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Wie der Pleistozän-Park die Klimakrise zertrampeln will

Kalmücken-Rinder an einem verschneiten Wasserloch im Pleistozän-Park

Der Weltklimarat veröffentlicht am Montag seinen sechsten Sachstandsbericht – schon im Entwurf wurde ein extrem düsteres Bild der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gezeichnet, von einem deutlichen Anstieg mit der Klimakrise zusammenhängender Todesfälle und gar von der Möglichkeit eines Aussterbens der Menschheit ist die Rede. Indes sinken die Chance, die Pariser Klimaziele noch zu erreichen stetig. Ergänzend zur unbedingt notwendigen Einsparung von Treibhausgasen rücken deshalb auch immer mehr unkonventionelle Notfall-Strategien zur Eindämmung der Klimakrise in den Fokus – der Pleistozän-Park ist eine davon.

Im Jahr 19.000 v. Chr. war die Welt noch eine andere… Die die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre lag bei 190 ppm, der Meeresspiegel über einhundert Meter tiefer als heute und fremdartige Tiere durchzogen die verschneiten Steppen Südeuropas in einer Dichte und Vielfalt, die wir heute nur noch in Nationalparks finden – eine im wahrsten Sinne des Wortes erfrischende Abwechslung für die wärmeren Zeiten, die nun auf uns zukommen. Tatsächlich lebte es sich zu dieser Zeit, im Pleistozän, wohl ganz gut auf der Erde.

Das kühle Paradies aus grauer Vorzeit…

Die sogenannte Mammutsteppe war während der Eiszeit das größte Biotop der Erde – von Spanien bis Kanada, vom arktischen Meer bis China erstreckten sich über viele Klimazonen trockene, baumlose Gras- und Kräuterflächen mit einer Durchschnittstemperatur von -1°C und einem Jahresniederschlag von weniger als 1.000 Millimetern. Ihre genaue Zusammensetzung ist noch nicht vollständig rekonstruiert, aber sicherlich waren es hochproduktive Landschaften mit einer hundertfach höheren Artenvielfalt als die heutige Arktis. Einige Forscher*innen nennen die Mammutsteppe gar eine „Serengeti des Nordens“.

Mammuts im verschneiten Nordspanien des Pleistozäns
Quelle: Mauricio Antón, Ice age fauna of northern Spain – Mauricio Antón, schwarz-weiß, CC BY 2.5

Doch vor etwa 12.000 Jahren veränderte sich die Erde stark: Die Eiszeit ging zu Ende, es wurde wärmer, die Pegel stiegen und Eisschilde kollabierten in kürzester Zeit. Auf das Pleistozän folgte das wärmere Holozän und zu dem wärmeren Klima kam ein weiteres großes Problem für die eiszeitliche Tierwelt: Ein Problem mit dem Namen Homo Sapiens. In den vorherigen Jahrtausenden hatten wir uns über fast alle Erdteile ausgebreitet und alle konkurrierenden menschlichen Arten (etwa den Neandertaler) ausgerottet oder verdrängt – nun begann mit dem wärmeren, stabilen Klima des Holozäns die Blütezeit der Menschheit und die Ära der Zivilisation.

Die Klimakatastrophe vor 12.000 Jahren

Zunächst ging es den größeren Säugetieren an den Kragen: Mit fortschrittlichen Waffen und Werkzeugen, ausgeklügelter Kommunikation und einem großen Bedarf an Nahrung hatten die Tiere keine Chance gegen uns. In der sogenannten Quartären Aussterbewelle verschwanden in einem relativ kurzen Zeitraum alle größeren Tiere in Europa und Nordamerika: Das Mammut, der Riesenhirsch, der Steppenwisent, der Höhlenlöwe, der Europäischen Waldelefant, das Glyptodon und unzählige mehr.

Das war auch das Ende der Mammutsteppe, denn eine verhängnisvolle Verkettung von Umständen ereignete sich. Die im Pleistozän die Steppen besiedelnden Großtiere grasten die Flächen ab und zertrampelten Moose sowie Sträucher, sodass sie sich nie ausbreiten konnten und die Mammutsteppe intakt blieb. Doch mit ihrem Verschwinden durch den Menschen geschah genau das. Schon bald übernahmen Moose und Wälder, die sich über die ehemalige Mammutsteppe ausbreiteten. Der Nährstoffumsatz sank und auch die Produktivität, es wurde also weniger Biomasse produziert. In der Folge konnten die verbleibenden Tiere dort kaum noch den Winter überleben und die Bestände brachen vollends ein.

