Inhaltsverzeichnis
- 1 Kipppunkte
- 2 Grundlagen
- 3 Kippelemente im Einzelnen…
- 4 Arktisches Meereis
- 5 Grönländischer Eisschild
- 6 Westantarktischer Eisschild
- 7 Methan aus Permafrost und Methanhydraten
- 8 Tibetische Hochgebirgsgletscher
- 9 Atlantisches Tiefenwasser
- 10 Antarktisches Tiefenwasser
- 11 Marine Kohlenstoffpumpe
- 12 El Niño Southern Oscillation
- 13 Antarktisches Ozonloch
- 14 Arktisches Ozonloch
- 15 Indischer Monsun
- 16 Westafrikanischer Monsun
- 17 Boreale Wälder (Taiga)
- 18 Amazonas-Regenwald
- 19 Ergrünung der Sahara?
- 20 Subtropische Stratocumuluswolken
- 21 Ausblick
- 22 Fünf positive Nachrichten zum Abschluss
- 23 Kein Venus-Syndrom
- 24 Arktisches Meereis kein Kipppunkt
- 25 Methanhydrate
- 26 Nicht zu spät, um umzukehren
- 27 Soziale Kipppunkte
- 28 Quellen und weiterführende Links
Kipppunkte: Seit über 10.000 Jahren, also dem Ende der letzten Eiszeit und dem Beginn des Holozän, ist das Klima der Erde ausgesprochen stabil – zwar gab es lokale Warm- und Kaltphasen, etwa das Römische Temperaturoptimum oder die Kleine Eiszeit, doch global tat sich nicht allzu viel: Beide Polkappen von Eis bedeckt, nur geringfügige Schwankungen des Meeresspiegels und verhältnismäßig wenig Extremwetter.
Die gesamte menschliche Kulturgeschichte fällt in diese Zeit, von der Sesshaftwerdung bis zur Mondlandung. Doch die letzten Tage die Welt, wie wir sie kennen, sind angebrochen, längst ist es wärmer als jemals zuvor während der Existenz aufrecht gehender Menschen. Es droht eine nicht mehr aufzuhaltende Erderhitzung wie sie die Menschheit noch nicht gesehen hat…
Kipppunkte
00:00:55 Intro überspringen
00:07:00 Einleitung & „Pseudo-Kipppunkt“ arktisches Meereis
00:11:30 Grönländischer Eisschild
00:15:30 Westantarktischer Eisschild
00:18:00 Methan aus Permafrost und Methanhydraten
00:23:30 Tibetische Hochgebirgsgletscher
00:24:30 Atlantisches Tiefenwasser
00:25:30 Antarktisches Tiefenwasser
00:26:30 Marine Kohlenstoffpumpe
00:28:30 Malzbiertaufe auf unsere Steady-Unterstützer*innen Simon und Judith
00:30:00 El Niño Southern Oscillation
00:33:00 Corioliskraft
00:34:00 Antarktisches Ozonloch
00:40: 00 Arktisches Ozonloch (aktuelle Ergebnisse der MOSAiC-Expedition!)
00:41:00 Indischer Monsun
00:45:00 Westafrikanischer Monsun
00:48:00 Boreale Wälder (Taiga)
00:51:00 Amazonas-Regenwald
00:53:00 Ergrünung der Sahara?
00:54:00 Subtropische Stratocumuluswolken
01:01:00 Ausblick und Abschluss
Grundlagen
Im Grunde sind Kipppunkte nichts anderes als das, womit ich mich in meinem Projekt zur Chaosforschung am Forschungszentrum beschäftige: Zustände, in denen auch geringfügige Einflüsse enorme Wirkung entfalten und den Verlauf des Systems abrupt abbrechen und in eine ganz neue Richtung lenken oder stark beschleunigen. Sie entstehen durch positive Rückkopplungen, also Prozesse die sich selbst verstärken, indem eine Wirkung ihre eigene Ursache verstärkt. Ein Beispiel ist die Eis-Albedo-Rückkopplung: Es wird wärmer, Eis schmilzt, dadurch kommt dunkler Untergrund zum Vorschein, der mehr Licht absorbiert und die Temperatur weiter steigen lässt. Die Eisschmelze verstärkt also ihre Ursache, die Erwärmung. So entsteht ein Teufelskreis.
