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Niels Bohr

Den Namen Niels Bohr verbindet ihr vielleicht höchstens mit der ein oder anderen dunklen Stunde im Chemieunterricht – allerdings zu Unrecht. Denn über Niels Bohr gibt es nicht nur unzählige interessante Anekdoten, er hat der Wissenschaft auch einen großen Dienst erwiesen: Er hat sich damit beschäftigt, wie die Atome, also die Grundbausteine des Universum, funktionieren und wie sie aufgebaut sind und er hat eine mögliche Lösung auf die Frage gefunden, wie das entsteht, was wir als Wirklichkeit bezeichnen.

Steckbrief: Niels Bohr

Vollständiger Name: Niels Henrik David Bohr

Geboren: 7. Oktober 1885 in Kopenhagen

Gestorben: 18. November 1962 in Kopenhagen

Berufsfeld: Quantenphysik

Universität: Universität Kopenhagen; Victoria University of Manchester

Werke: Atomphysik und menschliche Erkenntnis; Atomtheorie und Naturbeschreibung – vier Aufsätze mit einer einleitenden Übersicht; The Correspondence Principle; Collected Works; Essays 1958-1962 on Atomic Physics and Human Knowledge; Essays 1932-1957 on Atomic Physics and Human Knowledge; I quanti e la vita: Unità della natura. Unità della conoscenza; The Philosophical Writings of Niels Bohr; Sobre a constituiçao de átomos e moléculas; Linienspektren und Atombau; Niels Bohr Collected Works (1918-1923) Volume 3; Works on Atomic Physics, 1912-1917; On the Application of the Quantum Theory to Atomic Structure; Física cuántica; Niels Bohr: Politics, Popularization and People; Atomer og kerner: stadier på kvantefysikkens vej : udvalgte foredrag og artikler;

I quanti e la vita; Proceedings – Cambridge Philosophical Society: 18; Volume 18; The Political Arena (1934-1961); Atomer naturbeskrivelse og menneskelig erkendelse . Udvalgte artikler og foredrag fra årene 1927-1962; Teoria dell’atomo e conoscenza umana; On the Quantum Theory of Line-Spectra; Volume 1; Atomfizika és emberi megismerés: második kiadás; Über die Quantentheorie der Linienspektren; Atomphysik und menschliche Erkenntnis II: Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1958-1962; Quantum Theory; The Penetration of Charged Particles Through Matter (1912-1954); Proceedings – Cambridge Philosophical Society: 5, Volume 5; Tre breve om krigen og freden; Niels Bohr – Collected Works: Cumulative Subject Index; Über den Bau der Atome;

Abhandlungen über Atombau aus den Jahren 1913-1916; Work on Atomic Physics (1912-1917); Proceedings of the Cambridge Philosophical Society: Mathematical and Physical Sciences; Proceedings – Cambridge Philosophical Society: 6; Volume 6;The periodic system (1920-1923); Atomphysik und Menschliche Erkenntnis, Band I: Najafizadeh. Org Series in Philosophy and History of Science in Persian; La théorie atomique et la description des phénomènes; Leben: Das Lebendige aus der Sicht bedeutender Physiker, ein Lesebuch; Nuclear Physics (1929-1952)

Ehrungen: Nobelpreis für Physik; Barnard-Medaille; Sonning-Preis; Präsident der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften; Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission; Mitglied der Royal Society; Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei; Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen; Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften (die Leopoldina hatte damals übrigens noch einen ganz anderen Charakter); Mitglied der der National Academy of Sciences; Mitglied der Royal Society of Edinburgh;

Mitglied der American Philosophical Society; American Academy of Arts and Sciences; Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Académie des sciences; Ehrendoktorwürden vieler Universitäten weltweit; Träger des Elefanten-Ordens; Träger des Ordens Pour le Mérite; Abbildung auf einem 500-Kronen-Schein der dänischen Nationalbank; Benennung des Mondkraters Bohr, Benennung des Mondtals Vallis Bohr; Benennung des Hauptgürtel-Asteroiden (3948) Bohr; Benennung des nur künstlich erzeugbaren chemischen Elements Bohrium; Benennung des chemischen Verbindung Nielsbohrit

