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Herman Potočnik

Herman Potočnik

Raumfahrt ist gewissermaßen zur Routine geworden: Seit der Jahrtausendwende ist die Internationale Raumstation permanent von Menschen besetzt, wir haben uns an Raketenstarts, Bilder von essenden, schlafenden und schwebenden Astronaut*innen gewöhnt – mittlerweile fliegen sogar Privatpersonen ins All. Doch dem war nicht immer so: Die Raumfahrt begann als Traum unbeachteter Pionier*innen, die nicht selten als Phantast*innen betrachtet wurden und sich in privaten Organisationen trafen – Pioniere wie Herman Potočnik.

Steckbrief: Herman Potočnik

Vollständiger Name: Herman(n) Potočnik (Pseudonym: Hermann Noordung)

Geboren: 22.Dezember 1892 in Pula

Gestorben: 27.August 1929 in Wien

Berufsfeld: Raumfahrt

Werke: Das Problem der Befahrung des Weltraums: der Raketen-Motor

Ehrungen: Namenvorschlag für die ISS; Straßennamen in Ljubljana und Pula; Symposium über ihn an der University of Maribor; Benennung des Hauptgürtel-Asteroiden (19612) Noordung; Überlegungen zum Bau einer Statue von Potočnik in Pula; Herman Potočnik Noordung Memorial Centre (HPNMC) in Vitanje; Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien nach Potočniks Raumstation designed, Sonderbriefmarke der Österreichischen Post anlässlich seines 100.Geburtstags

Lebenslauf

1892: Geburt in Pula

1894: Tod von Potočniks Vater

1910: Beginn eines Studiums an der Technischen Militärakademie

1913: Abschluss des Studiums im Rang eines Ingenieurs und Unterleutnants

1915: Beförderung zum Oberleutnanten

1919: Versetzung in den Ruhestand wegen einer Tuberkulose

1925: Beginn als Ingenieur auf dem Gebiet der Raketen- und Raumfahrttechnik

1928: Veröffentlichung von Das Problem der Befahrung des Weltraums: der Raketen-Motor

1929: Tod in Wien an einer Lungenentzündung und völlig verarmt

Zitate

„Doch der Zweck der vorliegenden Betrachtungen ist auch nicht der, glaubhaft machen zu wollen, dass man schon morgen wird zu fremden Himmelskörpern reisen können. Es soll damit nur versucht sein zu zeigen, dass die Befahrung des Weltraums nicht mehr als etwas für den Menschen Unmögliches angesehen werden darf, sondern ein Problem darstellt, welches sehr wohl technisch gelöst werden kann und – ein Problem, das all die Hindernisse, die seiner endgültigen Bemeisterung auch noch im Wege stehen mögen, nur nichtig erscheinen lassen muss ob der überwältigenden Großartigkeit des dabei Erstrebten.“

Herman Potočnik

„Die Besiegung des Raums! Es wäre die grandioseste aller erträumbarer Leistungen.“

Herman Potočnik

„Seit altersher hat der Mensch in der Tatsache, an die Erde gebunden zu sein, in der Unfähigkeit, sich von den geheimnisvollen Fesseln der Schwere befreien zu können, einen Ausdruck seiner irdischen Schwäche und Unzulänglichkeit erblickt.“

Herman Potočnik

Lebenswerk

Es war wirklich außerordentlich schwierig, eine*n wegweisende*n Raumfahrtvisionär*in zu finden, die*der kein Nazi war – denn leider war die Raumfahrt in ihrer Anfangsphase sehr militärisch geprägt – so wird das erste Vordringen der Menschheit in den Weltraum leider immer im Zeichen einer von den Nazis entwickelten Rakete stehen, die tausende Menschenleben auslöschte.

Doch natürlich haben sich nicht nur die Menschen im nationalsozialistischen Deutschland Gedanken über die Kolonisierung des Weltraums gemacht, sondern auch Menschen an ganz anderen Orten auf der Welt und auch zu anderen Zeiten – da gab es zum Beispiel den sowjetischen Erfinder Konstantin Ziolkowski, der die Visionen seiner Vorgänger als aller erster mit konkreten mathematischen Berechnungen und physikalischen Gesetzen unterlegte. Doch es gibt auch eine weitere viel unbekanntere Person, deren Beiträge ebenfalls nicht zu unterschätzen sind. Herman Potočnik ist ein Beispiel dafür.