Zum Glück ist unser Erdsystem aber ausgeklügelt genug, um nicht bei jeder kleinsten Störung umzukippen. Dafür sorgen die negativen Rückkopplungen, die stabilisierend wirken, indem eine Wirkung ihre eigene Ursache abschwächt. Ein Beispiel dafür ist die Wolkenrückkopplung: Durch die höheren Temperaturen verdampft mehr Wasser aus den Ozeanen und bildet Wolken. Diese Wolken schirmen dann Sonnenlicht ab und wirken kühlend. Doch das Maße, in dem wir das Klima stören, können auch all die stabilisierenden Notbremsen nicht mehr kompensieren.
In der Chaosforschung spricht man von Attraktoren (Anziehungspunkten), also Zuständen, die ein System anstrebt. Dies sind stabile Zustände, doch wenn ein Kipppunkt erreicht wird, erhält das System einen neuen Attraktor, den es von nun an selbst anstrebt – ohne dass wir noch etwas tun. Kippt unsere gesamte Erde in einen neuen Zustand, endet das seit 34 Millionen Jahren andauernde Eiszeitalter und ein eisfreies Warmklima bricht an. Im letzten Warmklima lebten noch die Dinosaurier…
Aber auch das Kippen einzelner Kippelemente zieht fatale Folgen nach sich.
Kippelemente im Einzelnen…
Arktisches Meereis
Das Arktische Meereis wurde lange als potentieller Kipppunkt geführt, ist es aktuelleren Ergebnissen zu folge jedoch wahrscheinlich nicht. Grund dafür sind negative Rückkopplungen, beispielsweise isoliert ausgedünntes Eis kaum Wärme. Das bedeutet dennoch keine Entwarnung: Auch ohne nichtlineare Kippelemente laufen wir mitten auf eine im Sommer eisfreie Arktis zu. Vielmehr sollte es uns zeigen, dass wir mit effektivem Klimaschutz noch immer einiges verändern können, obwohl es bereits extrem schlecht um das Eis im Nordpolarmeer steht.
Grönländischer Eisschild
Durch die Eisschmelze in Grönland erscheinen Grünflächen, die sich schneller erwärmen und die Eisschmelze somit noch stärker vorantreiben, außerdem strömt Schmelzwasser in einen Schmierfilm am Grund des Eises, auf dem der gesamte Eispanzer ins Meer abzurutschen droht – Folge ist ein starker Meeresspiegelanstieg.
2021 wurde ein beunruhigender Anstieg von Varianz und Autokorrelation registriert, der Eisschild weicht also immer stärker vom Normalzustand ab und benötigt länger, um wieder dorthin zurückzufinden: Der Attraktor wird instabil und das Verhalten des Eisschilds entkoppelt sich zunehmend von den Umweltbedingungen. Dies gilt als Zeichen dafür, dass der Kipppunkt hier bereits erreicht ist.
Westantarktischer Eisschild
Für eine massenhafte Eisschmelze bleiben die Temperaturen in der Antarktis weiterhin zu niedrig, allerdings kann erwärmtes Meerwasser den Eispanzer Stück für Stück abtragen und destabilisieren, wodurch der Meeresspiegel steigt. Der höhere Meeresspiegel kann dann noch mehr Eis abtragen und ein Teufelskreis kommt in Gang, der letztlich ebenso zum Kollaps des Eisschilds führen könnte.
Methan aus Permafrost und Methanhydraten
Seit dem Ende der Eiszeit sind in permanent gefrorenen Böden enorme Mengen des starken Treibhausgases Methan gebunden. Durch die steigenden Temperaturen schmelzen diese erstmals und das Methan gelangt in die Atmosphäre, wodurch die Temperaturen weiter steigen und noch mehr Permafrost schmilzt. Ähnliches gilt für die Methanhydrate, also Eiskristalle mit eingelagertem Methan unter hohem Druck am Meeresgrund. Bei höheren Temperaturen werden sie instabil und zerfallen, wodurch Methan in die Atmosphäre gelangen kann.