Lebenslauf

1885: Geburt in Kopenhagen

1903: Abitur an der Latein- und Oberrealschule Gammelholm und Beginn seines Physik-, Mathematik-, Chemie- und Astronomiestudiums

1907: Erhalt der Goldmedaille der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften

1909: Magisterabschluss

1911: Abschluss des Studiums mit seiner Doktorarbeit beim dänischen Physiker Christian Christiansen und Wechsel an das Cavendish-Laboratorium, zudem Fußballspieler beim Akademisk Boldklub

1913: Veröffentlichung des Bohrschen Atommodells

1914: Beginn als Dozent in Manchester

1915: Weiterentwicklung des Bohrschen Atommodells zum Bohr-Sommerfeldschen-Atommodell

1916: Beginn als Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft

1917: Aufnahme in die Dänische Akademie der Wissenschaften

1918: Formulierung des sogenannten Bohrschen Korrespondenzprinzips bezüglich des Zusammenhangs zwischen Quantenphysik und klassischer Physik

1919: Ende als Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft

1920: Treffen mit Albert Einstein und Max Planck auf einem Vortrag in Berlin

1921: Eröffnung seines eigenen Instituts, des Instituts für theoretische Physik

1922: Niels Bohrs berühmte Göttinger Vorträge (Bohr-Festspiele); Erklärung des Aufbaus des Periodensystems; Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Physik

1924: Erscheinung von The quantum theory of radiation, in dem Niels Bohr, Hendrik Anthony Kramers und John Clarke Slater erstmals die universelle Gültigkeit des Energieerhaltungssatzes infrage stellen

1926: Weiterentwicklung des Bohr-Sommerfeldschen-Atommodells zum Orbitalmodell

1927: Publikation der Kopenhagener Deutung

1936: Entwicklung zwei neuer Atommodelle, des Sandsack-Modells und des Tröpfchenmodells

1943: Mithilfe bei der Rettung der dänischen Juden und anschließende Flucht in die USA

1950: Warnung in einem offenen Brief an die UN vor der missbräuchlichen Nutzung von Atomtechnologie

1952: Teilnahme an einer UNESCO-Tagung zur Planung des Europäischen Kernforschungszentrums CERN

1957: Verleihung des Atoms for Peace Awards an Niels Bohr für seinen offenen Brief an die UN

1962: Tod in Kopenhagen

Zitate

„Wer wirklich Neues erdenken will, kann gar nicht genug verrückt sein.“

Niels Bohr

„Alles, was wir als real bezeichnen, ist aus Dingen gemacht, die nicht als real angesehen werden können. Wenn die Quantenmechanik Sie nicht zutiefst schockiert hat, haben Sie sie noch nicht verstanden.“

Niels Bohr

„Wir sind gleichzeitig Zuschauer und Schauspieler im großen Drama des Seins.“

Niels Bohr

Lebenswerk

Vor langer Zeit wurde einem Kursteilnehmer an der Universität Kopenhagen im Physikkurs folgende Frage gestellt: „Beschreiben Sie, wie man die Höhe eines Wolkenkratzers mit einem Barometer feststellt.“ Normalerweise würde man jetzt natürlich erwarten, dass der Kursteilnehmer vorschlägt, den Luftdruck auf dem Dach des Hochhauses mit dem Luftdruck am Boden zu vergleichen und daraus die Höhe zu berechnen.

Doch die Antwort des Kursteilnehmers kam wie aus der Pistole geschossen: „Sie binden ein langes Stück Schnur an den Ansatz des Barometers, senken dann das Barometer vom Dach des Wolkenkratzers zum Boden. Die Länge der Schnur plus die Länge des Barometers entspricht der Höhe des Gebäudes.“

Diese in höchstem Grade originelle Antwort entrüstete den Prüfer wirklich sehr, so sehr, er den Kursteilnehmer sofort entlassen hat. Dieser jedoch beschwerte sich und bestand auf seine Rechte, er sagte, dass seine Antwort ganz klar korrekt war. Die Universität nahm sich der Sache an und ernannte einen unabhängigen Schiedsrichter, um den Fall zu entscheiden. Dieser traf das Urteil, dass die Antwort des Kursteilnehmers tatsächlich korrekt war, aber von keinerlei physikalischem Grundwissen zeugte. Daher entschied er, man solle den Kursteilnehmer nochmals hereinbitten und ihm sechs Minuten zuzugestehen, in denen er eine Antwort geben könnte, die zumindest eine minimale Vertrautheit mit den physikalischen Grundprinzipien beweist.