Zu den Überlegungen zu Raketen, Flüge zum Mond und zu anderen Himmelskörpern, die zu seiner Zeit kursierten, fügte Herman Potočnik ein ganz neues Konzept hinzu, das selbst optimistischeren Wissenschaftler*innen zu dieser Zeit sehr weit hergeholt und absolut utopisch erschien: Die Raumstation.

Bei einer Raumstation handelt es sich um ein Objekt, das sich dauerhaft im Orbit eines Himmelskörpers befindet und über Monate von verschiedenen Besatzungen bewohnt werden kann, die dort leben und arbeiten. Das erste realistische Konzept einer Raumstation, bzw. einer Raumwarte, wie er es nannte, schilderte Herman Potočnik in seinem Buch Das Problem der Befahrung des Weltraums – der Raketenmotor, das übrigens kostenlos im Internet zur Verfügung steht.

Vorher geht Potočnik jedoch auf den gegenwärtigen Stand der Raumfahrt ein und der war – im Jahr 1928 – ziemlich mies. Kein Mensch hatte sich bis dahin weiter als 12.000 Meter vom Boden entfernt, dies war durch Ballone möglich. Im Flugzeug schafften es Menschen bis dahin auf eine Höhe 11.800 Metern und Bergsteiger*innen auf dem Mount Everest immerhin auf 8.800 Meter.

Ballons ohne Besatzung konnten bereits in eine Höhe von 35.000 Metern vordringen, dort zerplatzen sie jedoch aufgrund des niedrigen Luftdrucks. Die größte erreichte Höhe waren etwa 40.000 Meter durch im ersten Weltkrieg entwickelte Geschosse. Doch selbst diese schafften nicht einmal die Hälfte des Wegs bis in den Weltraum.

Diese Beispiele zeigten für Herman Potočnik viele Probleme: Zum einen sinkt der Luftdruck exponentiell, in noch viel größeren Höhen gibt es also praktisch keine Atemluft mehr – von fremden Himmelskörpern ganz zu Schweigen.

Zweitens stellte man sich den Weg ins All zu Potočniks Zeiten weniger mit Raketen als mit einer Weltraumkanone vor, die Geschosse so stark beschleunigt, dass sie nicht auf die Erde zurückfallen. Diese damals etablierte Idee zerriss Herman Potočnik jedoch in der Luft: Ein solches Geschoss müsse die zum Verlassen der Erde notwendige Geschwindigkeit von Anfang an erreichen, weil es danach ja nicht mehr beschleunigt wird.

Das bedeutet, es müsse in einem kurzen Moment eine unglaubliche Beschleunigung erfahren. Nicht nur, dass es zu Potočniks Zeit keinen Kraftstoff gab, der auch nur ansatzweise stark genug wäre, die gesamte Nutzlast des Geschosses wäre zudem bereits nach der ersten Sekunde Matsch.

Herman Potočnik setzte stattdessen, wie bereits im Untertitel seines Buches zu erkennen, auf den Raketenmotor, der die Rakete während des Flugs beschleunigt, sodass die nötige Geschwindigkeit langsam aufgebaut werden kann. Plötzlich wird die Höhe zum Vorteil: Je höher die Rakete steigt, desto geringer wird der Luftwiderstand und desto geringer wird die Gravitation, mit der die Erde das Geschoss noch nach unten zieht.

Hinzu kommt dann noch die Fliehkraft, die durch die Rotation der Erde entsteht und der Gravitation entgegenwirkt. Irgendwann heben sich die Fliehkraft und die Gravitation genau auf – das Geschoss fällt dann sozusagen um die Erde. Dies führt zu einem für die damalige Zeit unglaublichen Schluss: Die potentiellen Bewohner einer Raumwarte wären schwerelos und könnten völlig unbeschwert schweben.

