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Wochenendrebellen

Groundhopping | Autismus | Wissenschaft | Podcast | Weltverbesserung

Jason

Mein Name ist Jason Luke von Juterczenka und ich bin im Jahr 12.005 HE, bzw. um 379 ppm in Augsburg geboren. Im Alter von vier Jahren, im Jahr 12.009 HE, wurde bei mir Autismus diagnostiziert. Anlass für die medizinische Untersuchung war unter anderem mein Verhalten im Kindergarten – wobei es mehr über den Kindergarten aussagt, dass es völlig normal ist, Teppiche wie Planeten zu behandeln und dann auf Planeten zu „landen“, die nicht mal eine Oberfläche haben, aber der Hinweis darauf auffällt. Ich schweife ab.

Wie diesem Beispiel zu entnehmen ist, habe ich mich etwa seit meinem vierten Lebensjahr ziemlich intensiv mit Astronomie beschäftigt. Solange ich noch nicht lesen konnte, wollte ich Astronomie-Bücher vorgelesen bekommen haben, später habe ich mich dann selbst weiter eingearbeitet. Und wer sich den ganzen Tag nur damit beschäftigt, auf welchen Planeten man zerdrückt, verbrannt, verätzt oder erfroren wird, lernt den eigenen Heimatplaneten zwangsläufig sehr zu schätzen.

Das bringt mich zu meinem zweiten großen Thema, welches meine Existenz bis in den letzten Winkel durchzieht: die Klimakrise. Meine späte Geburt hat mich wohl dazu verdammt, mich damit auseinanderzusetzen und wer das auf detailliert wissenschaftliche Art und Weise tut, hat eigentlich keine andere Wahl als Klimaaktivist*in zu werden. Da die entsprechenden Studien seit 11.856 HE existieren, kann ich leider nicht von dem einen Moment, in dem es „Klick gemacht hat“ berichten. Sobald ich in der Lage war zu lesen, las ich auch von den Kühlhallen, die im Sommer 12.003 HE in Frankreich leergeräumt wurden, um die vielen Hitzetoten zu lagern. Und ich las davon, dass jeder zweite Sommer in Europa so heiß sein wird, wenn ich 45 Jahre alt bin.

Allen Fragen des Lebens habe ich mich auf dieser auf logikbasierten Art und Weise genähert. Auch der Frage nach dem Lieblings-Fußballverein. Zugegeben, diese Frage drängte sich mir als Sechsjährigem nicht unbedingt auf, aber nach meinem ersten Stadionbesuch im Alter von sechs Jahren stellte sich natürlich schon die Frage nach der Bedeutung all der Symbole, Farben und Gesänge. Und da mein Opa sagte, die Entscheidung sei extrem wichtig, da es vermutlich mehr Menschen gebe, die mehrmals im Leben heiraten als solche, die mehrmals ihren Lieblingsverein wechseln, musste die Entscheidung natürlich sorgfältig durchdacht sein (wobei die Schwächen dieser Analogie offensichtlich sind, schließlich ist ein Lieblingsverein für mich ja etwas Erstrebenswertes).

Jedenfalls war klar, dass erst alle Vereine, zumindest diejenigen der ersten drei Ligen, im Stadion besucht werden müssen. Damit ein Verein mein Lieblingsverein werden kann, muss er von einer Liste an Kriterien alle erfüllen.

„Bevor ich mich für einen Verein entscheide, muss ich die erst alle sehen.“

Jason im Jahr 12.011 HE

Als Papsi mir dieses Versprechen gegeben hat (und Versprechen haben bei mir einen besonderen Stellenwert), hat er sich vermutlich nicht viel dabei gedacht – es war schließlich mitten in der Nacht auf dem Rückweg von unserem ersten Stadionbesuch und ich war kurz vorm Einschlafen. Wahrscheinlich glaubte er, ich werde es sowieso vergessen. Wie ihr der Existenz dieser Website entnehmen könnt, kam es anders. In den Jahren danach fuhren wir mit dem Zug vorrangig die Stadien der ersten und zweiten Liga, aber natürlich auch kleinere Grounds oder Grounds im Ausland ab.