Nachdem der Kursteilnehmer wieder hereingebeten wurde, saß er für fünf Minuten still, den Kopf nach vorne, in Gedanken versunken. Der Schiedsrichter erinnerte ihn, dass die Zeit lief, worauf der Kursteilnehmer antwortete, dass er einige wirklich sehr relevante Antworten habe, aber sich nicht entscheiden könne, welche er verwenden solle. Als ihm geraten wurde, sich zu beeilen, stellte er einiger seiner Antworten vor:

„Werfen sie das Barometer einfach herunter. Aus der Zeit bis zum Aufprall können sie mit den Gesetzen des Freien Falls die Fallhöhe und somit die Höhe des Gebäudes berechnen. Oder aber sie laufen mit dem Barometer am Treppenhaus entlang und messen die Höhe in „Barometerlängen“. Sollte es denn sonniges Wetter sein, kann man die Schatten des Gebäudes und des Barometers messen und vergleichen. Kennt man dann die Höhe des Barometers, kann man daraus auch die Höhe des Gebäudes berechnen.

Eine andere Möglichkeit ist es, einen kurzen Faden zu nehmen und das Barometer als Pendel zu nutzen. Auf dem Dach des Hochhauses wird es aufgrund der geringeren Gravitationsanziehung der Erde geringfügig anders schwingen, aus der Veränderung der Periode lässt sich die Höhe über dem Erdboden berechnen. Oder aber sie werfen das Barometer doch herunter und bestimmen aus der Verformung die kinetische Energie, daraus die Aufschlaggeschwindigkeit und daraus die Fallhöhe. Wollen Sie ihr Barometer nicht opfern, können sie es auch in einen Wassereimer werfen und die kinetische Energie aus der Erhitzung des Wassers berechnen.

Haben Sie ein Barometer aus einem Messing-Gehäuse, können Sie es durch einen Dauermagneten werfen, der am Boden liegt und aus der Differenz der dadurch entstehenden Hall-Spannung an beiden Enden des Barometers die Aufprallgeschwindigkeit und damit die Fallhöhe und die Höhe des Gebäudes berechnen. Oder sie bauen eine Wippe und katapultieren das Barometer auf eine Höhe von 20 Barometerlängen. Anschließend erhöhen sie das Gewicht und katapultieren das Barometer auf die Höhe des Dachs. Die Differenz zwischen den benötigten Gewichten wird dann mit der Höhe der 20 Barometerlängen multipliziert und so erhalten Sie die Höhe des Hauses in Barometerlängen.

Sie können das Barometer auch einfach als Beschwerer nutzen, während sie die Baupläne studieren. Oder sie versetzen das Hochhaus mit dem Barometer in Schwingungen bis es einstürzt und lesen die Höhe am nächsten Tag in der Zeitung – diese lässt sich übrigens mit so einem Barometer auch gut beschweren. Oder sie nutzen es als Pfand, wenn sie sich einen Apparat zur Laserdistanzmessung leihen.

Wenn sie eine langweilige und orthodoxe Lösung bevorzugen, könnten sie natürlich auch den Luftdruck am Boden und auf dem Dach des Gebäudes messen und daraus die Höhe berechnen. Aber da wir hier ja immer dazu angehalten werden, unseren Verstand zu nutzen und unkonventionelle Lösungen zu finden, wäre die naheliegendste Antwort wohl, zum Hausmeister zu gehen und zu sagen: „Wenn Sie mir die Höhe dieses Hochhauses sagen, schenke ich Ihnen dieses schöne Barometer“.“ 

Der Kursteilnehmer gewann später den Nobelpreis für Physik.