Hier begann nun jedoch Potočniks Konzept. Für ihn war es nicht der Zweck der Raumfahrt, ein paar Menschen einmal um die Erde kreisen zu lassen oder sie gar nur kurz in den Weltraum zu schießen, er wollte die Möglichkeit schaffen, dass Menschen im Weltall leben – dass der Weltraum zu einem Ort wird, an dem Menschen arbeiten, essen, trinken und schlafen so wie auf der Erde. Das ist unter den Bedingungen der Mikrogravitation, also der annähernden Schwerelosigkeit jedoch schwierig, dachte sich Herman Potočnik.

Er meinte zwar, dass Menschen in der Schwerelosigkeit zwar nicht sofort sterben würden (was sich ja auch damals schon anhand des freien Falls sehen ließ), vermutete jedoch, dass dieser Zustand über längere Zeit negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper hätte – schließlich ist er für ein Leben auf der Erde optimiert. Auch hier sei ein Überleben wahrscheinlich prinzipiell möglich, denn kein lebenswichtiger Vorgang ist von der Schwere abhängig, doch die Muskeln würden in der Schwerelosigkeit kaum noch gebraucht und sich daher wahrscheinlich zurückbilden.

Außerdem sagte Herman Potočnik als erster eine Art Weltraumkrankheit voraus, da das Gleichgewichtsorgan gestört würde. Dies hätte womöglich schwerwiegende psychische und physische Folgen, meinte Herman Potočnik. Schließlich war den Menschen der Zustand der Schwerelosigkeit bis dahin nur vom Fallen bekannt und es ist sicherlich zunächst ein angsterfüllter Zustand, dauerhaft zu fallen – es würde vermutlich dauern, bis die Astronaut*innen sich daran gewöhnen könnten.

Hier hören die Probleme nicht auf: Menschen müssten sich neue Fortbewegungsarten ausdenken, denn ohne Schwerkraft gibt es kaum Reibung zwischen Fußsohlen und Boden und somit auch keine Kraftübertragung. „Gehen“ im All sei daher unmöglich, meinte Herman Potočnik. Man könne sich von einer Wand abstoßen, doch darf dies keinesfalls zu schnell tun. Ohne Reibung gibt es nichts, was den Körper bremst, er trifft also mit derselben Geschwindigkeit auf die gegenüberliegende Wand auf mit der er sich abstößt. Potočnik sah also, dass der Weltraum eigentlich kein lebensfreundlicher und äußert gewöhnungsbedürftiger Ort für Menschen ist.

Tatsächlich ist die Lage insgesamt sogar noch etwas problematischer als Herman Potočnik vermutete und wissen konnte. So gibt es etwa die kosmische Strahlung und die Sonnenstürme, die bei Astronaut*innen die Krebswahrscheinlichkeit erhöhen, der Aufenthalt im All bringt den Flüssigkeitshaushalt durcheinander, führt zu Kalziumverlust in den Knochen und senkt auch die Menge des zirkulierenden Bluts.

Ziel der von Potočnik entworfenen und detailliert beschriebenen Raumwarte war es nun, möglichst viele der damals bekannten Hürden für die Eroberung des Weltraums zu überwinden und ihren Bewohner*innen einen möglichst angenehmen Alltag zu ermöglichen. Zu Fortbewegung seien etwa Griffel und Schlingen an den Wänden der Raumwarte eine Möglichkeit wie man sie aus Straßenbahnen kennt. Sie könnten dazu dienen, Neulingen bei der Fortbewegung im Weltall zu helfen. Außerdem könnten die Wände gepolstert sein, sodass auch das Abstoßen nicht zu (Zitat) „schmerzlichen Beulen“ führt. Gegenstände sollten generell nicht lose herumschweben, sondern immer befestigt sein.

Insgesamt sollte Potočniks Raumwarte aus drei Teilen bestehen:

Das Wohnrad

Das Wohnrad ist der bewohnte Teil von Potočniks Raumstation, hier sollen etwa ein dutzend Menschen leben, arbeiten und forschen. Dabei ist die radähnliche Struktur nicht zufällig, denn das Wohnrad soll sich drehen und dadurch eine künstliche Gravitation erzeugen. Das lässt sich mit einer sich drehenden Waschmaschine vergleichen, in der die Kleidung durch Fliehkraft an die Wand gedrückt wird.