Population großer Säugetiere in Afrika, Nordamerika, Australien und Madagaskarvor und nach dem Auftauchen des Menschen
Mit der Invasion des Menschen brachen überall die Populationen großer Säugetiere zusammen.

Heute gibt es auf der Erde keine Mammutsteppen mehr – eine kleine Klimakatastrophe in grauer Vorzeit, deren Folgen wir noch heute spüren. Was wir für unberührte Natur halten, ist eigentlich nur der kümmerliche Rest der einstigen pleistozänen Landschaften. Dieser Verlust wiegt schwer, denn in der Mammutsteppe sind Nährstoffe viel schneller wieder ins Ökosystem eingeflossen, schließlich wurde die Biomasse schon bei der Verdauung durch Pflanzenfresser zersetzt – nun ist sie für lange Zeiträume in toten Pflanzen gespeichert, die langsam zersetzt werden. Der biologische Kreislauf in der Arktis läuft seit dem Massensterben am Ende des Pleistozäns in Zeitlupe…

Dünnes Eis…

Apropos Massensterben: Wir haben gerade schon wieder eins an der Backe, sogar eines, welches auf dem besten Weg ist zu den „Großen Fünf“ aufzuschließen, den fünf größten Massensterben der jüngeren Erdgeschichte – oder wie wir es in Watte verpackt nennen: Faunenwechseln. Der letzte große Faunenwechsel war derjenige, der unter anderem Dinosaurier auswechselte. Damals war es wohl ein Einschlag aus dem All, heute ist eine der Hauptursachen das wärmere Klima.

Innerhalb von nur etwas über einhundert Jahren ist die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre stärker gestiegen als in den vielen Jahrtausenden zwischen dem Höhepunkt der Eiszeit und dem Beginn der Industrialisierung: In der Eiszeit lag sie bei den erwähnten 190 ppm (Millionstel), im Laufe des Holozäns stieg sie auf 280 ppm vor dem Beginn der Industrialisierung, aktuell liegt sie jedoch schon bei 420 ppm und bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sie sich im schlimmsten Fall nochmal mehr als verdoppeln und dann bei 900 ppm liegen.

Damit verändert der Mensch auch die Landschaften der Erde in einem ganz neuem Umfang: Zwar dürfen sich in Savannen lebende Menschen vermutlich auf mehr Niederschlag freuen, gleichzeitig breiten sich aber Steppen und subtropische Klimazonen aus – letztere im Verlauf des 21. Jahrhunderts eventuell sogar bis nach Deutschland. Die heutigen Tundren wird es im Jahr 2100 hingegen kaum noch geben, lediglich in Grönland und der Antarktis, wo heute Eispanzer liegen.

Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen, denn die Böden der heutigen Tundren in Sibirien sind teilweise noch seit der letzten Eiszeit durchgehend gefroren, es handelt sich um permanenten Frost, der auch im Sommer nicht taut – sogenannten Permafrost. In diesen Böden sind große Mengen von Pflanzenresten gespeichert, die im gefrorenen Zustand nicht zersetzt werden können.

Wenn der Permafrost schmilzt, beginnt die Zersetzung allerdings und es kommt zur Freigabe von Treibhausgasen, vor allem Methan – ein aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehender Stoff, der trotz geringerer Verweildauer in der Atmosphäre auf ein Jahrhundert bezogen immer noch eine 28-mal höhere Treibhauswirkung entfaltet als Kohlendioxid. Im Holozän schwankte die Methankonzentration der Atmosphäre stets zwischen 600 und 700 ppb (Milliardstel), aktuell liegt sie bei über 1.800 ppb und ist für 16,4% der Globalen Erhitzung verantwortlich.

Tauender Permafrost
Tauender Permafrost in Sibirien

Doch noch immer ist mehr Methan in den Permafrostböden gespeichert als sich aktuell in der Atmosphäre befindet. Nun ist es allerdings so warm wie nie zuvor seit der Eiszeit, dementsprechend tauen auch erstmals seit vielen Jahrtausenden großflächig Permafrostflächen, dabei werden die gespeicherten Gase in die Atmosphäre freigesetzt. Die Realität übertrifft die schlimmsten Befürchtungen der Forscher*innen: Im Jahr 2019 hatte die Zerstörung der Permafrostböden bereits das Ausmaß angenommen, welches für 2090 vorhergesagt wurde.