Das ist die sogenannte Barometer-Frage, die in der Wissenschaft längst Kultstatus erreicht hat und ein Symbol für die Sensibilisierung zu eigenständigem Denken und die Schwächen des Bildungssystems ist. Der Legende nach war der Kursteilnehmer der dänische Physiker Niels Bohr. Und wer den Namen kennt, der wird verstehen, warum man gerade ihm diese Antwort zuschreibt.

Niels Bohr dürfte eigentlich allen ein Begriff sein, selbst Physik-Laien, denn er war derjenige, der herausgefunden hat, wie die Bausteine unserer Welt, die Atome, beschaffen sind. Sein sogenanntes Bohrsches Atommodell dürfte jede*r spätestens in der 10.Klasse im Chemieunterricht gelernt haben, denn obwohl es in seiner ursprünglichen Form bereits überholt ist, war es einer der größten Meilensteine des 20.Jahrhunderts.

In den 1910ern hatte man schon eine ganz grundsätzliche Vorstellung, wie unsere Welt aufgebaut ist. Man wusste, dass sie aus winzigen Teilchen, den Atomen, besteht und dank dem neuseeländischen Physiker Ernest Rutherford hatte man auch eine Vorstellung, wie diese Atome aufgebaut sind: Im Mittelpunkt steht der positiv geladene Atomkern, er ist winzig klein, aber enthält annähernd die gesamte Masse des Atoms.

Die Elektronen tragen die negative Ladung und gleichen die Ladung des Atomkerns aus, die befinden sich in der Atomhülle um den Atomkern verteilt. Durch einen Versuch konnte Rutherford seine These untermauern, er (bzw. seine Mitarbeiter*innen) schossen Heliumkerne auf eine Platinplatte und machten eine überraschende Entdeckung: Etwa einer von 8.000 Heliumkernen wurde zurückgeworfen, der Rest passierte die Platte als wäre sie nichts.

Dies passte gut zu Rutherfords Vorstellung vom Atom: Der massive Kern ist winzig klein, wäre er ein Millimeter groß, dann hätte die Atomhülle einen Durchmesser von 100 Metern. Aus diesem Grund treffen nur sehr wenige Heliumkerne die Atomkerne des Platins, die meisten fliegen einfach durch die annähernd leere Atomhülle – Atome bestehen zum Großteil aus nichts. Mit diesem Versuch war diese These weitgehend anerkannt und Rutherford wurde berühmt. Die beiden armen Männer, die den ganzen Tag Heliumkerne auf Platinplatten schießen und zählen mussten, hießen übrigens Hans Geiger und Ernest Marsden.

Doch Rutherfords Atommodell hatte auch Schwächen und je präziser die Messungen wurden, desto offensichtlicher wurden diese Schwächen. So konnte man etwa später sogenannte Spektrallinien sehr genau messen – das ist eine Art individueller Fingerabdruck eines chemischen Elements. Setzt man Materie Strahlung aus, dann werden gewisse Wellenlängen der Strahlung von den Atomen geschluckt und gewisse Wellenlängen dürfen passieren.

Welche Wellenlängen sich wie verhalten, das ist bei jedem Element unterschiedlich, jedes Element hat also seine charakteristischen Spektrallinien. Heute sind diese Messungen so ultrapräzise, dass wir anhand der uns erreichenden Wellenlängen die Zusammensetzung der Atmosphären ferner Exoplaneten bestimmen können.

Damals war man natürlich noch nicht so weit, aber man war weit genug, um zu erkennen, dass Rutherfords Atommodell nicht in der Lage war, diese Spektrallinien zu erklären. Das war nicht die einzige Schwäche: Laut Rutherford bewegen sich die Elektronen irgendwie um den Kern, wie genau ließ er offen. Wendet man die Gesetze der klassischen Physik an, dann kann man davon ausgehen, dass Elektronen den Kern umkreisen wie der Mond die Erde oder die Erde die Sonne.