An den Rändern des Wohnrads herrscht die größte Gravitationswirkung, sie sollte mit der irdischen vergleichbar sein. In weiter innen liegenden Räumen nimmt diese jedoch ab und in der Mitte herrscht Schwerelosigkeit – hier sind dann alle Räume gepolstert und mit den bereits erwähnten Schlingen versehen. Die gewöhnlichen Aufenthalts- und Arbeitsräume sollen jedoch möglichst weit außen liegen, Kabel und Luftschleuse möglichst weit innen, bzw. in der Mitte. Insgesamt muss sich das Rad mit einem Durchmesser von 30 Metern einmal in acht Sekunden drehen, um die irdische Schwerkraft zu simulieren.

Die vorgesehen Räume ähneln einem Kreuzfahrtschiff oder aber auch einer normalen Wohnung: Es soll Schlafzimmer, Arbeits- und Studierzimmer, eine Küche, eine Waschküche und ein Badezimmer mit Warm- und Kaltwasseranschluss geben. Außerdem sind Laboratorien, ein Dunkelraum und ein großer Speisesaal vorgesehen. Der einzige Unterschied ist, dass parallel zueinander ausgerichtete Gegenstände plötzlich schräg stünden, da die Anziehungskraft natürlich immer zur gekrümmten Außenwand in wirken würde. Eine gefüllte Badewanne hätte beispielsweise eine gekrümmte Wasseroberfläche.

Zudem wäre ein Mensch der Mitte des Wohnrads mit seinen Füßen stets näher als mit seinem Kopf, auf den Kopf würde also eine größere Fliehkraft wirken und er würde sich auch schneller bewegen. Besonders letzteres wäre bei auf/abwärts-Bewegungen vermutlich spürbar. Ein schwerwiegendes Problem wäre es jedoch nicht, bei einem Durchmesser des Wohnrads von 30 Metern würden die Füße nur etwa ein um etwa ein Neuntel geringeres Drehmoment erfahren als der Kopf.

beruehmte-wissenschaftlerinnen | Herman Potočnik | herman potocnik

Innerhalb des Wohnrads soll zudem eine Treppe verlaufen, welche die gegenüberliegenden Seiten miteinander verbindet, auch ein elektrischer Aufzug in einem eigens dafür konstruierten Rohrschacht soll installiert werden.

Das Kraftwerk

Das klingt nun alles sehr abgehoben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Doch natürlich müssten die Raumfahrer*innen der Raumwarte auch ganz irdische Probleme bewältigen. Es muss Strom erzeugt werden, es muss eine Wasserversorgung geben und auch sanitäre Einrichtungen. Zusätzlich benötigt es auch eine Sauerstoffzufuhr. Dabei hat Herman Potočnik eine sehr wichtige Sache erkannt: Eine Raumstation muss möglichst autark sein. Da jeder Versorgungsflug teuer ist, muss möglichst viel wiederverwertet und wiederaufbereitet werden. Die gesamte Raumwarte muss ein Kreislauf sein.

Eine Belüftungsanlage soll die Luft stets in die Räume leiten, in der sie gebraucht wird und sie dabei zudem reinigen, auffrischen und auch erwärmen, wodurch die Belüftungsanlage gleichzeitig als Heizung dient. Die für das Heizen nötige Temperatur wird direkt durch die Sonnenstrahlung erreicht, überflüssige Wärme soll in den Weltraum ausgestrahlt werden.

Kern des gesamten Energiehaushaltes der Raumwarte soll jedoch das „Sonnenkraftwerk“ sein. Das ist nicht vergleichbar mit den modernen Sonnenkraftwerken, die etwa auch auf der Internationalen Raumstation installiert sind, denn auf dem Photoeffekt basierenden Solarzellen wurden erst 1953 erfunden. Stattdessen funktioniert Potočniks Sonnenkraftwerk ganz klassisch durch eine Flüssigkeit, die verdampft wird und eine Turbine antreibt. Als Hitzequelle wird direkt die Sonnenstrahlung genutzt und um möglichst viel davon zu absorbieren, ist das gesamte Kraftwerk mattschwarz gefärbt.

