hätte Fahrradkette. Scheiß drauf.
Ich war der festen Überzeugung, dass wir mit dem „richtigen“ Abstiegskampf oder dem Kampf um den Relegationsplatz nach diesem Spiel nicht mehr viel zu tun haben werden, weil dies ein Spiel ist, in dem die Mannschaft gewinnt, die mehr kämpft. Wo es Punkte für‘s Zerreißen gibt.Und da habe ich in den vergangenen Wochen wenige Mannschaften gesehen, die uns, bezogen auf Willen, Kampfgeist und Leidenschaft das Wasser reichen können. Nach Hoffenheim kommt daheim Bremen und Dortmund. Da kann es auch mit großem Kampf mal nicht für Punkte reichen. Hier. Hier in der „Sunset Boulevard-Arena“ liegen die Punkte, die man sich erkämpft und nicht erspielt.
Der Münchener Rasenbegradiger aus dem Juve-Spiel wäre am Bore-Out-Syndrom gestorben. An diesem Rasen gab es in der Halbzeit nichts zu richten. Die unmittelbare Nähe zum Fortunenblock zeigte dann nochmals kurzzeitig in der 70. Minute seine Wirkung. Die gezündeten Bengalos in der Fortuna Kurve erregten dann doch noch einmal das Interesse meines Sohnes, der ansonsten starr auf die Treppe sah.
Ich bin bezüglich des Einsatzes von Pyrotechnik ja eher geteilter Meinung, fand aber in jedem Fall den Zeitpunkt und die Art und Weise eher unpassend. Ich hatte bei keinem der „Fans“, die sich quasi neben uns auf den Zaun schmissen und sich des Feuerchens erfreuten, den Eindruck, dass dies der Unterstützung der Mannschaft dienen sollte. Selbst wenn ich berücksichtige, dass nur äußerst grenzdebile Menschen in so einer Situation das Zuqualmen des eigenen Fanblocks als „Support“ bezeichnen , weil sie daran vielleicht tatsächlich glauben, so konterkarierte die Fackelmann-Truppe dies schon dadurch, dass ihre Aggressionen sich auf den komplett friedlichen (fast schon tot erscheinenden) Hoffenheimer Block konzentrierte , der sich dort im Nordend des Stadions befand. Diese Handvoll Möchtegernpyromanen feierten sich selbst – und nichts anderes. Ein komisches, unangenehmes Gefühl. Sohnemann fand das aber cool. Zumindest würdigte er das Treiben lächelnd eines Blickes, nachdem er zuvor nun eine volle Stunde Beton gemustert hatte.
Der Eckball in der 76. Minute wurde gefühlt 50 cm vor mir ausgeführt. In Reihe 6 der„The sun goes down“-Arena sitzend konnte man Salihovic nochmal auf den Kopf tätscheln und sagen: „Wird nix, Junge!“, bevor es dann zum 2:0 einschlug. Sohn konnte mit Blick auf die Treppe und den angrenzenden Hoffenheimer Block sofort erkennen, was passiert war. Ohne Regung nahm er es zunächst hin.
Auch bei mir schwand nun jegliche Hoffnung, dass wir hier, und wenn auch nur durch ein Abstauber-Glücks-Abseits-vorher-Foulspieltor vielleicht einen Punkt aus der „The sun ain‘t shining no more“-Arena entführen könnten.
Ohne dieses Erfolgserlebnis eines Dreiers werden zwangsläufig zwei Dinge passieren: Die Fortuna steckt nun doch dort mittendrin, wo ich sie bis gestern nicht haben wollte. Abstiegskampf pur! Meine letzte Hoffnung ist, dass dies auch den Spielern jetzt bewusst ist, die meinten, sie könnten in der „Don’t let the sun go down on me“-Arena mit Tänzchen und Hacke, Spitze, eins, zwei, drei was erreichen.
Das zweite und, ja ich gestehe, dies war für mich in dem Moment die dramatischere Konsequenz: Sohnemann wird ohne diesen Erfolg wohl kein Fortune, obwohl er ganz knapp davor steht. Ich glaube, er braucht keinen Champions-League-Titel zur Findung, aber eine Klatsche gegen Hoffenheim? Puh. Ihn haben Vereinsfeindschaften schon seit Beginn unseres Projektes interessiert.Die aktuelle Anthipathie- und Sympathie-Verteilung meines Sohnes lässt durchaus den Rückschluss zu, dass ihm bewusst ist, dass, wenn ich Mannschaft A sehr gerne mag, es eine Nähe zu Mannschaft B ziemlich sicher ausschließt.