Doch es gibt ein Gesetz, welches besagt, dass kreisende Ladungen (und das Elektron trägt eine Ladung) immer elektromagnetische Wellen und damit Energie emittieren. Diese Energie kommt natürlich nicht aus dem nichts, sondern sie kommt vom Elektron, welches damit Bahnenergie verliert und früher oder später in den Kern krachen müsste – was aber nicht passiert.

All dies bremste die Verbreitung von Rutherfords Atommodell und viele Physiker*innen versuchten sich daran, seine Mängel zu korrigieren. Einer davon war nun auch Niels Bohr und er machte es sich recht einfach, hatte damit aber großen Erfolg. Er sagte, die klassische Physik würde auf Atomebene zum Teil einfach außer Kraft gesetzt und durch andere Gesetzt ersetzt und ergänzt. Er stellte zwei Postulate auf, also zwei Gesetzmäßigkeiten, die er nicht beweisen konnte, sondern deren Gültigkeit er einfach annahm und baute darauf ein eigenes Atommodell auf. Diese zwei Postulate lauten wir folgt:

  1. Dem Elektron stehen nicht alle nach der klassischen Physik möglichen Bahnen zur Verfügung, sondern nur bestimmte von ihnen. Auf diesen speziellen Bahnen erzeugt es keine elektromagnetische Strahlung, sondern behält seine Energie. Diese Bahnen sind die möglichen Zustände des Atoms.
  2. Das Elektron kann von einem Zustand in einen anderen springen. Dieser als Quantensprung bezeichnete Vorgang liegt außerhalb des Gültigkeitsbereichs der klassischen Mechanik und der Elektrodynamik und ereignet sich nicht kontinuierlich. Beim Quantensprung zwischen zwei Zuständen mit verschiedener Energie, den Energieniveaus, wird elektromagnetische Strahlung emittiert oder absorbiert.

Was hat Niels Bohr hier gemacht? Zunächst hat er gesagt, dass die Tatsache, dass kreisende Ladungen elektromagnetische Wellen emittieren, für ganz bestimmte Bahnen des Elektrons um den Atomkern außer Kraft gesetzt ist. Nur auf diesen Bahnen halten sich die Elektronen auf, die ganzen anderen nach klassischen Gesetzen auch möglichen Bahnen, werden nicht besetzt. Die belegten Bahnen der Elektronen stellen Energiezustände dar, je nach dem, wo sich das Elektron befindet, trägt es eine bestimmte Energie. Wieso das so ist, wusste Niels Bohr selbst nicht, aber der Gedanke an sich ist verständlich.

Sein zweites Postulat ist schon etwas komplizierter. Niels Bohr meinte, Elektronen könnten auch zwischen den verschiedenen Bahnen, also den Energiezuständen hin und her springen. Dieser Sprung findet aber nicht kontinuierlich statt, das Elektron spaziert also nicht gemütlich von der einen Hülle in die andere, es ist wirklich ein plötzlicher Sprung ohne Zwischenschritte oder zeitliche Auflösung, ein Quantensprung.

Das Wort Quantensprung hat längst auch in der Alltagssprache Anwendung gefunden, nämlich wenn eine technologische Entwicklung in kurzer Zeit einen riesigen Schritt macht. Eigentlich wird die Bedeutung hier aber umgekehrt, denn der Sprung des Elektrons vom einen in den anderen Zustand ist ja gerade der kleinstmögliche Sprung, da es nichts zwischen zwei möglichen Energiezuständen gibt. Denkt also daran, euch diesen Gebrauch des Wortes Quantensprung abzugewöhnen.

Ein Elektron kann nun in einen höheren oder niedrigeren Energiezustand springen und dabei wird natürlich Energie frei oder aber Energie ist nötig, denn das Elektron kann die Energie für einen Aufstieg in einen höheren Zustand natürlich nichts aus dem nichts nehmen und bei einem Sprung in einen niedrigeren Zustand verschwindet die Energie auch nicht einfach.