Als Flüssigkeit soll jedoch nicht Wasser dienen, wie es bei irdischen Dampfkraftwerken der Fall ist, sondern Stickstoff. Der hat den Vorteil, dass er bereits bei viel niedrigeren Temperaturen gasförmig wird und somit erlaubt, dass die Temperatur des Kondensators niedrig gehalten wird und die Wärme effektiv ins All entweichen kann – zudem ist Stickstoff Teil der Atemluft und kann im Fall eines Unfalls somit problemlos ins Wohnrad eindringen.

Das für die Erhitzung nötige Sonnenlicht wird durch einen großen Spiegel gesammelt, der auch beliebig vergrößert werden kann. Ein Ausbau von Potočniks Sonnenkraftwerk ist daher jederzeit möglich.

Das Observatorium

Während im Wohnrad der Komfort wichtig ist, steht in Kraftwerk und auch im Observatorium die Funktionalität, die Erfüllung der vorgesehen Funktionen im Fokus. Auch wenn sich die Raumfahrer*innen also vorübergehend für Forschungen oder Wartungen im Observatorium befinden könnten, wird dort auf die Herstellung einer künstlichen Gravitation verzichtet. Wichtiger ist es, dass jede für vor vorzunehmenden Beobachtungen nötige Lage im Raum erreicht werden kann, auch unabhängig vom Stand der Sonne.

Das bedeutet, dass die Belüftung und Versorgung des Observatoriums nicht von den sonnenbetriebenen Einrichtungen abhängig ist, sondern von einem separaten Maschinenhaus geschieht. Dieses Maschinenhaus ist durch eine biegsame Rohrleitung mit dem Observatorium verbunden und enthält eine Speicherbatterie und den Hauptteil des Sonnenkraftwerks. Auch die Belüftungsanlage für das Observatorium und eine Funkstation sind dort ansässig. Es befindet sich sozusagen in der Mitte des Sammelspiegels.

Grundsätzlich hat das Observatorium die Form eines Kessels und enthält natürlich auch die nötigen Beobachtungsinstrumente und ein Laboratorium. Essen und Getränke der Forscher*innen müssen aus dem Wohnrad mitgenommen und dem schwerelosen Zustand gerecht präpariert werden. Die Kommunikation des Observatoriums mit den anderen Teilen der Raumwarte sah Potočnik durch Lichtsignale, Drähte oder lokale Funkstationen vor. Er führte aber auch eine Alternative aus, die Raumwarte nur in zwei Objekte aufzuteilen, in der Kraftwerk und Maschinenhaus mit dem Wohnrad vereint werden.

beruehmte-wissenschaftlerinnen | Herman Potočnik | 800px Noordung space station

Selbst in dieser Version müssten die Astronauten jedoch hin und wieder zwischen den Modulen pendeln und überhaupt müssten sie auch außerhalb der Raumstation arbeiten. Im Wohnrad und auch allen anderen Einrichtungen herrscht ein ähnlicher Luftdruck wie auf der Erde, doch Potočnik stieß bei der Entwicklung einer Raumstation natürlich auf das Problem, einen Anzug zu entwickeln, mit denen Astronaut*innen diese auch verlassen können – einen Raumanzug.

Sein Entwurf basiert auf damaligen Gas- und Taucheranzügen, denn wie auch diese muss ein Raumanzug natürlich luftdicht sein, damit es nicht zum Druckverlust kommt. Allerdings sind auch zusätzliche Eigenschaften nötig, besonders Zugfestigkeit. Das liegt zum einen daran, dass die Außenhaut des Anzugs auch bei den extrem tiefen Temperaturen des Weltalls nicht spröde und rissig werden darf und zum anderen daran, dass im Raumanzug ein Überdruck herrscht, der von Innen gegen die Hülle drückt.