Tibetische Hochgebirgsgletscher
Vor allem im Himalaya, aber auch in den Anden und den Alpen schmelzen die Gebirgsgletscher ab, wodurch darunter liegende dunkle Gesteinsflächen auftreten. Das beeinflusst sowohl die lokale Temperatur als auch in einigen Fällen die Trinkwasserversorgung.
Aktuellen Forschungen zufolge könnte Deutschland schon 2030 über keinen einzigen Gletscher mehr verfügen.
Atlantisches Tiefenwasser
Die Eisschmelze verringert den Salzgehalt des Meerwassers und schwächt damit den Motor der globalen Meeresströmungen, die Dichteunterschiede. Dadurch verändern sich Meeresströmungen und Umwälzzirkulationen, was wiederum das Klima beeinflusst, etwa mit häufigeren Extremwetterereignissen einhergehen könnte.
Antarktisches Tiefenwasser
Vor der antarktischen Küste liegt eine Umwälzzirkulation, welche wichtig für die Nährstoffverteilung im Ozean ist. Durch die Eisschmelze sinkt jedoch analog zum Atlantischen Tiefenwasser der Salzgehalt des Wassers und die Tiefenwasserbildung erlahmt.
Marine Kohlenstoffpumpe
Die Ozeane entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff in Form von CO2, die Marine Kohlenstoffpumpe versenkt den Kohlenstoff aus den flacheren Meeresschichten in den Tiefen des Ozeans, wodurch sie die „Pufferwirkung“ der Ozeane verstärkt und die Atmosphäre entlastet. Doch durch die Ozeanversauerung sinkt die Löslichkeit des Wassers für CO2, wodurch die Kohlenstoffpumpe schwächelt, gleichzeitig werden die antreibenden Umwälzzirkulationen durch die Eisschmelze geschwächt.
El Niño Southern Oscillation
Die Veränderung der Ozeantemperatur könnte zu stärkeren und häufigeren El-Niño-Ereignissen, also veränderten Meeresströmungen im tropischen Pazifik führen – das begünstigt Extremwetter auf dem ganzen Globus. Obwohl versucht wird, Schlüsse aus vergangenen Perioden wärmeren Klimas zu ziehen, ist noch nicht abschließend geklärt, wie die El Niño Southern Oscillation auf ein wärmeres Klima reagieren wird.
Antarktisches Ozonloch
Obwohl sich die vor krebserregender Sonnenstrahlung schützende Ozonschicht über der Antarktis seit dem FCKW-Verbot durch das Montreal-Protokoll 1989 langsam erholt, könnte diese grundsätzlich positive Entwicklung durch Treibhausgase verzögert werden, welche die Stratosphäre im Gegensatz zur Troposphäre abkühlen und damit weiteren Ozonabbau begünstigen.
Schaffen wir es allerdings, die Erholung nicht zu gefährden, wird die Ozonschicht über der Antarktis im Jahr 2060 wieder in dem Zustand sein, in dem sie sich 1980 befand.
Arktisches Ozonloch
2020 wurde durch Daten der MOSAiC-Polarexpedition erstmals ein Ozonloch, also eine Ausdünnung der Ozonschicht um über 50%, über der Arktis registriert. Ursache ist analog zur Problematik über der Antarktis die Abkühlung der Stratosphäre durch die Klimakrise. Das Ozonloch könnte auch zu erhöhten Krebsraten in Europa führen, es besteht kaum Hoffnung, dass sich die Lage innerhalb dieses Jahrhunderts entspannt.
Indischer Monsun
Der indische Monsun, ein Niederschlagssystem, reagiert sensibel sowohl auf verstärkende Treibhausgase als auch auf schwächende Aerosole. Welche Wirkung überwiegen wird, ist unsicher, aber klar ist: Hunderte Millionen Menschen werden durch Veränderungen des Landwirtschaft und des Wetters betroffen sein.
