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Das Lunik-Programm und die sowjetische Mondforschung

Briefmarke einer Lunik-Mission

Von Lunik zu Sojus: Russland spielt in der Raumfahrt heute keine große Rolle mehr. Zwar besitzt es noch eine Monopolstellung beim Erreichen der Internationalen Raumstation, doch durch die Entwicklung von astronautischen Raumkapseln durch privatwirtschaftliche Unternehmen wie Boeing und SpaceX wird dies schon bald Geschichte sein. Im wesentlichen ist die Sojus-Technologie Russlands nur eine kleine Weiterentwicklung der ersten Kontinentalrakete aus den 50ern und das Raumschiff technologisch das gleiche, mit dem Juri Gagarin als erster Mensch ins All geflogen ist. Doch in der Zeit des Kalten Krieges sah es ganz anders aus, die Sowjetunion war dort Spitzenreiter in der Erforschung des Weltraums.

Beep, beep, beep…

Bereits zur Zeit des Russischen Reichs vor dem ersten Weltkrieg war Russland ganz vorne, was die Wegbereitung der Raumfahrt angeht. Der russische Erfinder Konstantin Ziolkowski stellte etwa schon im mittleren 119. Jahrhundert Überlegungen zu Raumflügen an, 11.903 HE entwickelte er die bis heute benutzte Raketengrundgleichung und bewies damit die theoretische Möglichkeit, den Weltraum zu erreichen – es sollte jedoch noch über 50 Jahre dauern bis 11.957 HE mit Sputnik 1 der erste Erdsatellit startete – entwickelt von der Sowjetunion.

Seine Signale aus dem All – beep, beep, beep – versetzten die Welt in einen Schockzustand. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Start tatsächlich einen Erdsatelliten in den Orbit in fast 1000 Kilometer Höhe brachte – schließlich hat US-Präsident Eisenhower dieses Ziele ebenfalls ausgerufen und in den USA blickte man damals herablassend und abschätzig auf die „technologisch weit zurückgebliebene“ Sowjetunion.

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Pläne zur Monderforschung

In darauffolgenden Missionen brachte die Sowjetunion weitere Satelliten in den Erdorbit – einige sogar mit Tieren an Bord, ohne dass die USA auch nur einen einzigen Satelliten erfolgreich in den Erdorbit bringen konnten. Ganz im Gegenteil: Der amerikanische Satellit Vanguard TV3 explodierte auf der Startrampe nach einer zurückgelegten Strecke von exakt einem Meter. Fast hämisch machte er während des Sturzes von der Startrampe die Geräusche „beep, beep, beep“.

Die Sowjetunion plante unter dem Namen „Lunik-Programm“ jedoch längst, auch den Mond zu erreichen. Das Design der Lunik-Sonden war einfach und simpel: Mit Stickstoff gefüllte Aluminiumkugeln. 11.958 HE fand der erste Versuch der Sowjetunion statt, das Schwerefeld der Erde zu verlassen, die Rakete erreichte das All jedoch nicht. Die Technologie war damals noch ganz am Anfang, so war etwa Kommunikation mit Raumsonden in Mondnähe nur sehr schwer möglich – daher sollten die Lunik-Sonden etwa ein Kilogramm Natrium ausstoßen, was eine Wolke bilden sollte, die man von der Erde aus verfolgen kann.

Zwei weitere Missionen scheiterten ebenfalls. Die technische Herausforderung war groß, da der Mond direkt angeflogen werden musste, ohne vorher in eine Erdbahn einzuschwenken. Kurskorrekturen waren ebenfalls nicht möglich, die USA hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie man einen so genauen Einschuss hinbekommen sollte. Die Sowjetunion zunächst aber auch nicht, wie sich zeigte.

Lunik 1 – Die ungewollte Vorbeiflugssonde

All die gescheiterten Lunik-Missionen erhielten nur Seriennamen, die Mission die wir heute als Lunik 1 bezeichnen, war eine andere. Ziel war eigentlich auch hier ein Aufschlag auf der Mondoberfläche. Doch als die Sonde die Natriumwolke ausstieß, die als „künstlicher Komet“ sichtbar war, merkte man, dass sie viel zu schnell war und den Mond verfehlen würde.