Für Potočnik kam als Material daher nur Metall, bzw. eine Beschichtung aus Metall in Frage oder aber ein noch unbekannter sehr glatter, heller und unempfindlicher Stoff. Er bevorzugte allerdings die Version des vollständig metallischen Anzugs, den er zudem mit einer miniaturisierten Funkstation zur Kommunikation versehen wollte. Ebenfalls eingebaut sollte ein Alarm sein, über den ein Rettungsruf abgesetzt wird, sollten die Astronaut*innen in den Weltraum entfliehen. Außerdem soll ein kleiner Rückstoßantrieb in den Anzug eingebaut werden.

Potočniks Überlegungen gingen jedoch noch weiter, er beschäftigte sich auch damit wie die von ihm entworfene Raumwarte zu erreichen wäre. Sie sollte die Erde im sogenannten geostationären Umlaufbahn in einer Entfernung von etwa 36.000 Kilometern auf dem Meridian von Berlin und auf der Höhe von Kameruns Südspitze umkreisen. In dieser Entfernung entspricht die Umlaufzeit der Raumwarte um die Erde exakt 24 Stunden, also der Umlaufzeit der Erde selbst. Aus der Perspektive eines Punkts auf der Erdoberfläche steht die Raumwarte also immer an derselben Stelle des Nachthimmels.

Die lange Reise zeichnet Potočnik in seinem Buch präzise nach: Vom Einsteigen in das Raumschiff über den Flug in einer Hängematte bis zum Aufsetzen der Raumanzüge und dem schwerelosen Gleiten der letzten Meter bis zur Raumwarte – Kopplungsmanöver im All hielt Potočnik für nicht machbar. Die Rückreise hingegen funktioniert mit Tragflächen, das Raumschiff landet also wie ein Flugzeug. Damit griff Potočnik beinahe das Space Shuttle um mehr als ein halbes Jahrhundert vorweg. Und nicht nur das: Wie auch die Apollo-, Dragon– oder Orion-Kapseln landete Potočniks hypothetisches Raumschiff im Meer.

Das alles klingt schon recht plausibel und wenn man Potočniks mit zahlreichen Berechnungen und Illustrationen unterlegtes Werk einmal betrachtet, dann erhärtet sich dieser Eindruck. Allerdings wird auch klar wie unglaublich aufwendig, riskant und teuer dieses Unterfangen wäre – zu Potočniks Zeit noch viel mehr als heute. Welchen Zweck sollte es also haben? Potočnik erwähnte dort einige:

  • Physikalische und chemische Experimente unter den Bedingungen des Weltraums, etwa in Schwerelosigkeit oder extrem niedrigen Temperaturen
  • Atmosphärenforschung, etwa zu den Polarlichtern, die zu Potočniks Zeit noch nicht final erklärt werden konnten
  • Die Montage riesiger, eventuell kilometergroßer Teleskope, diese wären dann durch die fehlende Luft unglaublich leistungsstark
  • Erdbeobachtung – damals gab es noch gänzlich unbekannte Länder, die entdeckt und kartografiert werden könnten
  • Kontakt und Kommunikation mit Forschungsexpeditionen auf der Erde
  • Überwachung von Seefahrtlinien und Warnung vor Eisbergen
  • Erforschung der anderen Himmelskörper des Sonnensystems und Vorbereitung weiterer Weltraummissionen
  • Beobachtung anderer Sternensysteme, um Rückschlüsse auf unser eigenes zu ziehen
  • Bau riesiger Spiegel zur energiesparenden Beleuchtung von Städten und Erwärmung der Polargebiete

Jenseits von all diesen Anwendungsmöglichkeiten, die Potočnik erwähnte und von denen einige sicherlich nicht mehr zeitgemäß sind, machte er sich jedoch auch kritische Gedanken. Er meinte, die Raumwarte könnte als Waffe eingesetzt werden, die „alles Dagewesene an Furchtbarkeit übertrifft“. Mittels bereits erwähnter Spiegel von einem Durchmesser einiger hunderter oder tausender Meter ließe sich das Sonnenlicht so stark bündeln, dass selbst Stahl am Boden schmelzen und feuerfeste Stoffe zerstört würden. Armeen, Schiffe, ganze Städte könnten per Knopfdruck verkohlt werden.