Westafrikanischer Monsun
Auch in Westafrika gibt es einen Monsun, der genau wie der Indische Monsun durch die Klimakrise sowohl verstärkt als auch geschwächt werden könnte. Davon abhängig könnte die Sahelzone entweder noch trockener oder aber wieder feucht wie in früheren Zeiten werden – in welche dieser Richtungen der Kipppunkt ausschlägt, lässt sich nicht vorhersagen.
Boreale Wälder (Taiga)
Die Klimakrise führt zu einem Rückgang borealer Wälder im Norden und begünstigt Seuchen und Brände, welche die Widerstandsfähigkeit der weiter Bäume schwächen. Durch das neue Waldsterben gerät Kohlendioxid in großen Mengen in die Atmosphäre, was die Klimakrise global weiter vorantreibt, gleichzeitig erscheinen aber auch kühlende Schneeflächen.
Amazonas-Regenwald
Der Niederschlag im Amazonas-Becken ist nur für die Existenz eines Regenwalds ausreichend, weil die Bäume selbst den Niederschlag erzeugen, indem sie über ihre Blätter große Mengen Wassers verdunsten lassen, die dann über der Region wieder abregnen. Bricht der Bestand stark ein, sind die Schäden irreversibel. Der Amazonas könnte in diesem Fall zu einer Steppe werden und große Mengen Treibhausgase abgeben. Bereits jetzt übersteigt die Treibhauswirkung des Amazonas die absorbierende Wirkung des Waldes.
Ergrünung der Sahara?
Abhängig davon, wie sich der Westafrikanische Monsun künftig entwickelt, wird sich auch die Sahara verändern. Im günstigsten Fall könnte das Klima der Sahelzone feuchter werden und die Sahara würde ergrünen – als eine der wenigen positiven Folgen der Klimakrise. Sicher ist das aber keineswegs, es könnte in dieser Region auch noch trockener werden. Bisher geht die gemessene Tendenz allerdings in die Richtung einer feuchteren Sahelzone.
Subtropische Stratocumuluswolken
Ein häufig vergessenes Kippelement: Sonnenlicht reflektierende Kühlwolken über den Ozeanen, sogenannte Stratocumuluswolken, würden sich bei einer atmosphärischen CO2-Konzentration von etwa 1.200 ppm auflösen und sprunghaft einen globalen Temperaturanstieg von 8°C verursachen. Im schlimmsten Fall könnte eine solche CO2-Konzentration durch die menschengemachten Emissionen erreicht werden.
Ausblick
Doch es wird noch schlimmer, denn die Kipppunkte beeinflussen sich schließlich auch noch untereinander. In seltenen Fällen hemmt ein Kippelement das andere, doch in der Regel begünstigt das Überschreiten eines Kipppunkts das Überschreiten des nächsten. An einem gewissen Punkt sind so viele positiv miteinander gekoppelte Kipppunkte überschritten, dass sich ein unaufhaltsamer Dominoeffekt einstellt und die gesamte Erde in ein Warmklima kippt – dies ist der Point of no Return. Und was passiert, wenn wir den überschreiten, lässt sich in diesem Diagramm sehen.
Wir sehen verschiedene Szenarien für die Entwicklung der Treibhausgaskonzentration im 21. Jahrhundert. Diese Zahl hinter „RCP“ (für Representative Concentration Pathways) steht für die zusätzliche Strahlungsleistung pro Quadratmeter, die unsere Erde in diesem Szenario im Jahr 2100 durch die erhöhte Treibhausgaskonzentration speichern können wird (in Watt). RCP 2.6 ist praktisch nicht mehr möglich, RCP 4.5 nur mit ernsthaftem Klimaschutz zu schaffen, doch wenn es zu besagtem Kontrollverlust durch Kipppunkte kommt, wird die Klimakrise im RCP 8.5-Szenario sprunghaft zu einer Klimaapokalypse eskalieren.
Vor allem die Eisschmelze wird sich in diesem Drei-Grad-Szenario nach 2060 drastisch beschleunigen und zu einem katastrophalen Meeresspiegelanstieg von fünf Zentimetern pro Jahr führen – unzählige unserer Städte werden im Meer versinken und hunderte Millionen Menschen vertrieben. Es wäre das Ende der Zivilisation wie wir sie kennen – und das sechste große Massensterben der jüngeren Erdgeschichte. Bisher stimmt RCP 8.5 am besten mit den tatsächlich gemessenen Werten überein.