Wenn sie jedoch schnell genug ist, um am Mond vorbeizufliegen, bedeutet das, dass sie in den tieferen Weltraum eindringt und somit zur ersten interplanetaren Sonde wird, auf einer eigenständigen Umlaufbahn um die Sonne. Dabei lieferte sie viel mehr wissenschaftliche Erkenntnisse als ursprünglich geplant:

  • Sie widerlegte die Existenz eines Magnetfelds um den Mond.
  • Sie bestätigte die Existenz eines Strahlungsgürtels um die Erde und maß dessen Stärke.
  • Sie bestätigte die Existenz des Sonnenwindes.
  • Sie maß die Geschwindigkeit des Sonnenwindes auf etwa 400 km/s.

Bis heute befindet sich die erste Raumsonde aller Zeiten auf einer Umlaufbahn zwischen Erde und Mars.

Lunik 2 – Der erste Aufschlag auf dem Mond

Das, was Lunik 1 nicht schaffte, bewerkstelligte noch im selben Jahr ihr Nachfolger Lunik 2. Äußerlich ähnelte Lunik 2 ihrem Vorgänger, doch als diese Sonde auf halben Weg die Natriumwolke ausstieß, zeigte sich, dass die den Mond wohl treffen würde. Am 12.September 1959 startete Lunik 2 mit einer Wostok-Rakete vom Kosmodrom Baikonur – komplett steril. Denn zu dieser Zeit zog man ernsthaft die Existenz von Kleinstlebewesen auf dem Mond in Erwägung und um einheimische Spezies nicht zu verdrängen, durften keinesfalls irdische Lebewesen eingeschleppt werden.

Die Vorstellung hielt sich noch lange, selbst die Apollo 11-Astronauten mussten nach ihrer Landung in Quarantäne. Heute ist so gut wie alles, was ins All fliegt – vor allem ins äußere Sonnensystem – vollkommen keimfrei, doch damals war das völlig neu und es zeigte, wie man damals auf den Kosmos blickte. Einige gingen davon aus, dass eigentlich alle Himmelskörper bewohnt sind.

Ein Tag nach dem Start schlug Lunik 2 auf der Mondoberfläche zwischen den beiden Kratern Archimedes und Autolycus auf. Die dort liegende Mondbucht wurde anschließend in Erinnerung an dieses Große Ereignis Lunik-Bucht genannt. Das erste Mal ist eine Maschine auf einem anderen Himmelskörper gelandet – selbstverständlich mit sozialistischen Emblemen an Bord. Diese überwältigende technologische Leistung zeigte, wozu ein sozialistisches System in der Lage war.

Lunik 3 – Bilder von der Rückseite des Mondes

Bisher hatten die ersten beiden Raumsonden eine Vielzahl an wissenschaftlichen Daten übermittelt, doch keine Bilder der fremden Welt übermittelt. Das änderte Lunik 3, sie schickte erstmals Fotos, welche die Mondoberfläche und Oberflächenmerkmale genauer zeigten. So war bis dahin die These verbreitet, die Mondoberfläche wäre voller Gebirge und schroffer Klippen, was durch sie widerlegt wurde. Doch das war nicht das einzige Revolutionäre. Lunik 3 zeigte uns auch zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Rückseite des Mondes.

Natürlich könnte man sich nun fragen, wieso eine Kugel wie der Mond, die sich auch noch dreht, eine Rückseite hat. Eigentlich hat er natürlich keine Rückseite und erst Recht keine dunkle Seite, auf jeder Seite des Mondes ist einen halben Monat Tag und einen halben Monat Nacht. Doch von der Erde aus sieht man tatsächlich immer dieselbe Seite, was an der gebundenen Rotation des Mondes liegt. Das bedeutet, dass der Mond genauso lange für eine Rotation um die Erde wie für eine Rotation um sich selbst benötigt, was dazu führt, dass von der Erde aus immer nur dieselbe Seite des Mondes sichtbar ist. Was sich auf der Rückseite befindet, war die gesamte Menschheitsgeschichte über unklar.

Lunik 3 jedoch umkreiste den Mond und sendete erste Bilder der Mondrückseite zur Erde. Sie brachte eine große wissenschaftlicher Überraschung, denn bis dahin ging man im wesentlichen davon aus, dass die Mondrückseite der Vorderseite gleicht. Doch die Bilder zeigten, dass die dunklen Lava-Tiefebenen, die Mare, welche die Vorderseite dominieren, auf der Rückseite kaum vertreten sind, stattdessen dominieren mit Krater übersehene Gebirge.