Wenn ein Elektron auf einen niedrigen Zustand wechselt, dann wird Strahlung emittiert, also ausgesandt – so funktioniert beispielsweise ein Laser. Für einen Sprung auf einen höheren Zustand ist hingegen die Aufnahme von Strahlung nötig, dann befindet sich das Elektron in einem angeregten Zustand. Meist geht es danach aber zügig wieder in den Grundzustand über und emittiert dabei wieder Strahlung.

Damit lassen sich nun natürlich die Spektrallinien erklären: Eine Absorbtionslinie entsteht, wenn ein Elektron die Strahlung absorbiert und dadurch auf ein höheres Energieniveau springt. Eine Emissionslinie, das Gegenteil einer Absorbtionslinie entsteht bei Übergang von einem höheren in einen niedrigeren Energiezustand. Natürlich ist das alles noch ein bisschen komplizierter, Niels Bohr postulierte zum Beispiel, dass die belegten Elektronenbahnen diejenigen sind, auf denen der Bahndrehimpuls eines Elektrons ein Vielfaches einer minimalen Energiewirkung, des sogenannten Planckschen Wirkungsquantums, sind.

Bei hohen Energien wird das ganze dann doch noch kontinuierlich und alle denkbaren Energiezustände sind möglich. Zudem besteht ein ganz bestimmtes Verhältnis zwischen der Bindungsenergie des Elektrons und der Frequenz der emittierten oder absorbierten Strahlung – aber das alles würde jetzt zu weit führen, denn all diese Phänomene durchblickte auch Niels Bohr noch nicht, in vielerlei Hinsicht irrte er.

Wichtig ist vor allem eines: Niels Bohr führte die Quantenmechanik in die Atomphysik ein. Und das sowie seine Anschaulichkeit ist auch der Grund, aus dem sein Modell bis heute in Schulen gelehrt wird, obwohl die Vorstellung von Elektronenbahnen längst widerlegt ist. Das Bohrsche Atommodell war das erste, welches davon ausging, dass die Gesetze des klassischen Physik auf Atomebene nicht gelten, sondern die Gesetze der Quantenmechanik, in der Energie in Form von diskreten Schritten, sozusagen in einzelnen Paketen transportiert wird und nicht kontinuierlich.

Das Bohrsche Atommodell war jedoch nicht Niels Bohrs einzige Leistung, auch wenn er dafür 1922 den Nobelpreis für Physik erhielt. So stellte Niels Bohr als einer der ersten die Gültigkeit des Energieerhaltungssatzes, also der Tatsache, das Energie nicht verschwinden oder erzeugt werden kann, in Frage – die Gesetzte der Quantenmechanik könnten dies erlauben. Niels Bohr setzte viel mehr auf statistische Energieerhaltung.

Er meinte also, im Vakuum würden ständig Teilchen auftauchen und wieder verschwinden und somit unterliege es ständigen Energieänderungen. Je größer allerdings die aus dem nichts erzeugte Energie ist, desto schneller muss sie auch wieder verschwinden. Aus der absoluten Raumzeit Albert Einsteins, in der alles einen festgelegten Ort und eine festgelegte Zeit hat, wurde eine schwammige Welt der Wahrscheinlichkeiten.

Dieses Weltbild erhärtete sich, so wurde selbst Bohrs Atommodell noch weiterentwickelt, statt sich auf Bahnen um den Kern zu drehen, hatten die Elektronen später im Orbitalmodell nur noch bestimmte Aufenthaltswahrscheinlichkeiten. Zusammen mit Werner Heisenberg entwickelte Niels Bohr zudem die sogenannte Kopenhagener Deutung. Demnach ist der Zufall ein elementarer Bestandteil der Natur, es ist nicht möglich, bestimmte Größen, wie etwa den Aufenthaltsort eines Elektrons, sicher zu bestimmen oder vorherzusagen, denn das isolierte Elektron hat keinen bestimmten Aufenthaltsort.