Daher freute ich mich auch ein wenig, als Sohnemann vor einigen Wochen vor dem Kölner Dom stehend fragte: „Darf man den Dom schön finden?“ Es dauerte, bis ich die Frage begriff, aber sein Verhältnis zu Schalke und Dortmund verdeutlichte mir, dass er das Thema Rivalität sehr ernst nimmt.
Der weibliche Hoffenheim-Fan aus Mannheim, der uns zum Verhängnis wurde. Do you remember?
Es war die Rezeptionistin des City-Hotels in Mannheim. Wir waren denkbar knapp losgefahren um, statt wie ursprünglich geplant das Technik-Museum zu besuchen, einrn möglichst knappen, Sohn-schonenden Aufenthalt zu haben.
Die Rennerei zur Vertretungsärztin am Morgen verhinderte aber, dass ich mich rechtzeitig um ein Hotel kümmern konnte. Nach ein oder zwei guten Twittertipps schien mir dieses Problem aber auch schnell gelöst.
In Mannheim ausgestiegen , weil wir dort gute 45 Minuten Zeit bis zur Abfahrt des Sonderzugs hatten („Sonderzug“ weckte bei Sohnemann eine gewisse Erwartungshaltung) erfuhr ich dann: Ärztekongress in Mannheim!
Batsch. Hotel 1 ausgebucht, Hotel 2 wollte schlappe 129 €, Hotel 3 war dann das City Hotel, welches mit 100 € immer noch teuer erschein, aber aus Angst, mit einem kranken, vielleicht bis dahin wieder fieberndem Kind nachts durch Boomtown City zu reisen, sagte ich zu. Die Rezeptionistin ließ es sich nicht nehmen, Sohnemann auf seinen Fortuna-Schal anzusprechen und teilte ihm mit, dass sie nach Feierabend auch ‘rüberfährt, sie aber natürlich die Daumen für Hoffenheim drückt.
„Hier schlafe ich nicht!“
Ich muss wohl etwas verdutzt geschaut haben. Sohnemann ergänzte um ein „Vergiss es!“ in niederschmetternder Deutlichkeit. Mir blieb auch relativ wenig Zeit, der guten Frau irgendetwas zu erklären, da Sohnemann seinen Käpt`n-Sharky-Koffer nahm und geradewegs die Eingangstür raustrollte.
So sehr mich auch sorgte, dass wir nun immer noch kein Hotel haben und der Zug in knapp 20 Minuten losrollte, so konnte ich mir doch ein leichtes Schmunzeln, ja vielleicht sogar eine gewisse Freude, nicht verkneifen
(O.k., ich fand es sehr, sehr geil.) Das war einer dieser ganz beSONderen Momente.
Diesem, mir so unerschöpflich viel Freude bereitendem Wesen, schaute ich in Gedanken an das bis dahin Erlebte in die Augen. Der Schlafmangel. Die drohende Niederlage. Der beschissene Gegner. Die Angst vor dem Abstieg. Ich war den Tränen nah.
Mmh, auch diese Augen wiesen nicht mehr den gewohnten Glanz auf. Es war ein schwammig-schwimmriger Glanz.
Der heult gleich, dachte ich.
Und das unmittelbar nach dem 2:0.
Er heult selten, und wenn, dann nur in Verbindung mit unfassbar heftigen Wutausbrüchen.
Aber, dass mein Sohn dort in Block F der „Die-Sonne-scheint-plötzlich-so-gleißend-hell- und-schön-direkt-aus-meinem-Arsch-Arena“ jetzt da so ganz ruhig und still sitzt, mit seinem Fortuna-Schal um den Hals, zwar mit dem Rücken zum Tor, und gleich die ersten Tränen der Trauer einer fortunellen Niederlage geschuldet –
nicht meiner Fortun,
nicht seiner Fortuna,
nein, ab jetzt unserer Fortuna vergießt…
Das macht mich schon sehr glücklich und stolz. Ich wurde tatsächlich ein wenig rührselig.
Über 200 Ocken kostete uns der Spaß und Sohnemann hat ca. 120 Sekunden des Spiels live verfolgt. Aber nun ist er Fan des geilsten Klubs der Welt. Unbezahlbar! Er kniet da auf seinem Platz und kann sich kaum regen.