Gefährlicher Dominoeffekt

Der Grund für dieses beschleunigte Auftauen ist eine heimtückische Rückkopplung, also ein Prozess, der sich selbst verstärkt. Die in die Atmosphäre gelangenden Treibhausgase erhitzen das Klima noch weiter und daraus resultierende Hitzewellen beschleunigen wiederum die Permafrost-Schmelze – ab einem gewissen Punkt ist dieser Kreislauf nicht mehr aufzuhalten, der Kipppunkt wurde dann überschritten, sodass der Permafrost auch weiter schmilzt, wenn wir keine weiteren Treibhausgase mehr emittieren.

Noch ist etwa ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel permanent gefroren, auch in Deutschland gibt es noch geringe Anteile davon, etwa auf der Zugspitze. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen sieht die zunehmende Permafrost-Schmelze allerdings schon jetzt als eines der größten Umweltprobleme der Menschheit. Die Menge gespeicherten Kohlenstoffs ist wirklich enorm: Sie wird auf 1.300 bis 1.600 Milliarden Tonnen geschätzt, was viel mehr ist als der gesamte Kohlenstoffgehalt der Atmosphäre. 15% davon könnten bis 2100 zusätzlich in die Atmosphäre entweichen. Das würde der Klimakrise erheblich Vorschub leisten.

Die Hauptregionen des Permafrosts erwärmen sich zu allem Überfluss auch noch überdurchschnittlich schnell: Allein zwischen 1990 und 2016 um bis zu vier Grad Celsius. Doch die Auswirkungen spielen sich nicht nur auf globaler Ebene ab, sondern auch auf regionaler: Siedlungen sind bedroht, da der Boden absinkt, die Infrastruktur aber in den Permafrost eingebaut worden ist, sodass es häufiger zu Unfällen kommt – die Ölpest in Norilsk während der dortigen Hitzewelle 2020 war beispielsweise eine Folge des aufweichenden Permafrosts. Auch eingeschlossene Giftstoffe wie Quecksilber können nun in Gewässer gelangen.

Selbst konservierte Krankheitserreger können zum Problem werden. 2016 kam es auf der sibirischen Jamal-Halbinsel zu einem Ausbruch von zuvor gefrorenen Milzbrand-Erregern aus auftauendem Permafrost, ein Junge starb daran, 70 Menschen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Die Rückkehr der Mammutsteppen

Wir verändern das Anlitz unseres Planeten und wenn wir weiterhin in diesem Ausmaß die Chemie unserer Atmosphäre verändern, wird die Erde im schlimmsten Fall schon gegen Ende des Jahrhunderts in etwa so viel wärmer sein wie sie in der Eiszeit kälter war. Die Arktis ist eine der wichtigsten Fronten im Kampf gegen die Klimakrise, das gesamte Weltklima wird dort beeinflusst – dementsprechend radikale Maßnahmen braucht es nun, um die Arktis zu schützen.

Bisons im Pleistozän-Park

Wieso die geologische Uhr nicht um ein paar Jahrtausende zurückdrehen und die produktiven Weidelandschaften kühlerer Zeiten zurückholen, so die Idee des Pleistozän-Parks. Aus der heutigen Tundra könnte man wieder die Mammutsteppe des Pleistozäns formen, wenn nur die richtigen Tiere dort angesiedelt werden – zurück in die Eiszeit, ein einzigartiges Experiment. Die Geschichte des Pleistozän-Parks begann 1988 als der Forscher Sergey Zimov versuchte, jakutische Pferde nahe seines Forschungszentrums anzusiedeln. Mit dem Ende der Sowjetunion war auch das Projekt erstmal beendet, doch 1996 übertrug Russland dem Pleistozän-Park dann offiziell ein Territorium, das später noch vergrößert wurde.