Fünf positive Nachrichten zum Abschluss
Was eine dunkle Episode über Kipppunkte… Beenden möchte ich sie mit fünf positiven oder zumindest nicht negativen Tatsachen.
Kein Venus-Syndrom
Zunächst einmal ist selbst im Falle eines Kippens des gesamten Klimasystems der dann angenommene Warmklima-Zustand für sich stabil – genauso stabil wie der aktuelle Zustand, nur eben deutlich wärmer und vermutlich nahezu eisfrei. Ein galoppierender Treibhauseffekt ohne stabilen Endzustand, der letztlich das gesamte Wasser des Planeten verdampfen lässt, ein sogenanntes Venus-Syndrom, ist auf der Erde aktuell selbst in den schlimmsten Szenarien der menschengemachten Erderhitzung nicht möglich. Für uns Menschen wäre die Erde im stabilen Warmklima-Zustand dennoch weitgehend unbewohnbar, andere Spezies würden allerdings überleben…
Nicht umsonst wird ein Massensterben auch Faunenschnitt genannt: So wie unsere Nische das Eiszeitalter ist, würden andere Lebewesen von einem Warmklima profitieren – beispielsweise Farne.
Arktisches Meereis kein Kipppunkt
Wie bereits erwähnt, ist das arktische Meereis kein Kipppunkt. Wenn wir jetzt handeln, werden wir noch zu unseren Lebzeiten belohnt. Das ist doch eine schöne Motivation…
Methanhydrate
Zwar beginnen bereits Methanhydrate rund um den Globus sich zu destabilisieren, allerdings deuten mittlerweile vermehrt Anzeichen darauf hin, dass nur ein kleiner Teil davon tatsächlich in der Atmosphäre landet und der Ozean einen Großteil aufnehmen kann – lediglich in weniger tiefen Lagerstätten bestünde Gefahr. Generell sind die Methanhydrate allerdings noch nicht vollständig verstanden, sodass sich der Stand der Forschung auch ändern kann.
Nicht zu spät, um umzukehren
Im IPCC-Sonderbericht zu 1,5°C Globaler Erwärmung aus dem Jahr 2018 stellte der Weltklimarat fest, dass die bisher emittierten Treibhausgase mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Erwärmung von über 1,5°C und somit auch nicht zu einem Überschreiten des Points of no Return führen werden, der ungefähr bei 2°C gesehen wird. Wenn auch politisch nicht unbedingt wahrscheinlich, ist es rein physikalisch also noch vollkommen drin, das Eiszeitalter zu erhalten. Auch der Meeresspiegelanstieg bis 2100 ließe sich mit wirksamem Klimaschutz halbieren!
Soziale Kipppunkte
Die wohl hoffnungsvollste Nachricht ist aber diejenige, dass Attraktoren und Kipppunkte nicht nur im Klimasystem existieren, sondern auch in unserer Gesellschaft. Analysieren wir den gesellschaftlichen Wertewandel, dann sind Egalität und Nachhaltigkeit die zwei großen Attraktoren unserer Zeit und immer dann, wenn wir Menschen Probleme mit unser aktuellen Strategie nicht mehr lösen konnten, sind wir auf die nächste Stufe aufgestiegen – das Prinzip nennt sich Spiral Dynamics.
Wir sind wahrlich einen langen Weg bis hierhin gegangen: Allein durch Afrika streifende Frühmenschen schlossen sich zu Stämmen zusammen, um sich gegenseitig schützen zu können und das Leben weniger gefährlich zu machen. In dieser Lebensform konnten sie es sich leisten, über die Natur nachzudenken und häufig abergläubische Erklärungen zu finden. Als sie dann merkten, dass diese oft unzutreffend waren, wandten sie sich zunehmend vom Aberglauben ab und positive Handlungsfreiheit wurde bedeutender als Gleichheit – was zu furchtbarer Ausbeutung und Sklaverei, aber auch den bekannten Großreichen der Geschichte führte.