Die Klamotten-Zwiebel-Taktik wurde nicht ausgereizt, sondern eskalierend-ausufernd übertrieben. Strumpfhose, Hose, Skianzug, Unterhemd, Longsleeve, Pullover, Trainingsjacke, fellgefütterte Jacke sowie seine fürchterlich unpassende blaue Jacke plus der Fortuna-Schal, der natürlich sauber ausgerichtet war, so dass man das Wappen kurz vor den Fransen gut sehen konnte. Die Stimmung war immer noch gigantisch. Im Block und bei mir jetzt auch wieder.
Der Rauch der Bengalos waberte durchs Stadioneck. Weißer Rauch.
Habemus Mannschaft! Habemus Fortuna!
Es blieb wenig Zeit für die Gedanken: welches Trikot, welcher Name, welche Nummer, Zimmerumgestaltung, Dauerkarte ja oder nein? Ich wollte jetzt bei ihm sein, obwohl er nun ohne jeden Zweifel lieber seine Ruhe haben wollte. Er rieb sich die Augen. Vermutlich merkte er, wie ich ihn beobachtete und schämte sich seiner Tränen. Der ein‘ oder andere mag jetzt schmunzeln, aber wenn Papa mit seinem Sohnemann da so steht und einem bewusst wird, dass dies vielleicht ein Moment ist, an den man sich noch beim Champions-League-Finale 2025 Fortuna Düsseldorf gegen FC AG Adidas München zurück erinnern mag… Weißt Du noch, Sohn? Wie alles begann? Damals in der „Ich hoffe die Sonne geht unter und Hoffenheim stirbt-Arena“?
Es war wirklich ein bewegender Moment für mich. Ich ahnte aber nicht, wie sehr mich mein Sohn dann bewegte.
„Hey Chef“, sprach ich ihn vorsichtig an, weil er es mag, wenn ich das akzeptiere (sage), und, weil ich ihn behutsam ansprechen wollte, denn auch aus falschem Schamgefühl heraus habe ich schon reichlich Ausraster erleben müssen.
„Hey Chef, die steigen nicht ab. Mach‘ Dir keine Sorgen. Du brauchst nicht weinen. Die schaffen das noch.“
Sohnemann sah mich recht verdutzt an.
„Ich weine nicht!“
Ich dachte es mir. Es ist ihm peinlich.
„Schatz, alles wird gut. Du brauchst nicht weinen. Wir haben noch fünf Punkte Vorsprung.“
„Papsi, ich weine nicht.Der bekloppte Qualm brennt in meinen Augen.Warum sollte ich weinen?“
Er nahm den Fortuna-Schal ab und legte ihn mittig einmal zusammen und reichte ihn mir.
„Ich will den jetzt erstmal nicht mehr tragen. Und ich will jetzt gehen.“
Sagt’s. Steht auf. Und geht.
Es ist die 80.Minute. Das erste Mal in meinem Leben verlasse ich ein Fussballspiel vor dem Abpfiff. Die 20 Minuten Fußweg bis zur S-Bahn-Station sprechen wir kein Wort miteinander.
—————————————————————————————————————————-
Wir haben Unterhaching sausen lassen, um den Schulstart nicht zu gefährden. Die Rückfahrt wurde intensiv genutzt, um die Erlebnisse vom Freitag sauber nachzubereiten. Ich schwöre feierlich, dass ich Sohnemann niemals wieder versuchen werde zu beeinflussen.
Gerne hätte ich noch berichtet von „Hurra, die Tradition ist da!“-Gesängen und wann mir diese auf den Sack gingen, von Deo schnüffelnden Kiddies, die von der Polizei gesucht wurden, von der Rückfahrt in der in der S-Bahn ohne Licht, von Mutter Erde, die zum Verkauf angeboten wurde, von einem netten Fortuna-Fan, der meinem Sohn einen roten Ballon schenkte und sagte, er solle den Kopf nicht hängen lassen, von dem Polizisten, der genau diesen Ballon aus dem Gleisbett holte, warum wir ohne Zähneputzen ins Bett sind, wie ich den Fäkalwortschatz meines Sohnes deutlich erweiterte… und,und,und. Doch ich bin leer.
Nächste Stops: Freiburg und ein Kultklub.
Trainer Baade
Erst jetzt zum Lesen gekommen, das aber wieder sehr gerne. Bitte halt uns unbedingt weiter auf dem Laufenden.
Und bloggt da jemand inzwischen schon selbst, btw?
Buender-Schalker
Jau, Deal… ;o)
Des einen Freud, des anderen Leid, so „gönne“ ich es Euch, dass die Findungskommission noch länger anhält und zum Glück bei der Fortuna nicht abrupt zum stoppen kam. Natürlich aus reinem Egoismus, denn mir würden die Geschichten fehlen…;o) .
Glück auf
Buender-Schalker