„Hinter dem Pleistozän-Park steht eine Idee: Wir können die Verschiebung innerhalb des Ökosystems umkehren, selbst wenn sie sich bereits vor über 10.000 Jahren ereignet hat.“

von der Website des Pleistozän-Parks

Dafür sollen pflanzenfressende Großtiere in einem Territorium der Tundra im Nordosten Russlands angesiedelt werden, dem Pleistozän-Park. Doch das Comeback der Mammutsteppe ist gar nicht so einfach, nicht nur, weil ihre Zusammensetzung durch Genanalysen aufwendig entschlüsselt werden muss. Das Klima ist heute ein ganz anderes als damals und viele Tiere, welche die Mammutsteppen früher erhalten haben, sind mittlerweile ausgestorben, wie etwa auch das Mammut selbst. Die Mammutsteppe 2.0 wird dafür von Rentieren, Wisenten, Yaks, Moschusochsen, Schafen, Kamelen, Bisons und weiteren Tieren des Holozäns bewohnt, die unter den rauen Bedingungen leben können. Der Effekt sollte allerdings ähnlich sein – und hochwirksam gegen die Klimakrise.

Kann das funktionieren?

Doch wie sollen Tiere im Pleistozän-Park die Klimakrise bekämpfen oder gar den Permafrost von seinem Kipppunkt fern halten? Zunächst einmal ließe sich ein Effekt, der in der Regel meist gegen uns arbeitet, umkehren, nämlich der Albedo-Effekt. Meistens beschleunigt er die Erhitzung, da Eisflächen abtauen und die darunter liegenden dunklen Schichten mehr Wärme speichern. Doch die Oberfläche der Mammutsteppe wäre deutlich heller als die der aktuellen Tundra, außerdem könnte Schnee länger liegen bleiben und Sonnenlicht direkt zurück ins All reflektieren – eine natürliche Klimaanlage für den Permafrost.

Ein weiterer Aspekt ist die sogenannte Evapotranspiration, ein komplizierter Begriff, der nichts anderes meint als die Verdunstung von Wasser aus Böden und Ökosystemen in die Atmosphäre. In den unproduktiven Tundren ist dieser Wert eher niedrig, Wasser verdunstet nur langsam und die Böden bleiben feucht – diese feuchten Böden geben allerdings auch große Mengen Methan in die Atmosphäre ab. Die trockeneren Mammutsteppen des Pleistozän-Parks reduzieren die Methanemissionen deutlich.

Nächster Punkt ist die Produktivität, Grasökosysteme können große Mengen von Kohlendioxid speichern und es über ihrer verzeigten Wurzeln nachhaltig in den Böden speichern. Selbst wenn es zu Waldbränden kommt, ist die Gefahr, dass dann schlagartig Treibhausgase entweichen, in einer Mammutsteppe viel geringer. Und letztlich können Tiere den Schnee durch Trampeln verdichten, sodass Wärme schlechter isoliert wird und die Böden im Pleistozän-Park kälter werden.

Pferd im Pleistozän-Park
Pferde verdichten Schnee und verschlechtern damit die Wärmeisolierung im Pleistozän-Park.

Die Antwort auf die Frage „Kann das funktionieren?“ lautet also: Definitiv! Die Mammutsteppe könnte ein hocheffizientes Mittel sein, um die Erhitzung lokal zu begrenzen, damit den Permafrost zu erhalten und die Welt vor einem raschen Anstieg der Methankonzentration zu bewahren. Doch funktioniert es auch in der Praxis?

Messbare Effekte im Pleistozän-Park

In der zwei Jahrzehnte währenden Existenz des Pleistozän-Parks hat sich die Landschaft dort bereits erheblich verändert, es ist wie eine ganz andere Welt, in der die Eiszeit nie geendet hat. Doch letztlich zählt, wie viel Kohlenstoff durch den Pleistozän-Park nicht in die Atmosphäre gelangt und wie der Permafrost darauf reagiert.

Die allgemeinen Daten zum Permafrost stimmen wenig optimistisch: Das Auftauen setzt sich global bisher ungebremst fort, die Arktis erwärmte sich neuen Ergebnissen zufolge seit 1971 dreimal schneller als der Rest der Welt. Doch zumindest die Daten aus dem Pleistozän-Park selbst können sich sehen lassen…

Die Kohlendioxidbilanz des Ökosystems hat sich bisher kaum verändert, die zusätzliche Absorption der neuen Vegetation wurde durch zusätzliche Freisetzung von Mikrolebewesen im Boden ausgeglichen. Allerdings hat sich der Methanhaushalt deutlich verbessert, da genau der vorhergesagte Effekt eingetreten ist: Die Evapotranspiration stieg, die Böden sind trockener geworden, sodass die Emissionen stellenweise um die Hälfte gesunken sind.