Wir fanden ziemlich viele Dinge, ein Lieblingsverein war bisher nicht dabei. Dafür aber eine Nachzugfahrt mit betrunkenen Hannover-Fans, ein komfortabler Platz auf der Südtribüne in Dortmund, ein Tag mit Wigald Boning bei Werder Bremen, die schönste Anzeigetafel Deutschlands bei Union Berlin, der Blick auf die ehemalige Stasi-Hauptzentrale in Lichtenberg, eine heftige Bierdusche in Freiburg, die warmen Saftpäckchen im Hochsommer in Sarajevo, das verzweifelte Mitsingen von serbischen Fanliedern bei Partizan Belgrad, die einklappbaren Flutlichter in Babelsberg, ein menschliches Sitzklo auf St. Pauli und vieles, vieles mehr. Und all das schrieben wir auf, später begann auch ich mit Bloggen und schließlich starteten wir unseren Podcast. Dafür wurden wir als Goldene Blogger ausgezeichnet, gewannen den Grimme Online Award, schrieben ein Buch und lebten glücklich bis… Wait, da war ja noch was.

Die Klimakatastrophe. Ich sorgte mich extrem, da ich keine Idee davon hatte wie ich in ferner Zukunft einmal ohne meine Eltern oder andere engere Bezugspersonen in dieser Welt zurechtkommen sollte. Also gab Papsi das unbedachte Versprechen Nr. 2 und versprach, dass die Welt ganz sicher eine bessere sein werde bevor er einmal sterben würde. Das war im Jahr 12.014 HE. Und wir alle wissen, was in den Jahren danach passierte und inwiefern all diese Ereignisse die Wahrscheinlichkeit des Eintreten von Papsis Prognose beeinflussen.

Ich forsche am Schülerforschungszentrum Nordhessen seit 12.016 HE an nichtlinearen Systemen und kann das zerstörerische Ausmaß dessen, was auf uns zu kommt, daher einigermaßen überblicken. Selbstverständlich griff ich das Thema auf dieselbe Weise an wie alle anderen: mit extremer Konsequenz. Im privaten Bereich habe ich meine gesamte Familie zu nachhaltigem Verhalten „erzogen“ und so stolz wir auf die Erfolge sein können, sind sie global doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Beeinflusst und schockiert von der Art und Weise, auf die sich die Welt entwickelte, kam es nach dem nach dem Rückbank-Gespräch zum zweiten wichtigen Dialog zwischen mir und Papsi.

„Wir beide werden die Welt nicht verbessern können.

– „Wer denn sonst?“

Jason und Mirco im Gespräch

Wir begannen, die Wochenendrebellen umzubauen. Mit dem Buch, welches wir zusammen schrieben, waren wir in unzähligen Städten auf Lesereise. Ich nutzte die viele Zeit im Zug zum Schreiben eines eigenen Buchs mit dem Fokus auf das Thema Klima (mehr Infos zu „(T)raumschiff Erde“ gibts hier). All das dient einem Ziel: Dem Sammeln von Geldern für die Neven Subotic Stiftung, um damit den nachhaltigen Bau von Brunnen und Sanitäranlagen in Äthiopien zu finanzieren – gerade jetzt, wenn Infektionskrankheiten und Dürren durch die Klimakatastrophe auf dem Vormarsch sind.

Als Administrator dieses Blogs möchte ich neben dem Sammeln von möglichst vielen Spendengeldern die Klimakrise auch medial in den Vordergrund rücken – vorrangig auf wissenschaftlicher, bzw. physikalischer Grundlage, aber natürlich auch immer verbunden mit einer Appellebene. Und vor allem Letzteres hat mir im Laufe der Zeit schon den ein oder anderen Liebesbrief eingebracht, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Schließlich geht es hier ja darum, wer ich bin. Und Frank K. zufolge bin ich „so ein Jünger“ (Frank K.), der „erstmal die Schule fertig machen soll“ (Christian B.) und „dringend ganz viele Umarmungen braucht“ (Linda G.). Ich bin außerdem „das nervige Streberkind aus jeder Sitcom“ (Nick) und „ein echter Gutmensch“ (Sogologos), den Jens „gerne klatschen“ würde und der „den Untergang Deutschlands verkörpert“ (Alex).