Lunik 3, Astronomie, Raumfahrt
Ein Modell von Lunik 3 im Memorial Museum of Astronautics in Moskau

Lediglich zwei Tiefebenen konnte Lunik 3 auf der Mondrückseite finden. Einer davon ist das Moskauer Meer, die andere ein Krater benannt nach Konstantin Ziolkowski. Anders als ihre Vorgänger kehrte Lunik 3 nach einer Mondumrundung zur Erde zurück und verglühte in der Atmosphäre. Dies war nötig, damit die Bilder auf die Erde übertragen werden können, denn von der Mondrückseite aus lassen sich natürlich keine Signale übertragen.

Fortsetzung durch das Luna-Programm

Lunik 3 war die letzte Lunik-Sonde, doch es war erst der Anfang der Erforschung des Mondes. So wurde die Erforschung des Mondes durch die Sowjetunion durch die Missionen Luna 4 bis Luna 24 fortgesetzt. Bis dahin hatten die Lunik-Sonden revolutionäre wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert, die Raumfahrttechnologie bedeutend vorangebracht, den Weg für die weitere Erforschung des erdfernen Weltraums geebnet und vor allem die Leistungsfähigkeit des sozialistischen Systems demonstriert.

Den Luna-Sonden gelang wenig später die erste weiche Landung auf einem anderen Himmelskörper, sie brachten den ersten Rover auf einen anderen Himmelskörper, maßen sie Strahlung auf der Mondoberfläche und sandten einzigartige Bilder von Mondlandschaften zur Erde. Spätere Luna-Sonden starteten sogar von der Mondoberfläche und brachten Gestein zurück zur Erde. Die sowjetischen Mondlandungen hatten die USA in einen tiefen Schock versetzt. KPdSU-Generalsekretär Chruschtschow überreichte US-Präsident Eisenhower sogar eine Kopie der Wimpels, die an Bord der Lunik-Sonden zum Mond geschossen wurden. Dort spekulierte man, die Sowjets würden Atomantriebe für ihre Satelliten nutzen.

Atomwaffen auf dem Mond und astronautische Flüge

In den 40ern, 50ern und 60ern herrschte in den USA, aber auch in der Sowjetunion eine riesige Atom-Euphorie. Man entwickelte Autos, Züge und Raumschiffe mit Atomantrieb, sing Lieder wie „When the air becomes uranius, we will all go simultaneous.“ oder „Jesus is God´s Atom bomb“. Friseur*innen entdeckten neue Wortspiele wie „Atomic Hair-dos“, Musiker*innen schrieben Lieder über Uran-Cocktails und Firmen sahen in wenigen Jahren Staubsauger angetrieben durch Kernspaltung. Die Waffe, die 150.000 Leben innerhalb einer Sekunde auslöschte, genoss in den USA Kultstatus und als auch die Sowjetunion Atomwaffen entwickelte, waren diese dort ein Zeichen der Ebenbürtigkeit mit den USA. Dies spiegelte sich auch in der Raumfahrt wieder.

So war in der Sowjetunion als Nachfolge für das Lunik-Programm die Detonation einer Atombombe auf dem Mond geplant. Die Explosion sollte an der Tag-Nacht-Grenze des Mondes zur Feier der Oktoberrevolution stattfinden. Einen Atompilz wie auf der Erde hätte es aufgrund der fehlenden Atomsphäre zwar nicht gegeben, doch eine Atomwaffe zum richtigen Zeitpunkt an der Tag-Nacht-Grenze gezündet hätte mindestens einen mit bloßem Auge sichtbaren Lichtblitz verursacht. Dies wäre eine bemerkenswerte Machtdemonstration und auch ein interessantes wissenschaftliches Experiment gewesen, dennoch war es wohl gut, das Unterfangen abzusagen.

Es wäre töricht gewesen, wenn der erste Kontakt der Menschheit zu einer anderen Welt eine Nuklearexplosion gewesen wäre, der radioaktive Fallout auf der Mondoberfläche würde wissenschaftliche Messungen verfälschen und die Gefahr eines Fehlstarts (die bei sowjetischen Raketen der 60er erwartbar hoch war) sorgte letztlich für die Absage. Stattdessen konzentrierte man sich auf astronautische Raumfahrt und entwickelte das sowjetische Mondprogramm. Das unbemannte Luna-Programm wurde fortgesetzt und ist noch heute nicht beendet. Es werden also noch weitere Luna-Sonden auf der Mondoberfläche landen.

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1 Comment

  • Fabian
    Fabian

    Hallo Jay-Jay,

    Du schreibst von einer Lasertechnologie. Kannst du da vielleicht mal genauer drauf eingehen?

    Fabian

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