Auch ein direkter Einfluss auf den Permafrost lässt sich nachweisen, er taut an von Großtieren beweideten Flächen deutlich weniger tief auf und tatsächlich enthält der Boden auch mehr Kohlenstoff. Selbstverständlich sollte man stets vorsichtig mit Schlussfolgerungen sein, schließlich könnte ein erhöhter Kohlenstoffgehalt auch darauf hindeuten, dass die Tiere einfach zusätzlichen Kohlenstoff in den Boden bringen – aber vielleicht halten sie auch tatsächlich den bereits gebundenen Kohlenstoff im Boden.

Moschusochsen im Pleistozän-Park
Moschusochsen im Schnee des Pleistozän-Parks

Das alles sind natürlich nur Ergebnisse aus einem kleinen Areal der neuen Mammutsteppe im Pleistozän-Park und selbst der Zeitraum bisheriger Messungen ist nichts als ein geologischer Wimpernschlag, doch die Daten sind definitiv vielversprechend. Bleibt die Frage nach den Risiken – und dem tatsächlichen Potential im Kampf gegen die Klimakrise.

Können Mammutsteppen das Klima retten?

Ein Wettlauf gegen die Erderhitzung ist ein Wettlauf, der kaum zu gewinnen ist: Ohne flächendeckende Beweidung würde die Permafrost-Schmelze weiter Fahrt aufnehmen, sodass am Ende des Jahrhunderts nur noch ungefähr die Hälfte der heutigen Permafrostflächen erhalten sein wird und diese werden dann noch deutlich wärmer sein als heute, nämlich etwa 3,8°C. Klimaschutzmaßnahmen können dies bis zu einem gewissen Punkt stoppen, sofern sie rechtzeitig ergriffen werden.

Was aber, wenn wir die gesamte Arktis wieder in eine Graslandschaft verwandeln und große Pflanzenfresser in dem Maße ansiedeln könnten wie es im Pleistozän-Park getan wird? Die Erwärmung würde auf 2,1°C reduziert und ein großer Teil des Permafrosts bliebe erhalten, vermutlich etwa 80%. Dies würde die Erde mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einem tödlichen Dominoeffekt bewahren, zumindest was den Permafrost angeht – ergreifen wir zudem noch ernsthafte Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion, ließe sich sogar noch mehr retten.

Das werden wir allerdings auch mit Mammutsteppen tun müssen, schließlich ist der Permafrost nur ein Kippelement von vielen, wenn auch ein außerordentlich wichtiges. Die Simulationen zeigen jedoch: Das Experiment hat Potential und erste Messungen bestätigen das. Die Bodentemperaturen im Pleistozän-Park liegen auf das Jahr gemittelt schon jetzt 1,9°C niedriger als im Rest dieser Region.

Dennoch klingt das Umgestalten einer ganzen Landschaft nach einem sehr großen und vor allem nicht reversiblen Eingriff in die Natur, bringen Kritiker*innen vor. Die Ansiedlung fremder Tiere kann beispielsweise leicht außer Kontrolle geraten. Doch vergessen wir nicht folgendes: Unser alltägliches Leben ist bereits das größte, folgenschwerste und ebenfalls irreversible Experiment, welches wir mit der Natur je angestellt haben und es begann bereits vor Jahrtausenden, indem wir die Mammutsteppe in eine Tundra verwandelt haben – wir machen lediglich das rückgängig, was wir zuvor von der Natur entfremdet haben.

Ja, das Experiment mag waghalsig klingen, aber in der Geschichte waren wir Menschen eigentlich immer wieder recht gut darin, uns als Reaktion auf äußeren Druck zu verändern und dabei auch alte Ideen über Bord zu werfen sowie uns auf Neues einzulassen. Mit diesem Ansatz waren wir außerordentlich erfolgreich, wieso jetzt damit aufhören, gerade wenn der Veränderungsdruck so hoch ist wie seit langem nicht mehr? Es ist selten zu spät, Fehler zu korrigieren, das ist die Kernaussage des Pleistozän-Parks. Auch solche, die man vor über 10.000 Jahren gemacht hat…

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