Letztlich ist für Potočnik allerdings auch klar, dass es nicht einziger Zweck der Raumfahrt sein kann, ein dutzend Menschen in einer kleinen Raumstation um die Erde kreisen zu lassen, obwohl natürlich auch das damals eine überragende Leistung gewesen wäre. Aber Potočnik sieht die Raumwarte auch als Umschlagpunkt für Flüge tiefer ins All und besonders als Treibstofflager. Das wäre möglich, wenn man den Treibstoff von der Erde zur Raumwarte transportieren würde – nur so könnte man genügend Treibstoff tanken, um beispielsweise zum Mars und zurück zu fliegen.

Noch besser aber, so meint Potočnik, wäre es, den Treibstoff auf dem Mond zu gewinnen und von dort aus zur Raumwarte zu transportieren. Auf dem Mond gibt es genügend Wasser, um es in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten – die Hauptbestandteile von Raketentreibstoff. Da der Mond eine viel geringere Anziehungskraft hat, ist es viel einfacher und günstiger, den Treibstoffen von dessen Oberfläche zu starten als von der Erdoberfläche.

Für Potočnik war die Raumwarte also auch der Schlüssel für die Erreichbarkeit der benachbarten Himmelskörper. Ein Start von der Raumwarte statt von der Erde würde die benötigte Masse des Raumschiffs tatsächlich deutlich verringern. Potočnik unterlegte das mit mathematischen Berechnungen und gab die Reisezeiten sowie die Masse des Raumschiffs bei zwei Passagieren und der für sie nötigen Ausrüstung an.

FlugMasse des Raumschiffs
Venuslandung1.350 t
Marslandung624 t
Venus-Mars-Rundflug144 t
Mondlandung12 t

Außerdem gab er auch die Flugzeiten zu den benachbarten Himmelskörpern an, die zuvor schon der Raumfahrtpionier Walter Hohmann berechnet hatte. Das sind tatsächlich noch genau die Flugbahnen, die noch heute meistens genutzt werden, wenn Raumsonden zur Venus oder zum Mars geschickt werden.

FlugFlugzeit
Venus-Vorbeiflug146 d
Venus-Landung2,25 y
Mars-Vorbeiflug235 d
Venus-Mars-Rundflug1,5 y

Und wie sind wir mit den kriegerischen Anwendungen verblieben? Nachdem die Raumfahrt im zweiten Weltkrieg hauptsächlich von militärischen Anwendungen geprägt wurde, konnte der Weltraum danach hauptsächlich friedlich genutzt werden. Es gab zwar einige Antisatellitenwaffen, Aufklärungssatelliten und natürlich große Prestigeprojekte, aber zu einer Nutzung von Weltraumwaffen zur Zerstörung von Zielen auf der Erde kam es glücklicherweise nie.

Dafür wurden andere von Potočniks Ideen weiterentwickelt. Die große rotierende Raumstation, für die Wernher von Braun bekannt wurde, basiert etwa eindeutig auf Potočniks Entwurf. Von Brauns 1952 publizierte Raumstation ist lediglich modifiziert und deutlich vergrößert. Tatsächlich ist diese Idee auch heute noch aktuell. So plant etwa die Gateway Foundation langfristig eine riesige rotierende Raumstation mit einer Besatzung von 1.250 Menschen, auf der sowohl die Gravitation des Mondes als auch die des Mars simuliert werden kann.

beruehmte-wissenschaftlerinnen | Herman Potočnik | herman potocnik 4

Wir wissen also nicht, wann tatsächlich Raumstationen mit künstlicher Gravitation um die Erde kreisen oder Nautilus-X Menschen zu fremden Welten bringt. Aber wir wissen, dass es heute eine Raumstation gibt, die dreimal so groß ist wie Potočniks Wohnrad. Wir wissen auch, dass heute hunderte Satelliten im geostationären Orbit kreisen, durch die wir ständig über das Weltgeschehen auf dem Laufen sind, das Wetter vorhersagen oder uns mit jedem Menschen auf der Welt in Kontakt setzen können. All das, wofür Potočnik noch ausgelacht wurde, ist heute Teil unseres Alltags: Ein Beweis dafür, dass wir Menschen alles schaffen können, wenn wir es nur genug wollen.

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