Erst durch die Verschränkung mit seiner Umgebung (Niels Bohr beschränkte es fälschlicherweise auf eine Messung, den nächsten Schritt ging erst Dieter Zeh) verliert es seine Quanteneigenschaften, die Wellenfunktion, also dieser schwammige Quantenzustand kollabiert und das Elektron und „entscheidet“ sich für einen Ort – für welchen, das ist allerdings vollkommener Zufall und selbst prinzipiell nicht vorhersehbar. Oder wie Niels Bohr es selbst beschrieb:

„Nun bedeutet aber das Quantenpostulat, daß jede Beobachtung atomarer Phänomene eine nicht zu vernachlässigende Wechselwirkung mit dem Messungsmittel fordert, und daß also weder den Phänomenen noch dem Beobachtungsmittel eine selbständige physikalische Realität im gewöhnlichen Sinne zugeschrieben werden kann.“

Niels Bohr

Albert Einstein übrigens war entschiedener Gegner der Quanten-Überlegungen von Niels Bohr und der entscheidenden Rolle der Wahrscheinlichkeit im quantenmechanischen Weltbild. Er prägte sein berühmtes Motto: „Gott würfelt nicht!“. Niels Bohr antwortete ihm darauf: „Herr Einstein, schreiben Sie Gott nicht vor, was er zu tun hat„.

Niels Bohr war eine Persönlichkeit mit Haltung, er engagierte sich zum Beispiel während der Besatzung Dänemarks durch die Nazis im dänischen Widerstand und half bei der Rettung tausender dänischer Jüd*innen vor Deportationen in die deutschen Konzentrationslager, sein Vater entstammte selbst einer jüdischen Familie und er bat beim schwedischen König erfolgreich um Asyl für die verfolgten Jüd*innen in Dänemark. Am Bau der Atombombe in den USA beteiligte er sich nie, er leistete allerdings wichtige theoretische Vorarbeiten.

Gemeinsam mit John Wheeler entwickelte er die Forschungen von Otto Hahn und Fritz Straßmann weiter, denen als erstes die Kernspaltung gelang und ermöglichte die Energiegewinnung durch dieses Verfahren. Vater der Kernenergie zu sein, mag kein löblicher Titel sein, aber man muss auch die vielen positiven Anwendungsmöglichkeiten seiner Technologie bedenken, etwa in Raumsonden, zudem warnte er sogar in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen vor der missbräuchlichen Nutzung der Kernspaltung.

Bohrs Atommodell und überhaupt alle Atommodelle klingen natürlich schon etwas sehr infantil: Unsere Welt besteht aus kleinen bunten Kugeln, die kollidieren, wobei neue Kugeln entstehen und andere zerstört werden. Doch natürlich sind das alles eben nur Modelle, die es uns Menschen ermöglichen sollen, die Natur möglichst gut zu beschreiben – wie diese Natur wirklich aussieht, das können wir nicht erfassen und Niels Bohr war der Meinung, es sollte uns auch gar nicht interessieren, denn er war bekennender Rationalist.

Scherzhaft demonstrierte er dies dem theoretischen Physiker Wolfgang Pauli, den er zu sich einlud. Über Bohrs Tür hing ein Hufeisen, Pauli sah dies und fragte ihn darauf: „Professor! Sie? Ein Hufeisen? Glauben Sie denn daran?“ Niels Bohr soll darauf geantwortet haben: „Selbstverständlich nicht. Aber wissen Sie, Herr Pauli, es soll einem auch helfen, wenn man nicht daran glaubt“. Diese Aussage scheint ähnlich paradox wie die Quantenmechanik, an deren Entwicklung Niels Bohr entscheidend beteiligt war.

Als führender Atomphysiker war er auch an der Planung, Gründung und Benennung des Europäischen Kernforschungszentrums CERN beteiligt, das heute viele Kilometer große Teilchenbeschleuniger betreibt, die nun Dinge ergründen sollen, die sich Niels Bohr nicht einmal vorstellen konnte. Obwohl sein Atommodell nicht zuletzt dank solcher Experimente längst überholt ist, hat es sich kulturell fest gebrannt, auf Piktogrammen sind Atome fast immer nach dem Bohrschen Schema mit Elektronen auf bestimmten elliptischen Bahnen gezeichnet. Und das wir auch wohl trotz aller zukünftigen Erweiterungen im Atommodell so bleiben.

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