Diese Schreckensherrschaften wurden von starren und geregelten politischen Ordnungen abgelöst, Religion war stets einer ihrer Grundpfeiler, aber auch das Militär gewann an Bedeutung. Die Schattenseiten waren Totalitarismus und Ausgrenzung von Menschen, die sich den festgelegten sozialen Ordnungen und Weltanschauungen widersetzten. Die bisher letzte Stufe ist die Moderne, in der rationales und differenziertes Denken in Form technischen Fortschritts unglaubliche Dinge ermöglichten: Wir heilen todkranke Menschen, bauen Stationen im All und haben nahezu das gesamte Wissen unserer Spezies digitalisiert.
Doch auch die Gefahren sind auf dieser Entwicklungsstufe enormer als jemals zuvor, sie nehmen geradezu apokalyptisches Ausmaß an – unsere Fallhöhe ist einfach viel größer. Nicht auszuschließen, dass wir an den Kipppunkten scheitern. Allerdings haben wir uns in Vergangenheit eigentlich immer in Situationen bewährt, in denen äußere Umstände uns zu Anpassung gezwungen haben – auch wenn es eine solche Extremsituation sicherlich noch nie gegeben hat. Aber wenn wir es auch diesmal schaffen, wird die nächste Stufe sicherlich unglaublich werden.
Quellen und weiterführende Links
Es ist unmöglich, in einer Podcast-Episode alles Wichtige zu besprechen, was es über Kipppunkte zu wissen gibt, wir haben nicht einmal alle bekannten Kipppunkte erwähnt und viele physikalischen Details unterschlagen. Für eine breitere Übersicht könnt ihr unsere Ökologie-Seite besuchen oder weiterführende Links betrachten.
Arktisches Meereis doch kein Kipp-Punkt: Eine Erholung der Eisdecken ist auch bei starker Schmelze noch möglich. Abgerufen über https://www.scinexx.de/news/geowissen/arktisches-meereis-doch-kein-kipp-punkt/.
Galoppierender Treibhauseffekt. Abgerufen über https://de.wikipedia.org/wiki/Galoppierender_Treibhauseffekt.
Klima: Auf Kurs zum „Worst-Case“-Szenario? Bisherige und prognostizierte CO2-Emissionen liegen nah am IPCC-Szenario RCP 8.5. Abgerufen über https://www.scinexx.de/news/geowissen/klima-auf-kurs-zum-worst-case-szenario/.
Methanhydrat: Aufsteigende Blasen schaden dem Klima nicht. Abgerufen über https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/news/2007/methanhydrat-aufsteigende-blasen-schaden-dem-klima-nicht/.
African humid period. Abgerufen über https://en.wikipedia.org/wiki/African_humid_period.
Kipppunkte im Klimasystem. Abgerufen über https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Kipppunkte_im_Klimasystem.
Klimawandel zerstört Kühlwolken: Zerfall niedriger Meereswolken könnte globale Temperaturen abrupt weiter anheizen. Abgerufen über https://www.scinexx.de/news/geowissen/klimawandel-zerstoert-kuehlwolken/.
Bayerische Gletscher: Eine gar nicht ferne Zukunft ohne Eis. Abgerufen über https://www.br.de/nachrichten/wissen/bayerische-gletscher-eine-gar-nicht-ferne-zukunft-ohne-eis,SVxTowy.
Artenschwund: Die Menschheit ist schlimmer als der Asteroid, der die Dinos auslöschte. Abgerufen über https://www.watson.ch/wissen/umwelt/342552975-artenschwund-die-menschheit-ist-schlimmer-als-ein-asteroideneinschlag.
Ozone depletion. Abgerufen über https://en.wikipedia.org/wiki/Ozone_depletion.
1,5°C Globale Erwärmung. Abgerufen über https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2020/07/SR1.5-SPM_de_barrierefrei.pdf.
Klimawandel: Grönlands Kipppunkt könnte schon erreicht sein. Abgerufen über https://www.spektrum.de/news/eisschmelze-groenlands-kipppunkt-koennte-schon-erreicht-sein/1874647.