Und zu guter letzt bin ich natürlich „ein Looser, der mit richtiger Erziehung schon seinen Verein hätte“ (Saul Goodman) – wobei das ja eher gegen Papsi geht. Mal sehen, was in den nächsten Jahren noch so dazu kommt….

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9 Comments

  • Christian Lierenfeld
    Christian Lierenfeld

    Hallo Jason , ich möchte dir und deinem Papsi für den wunderbaren Film danken. Autisten haben in ihrem Leben feste Abläufe. Und sehr häufig , wie m Film , “ Krieg im Kopf „. Das gilt auch für mich und meine Tochter. Im Film auf der DVD habe ich mir bewusst den Bus und die Umgebung angeschaut. Ich wohne ganz in der Nähe, und deshalb berührt mich der Film besonders. Ein besonderer Moment für mich ist immer wieder der Satz “ Ich will auf die SÜD “ . Und dann die Szenen im schönsten Stadion der Welt. Wir sind BVB Fans. Nochmals Danke und hoffentlich findest du deinen Lieblingsverein…..wobei man vielleicht auch mal auf seinen Herzschlag hören sollte ( BVB )

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  • Noah
    Noah

    Hi Jason,

    hast du eigentlich auch eine eigene „Wochenendrebell-„E-Mail-Adresse oder muss man an die allgemeine E-Mail-Adresse wochenendrebell@wochenendrebell.de schreiben, wenn man dich kontaktieren möchte?

    Viele Grüße aus dem Internat“ Carpe Diem“ in Bad Neuenahr

    Noah

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  • Luka
    Luka

    Hi!

    Tolle Sache!
    Kann man von dir ein Autogramm erwerben oder zugeschickt bekommen?

    Gruß
    Lukas

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  • Enrico
    Enrico

    Hallo Jason, ich war mit meiner Tochter heute in deinem Film und war hin und weg. Erstens, weil ich Lehrer bin und bin uns auch Kinder mit Autismus lernen. Viele haben einen Einzelfallhelfer, was die Arbeit erleichtert. Deine Erklärung mit Krieg im Kopf beschreibt es sehr gut.
    Zweitens bin ich Fußballfan seit 40 Jahren und meine Tochter jetzt auch. Warst du schon in Cottbus bei einem Spiel? Da ist mein Lieblingsverein, zwar Energie Cottbus.
    Wenn nicht, schau mal vorbei, Stimmung mega. Zwar 4.Liga, zusammen mit Babelsberg.

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    • Jason
      Jason

      Hallo! Das ist echt schön zu lesen, besonders dass dir die Metapher “Krieg im Kopf” gefällt. Bei Energie Cottbus waren wir 2013, gegen Papsis Lieblingsverein Fortuna Düsseldorf. Stimmung war echt toll, Papsi hat hier ein bisschen dazu geschrieben: https://wochenendrebell.de/stadion-der-freundschaft/suche-lieblingsfussballverein/

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    • Sandra
      Sandra

      Hallo Jason, ich bin so eine Einzelfallhelferin. Ich arbeite an einer Schule für Kinder mit geistiger Entwicklung. Der Schüler den ich begleite ist nonverbal. Wir kennen uns seit seinem letzten Kitajahr. Inzwischen sind wir in der 3. Klasse und verstehen uns ganz gut. Ich hoffe auf noch viele weitere gemeinsame Jahre mit ihm. Ich würde den Film „Wochenendrebellen „zur Pflicht für alle die machen, die mit Autisten zu tun haben. Das war ein echt top Film. Dankeschön

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  • Heike
    Heike

    Hi Jason, ich war gestern im Film, er hat mir gut gefallen. Natürlich hat er mir auch deswegen gut gefallen, da ich wir uns ja im Zug von Genf Richtung Köln darüber unterhalten hatten…
    Und eben habe ich Bayern gegen Kopenhagen gesehen und mich gefragt, ob Du Kopenhagen als Verein schon ausgetestet hast…

    Viele Grüße aus Düsseldorf, Heike vom Protestcamp in Genf

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