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Supercomputer CASE soll künftig Raumbasen steuern

Bild von HAL 9000

Forscher*innen entwickeln derzeit einen Supercomputer namens CASE, er soll durch eine Künstliche Intelligenz zukünftige Stationen tief im Weltraum steuern können – bahnbrechende Möglichkeiten ergäben sich. Doch bevor das so weit ist, werden noch einige Probleme gelöst werden müssen.

Die Geschichte erinnert schon sehr an den genialen Science Fiction-Film 2001: Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke. Dort fliegt eine fünfköpfige Crew mit dem Raumschiff Discovery One zum Jupiter, um einen rätselhaften Monolithen zu untersuchen, der sich auf seinem Mond Europa befindet. Die Besatzung liegt während des mehrjährigen Fluges in ihren Kammern im Kälteschlaf.

An Bord befindet sich neben der Besatzung auch der Supercomputer HAL 9000. Während die Astronaut*innen im Kälteschlaf liegen, steuert er das Raumschiff autonom, aber er bewacht auch den Gesundheitszustand der Crew während des Schlafs. HAL 9000 ist angeblich völlig fehlerfrei, er tut alles, um den Erfolg der Mission zu garantieren.

Dabei entwickelt er auch menschliche und neurotische Züge, als die Crew ihn abschalten möchte, zeigt er zunehmend eine Angst davor, schließlich muss er ja den Erfolg der Mission garantieren. So beginnt er mit der emotionalen Manipulation der Astronaut*innen – während einer von ihnen versucht, ihn zu zerstören, beginnt er beispielsweise plötzlich ein sanftes Kinderlied zu singen. Damit zerstört der Astronaut keinen Computer mehr, sondern ein scheinbar fühlendes Wesen.

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Um die Mission zum Jupiter alleine fortsetzen zu können, tötet HAL 9000 schließlich die Astronaut*innen im Kälteschlaf und während eines Weltraumspaziergangs. Spätestens hier sollten aber die Parallelen zwischen HAL 9000 und dem nun entwickelten Supercomputer enden.

Raumstationen der Zukunft

Bisher mussten wir uns noch nicht wirklich mit Computern im Weltraum beschäftigen. Der einzige Ort außerhalb der Erde, an dem dauerhaft Menschen leben, ist derzeit die Internationale Raumstation ISS. Dort leben und arbeiten zwar bis zu neun Menschen und das über viele Monate, doch sie kreist gerade mal in einer Entfernung von 400 Kilometern um die Erde.

Dort kann noch das gewöhnliche irdische Internet genutzt werden, doch in Zukunft werden Menschen die Erde dauerhaft verlassen und vor allem viel weiter entfernt leben. Zunächst wird eine Raumstation im Mondorbit gebaut, ihr Name ist Lunar Gateway. Dort werden vier Menschen 400.000 Kilometer von der Erde entfernt bis zu drei Monate lang leben. Es wird das erste Mal sein, dass Menschen dauerhaft fernab ihres Heimatplaneten arbeiten.

Schon hier wäre ein autonomes System wie CASE von Vorteil. Es könnte die Station überwachen, auf Befehl die Luftschleuse öffnen, Rover und andere Gefährte auf der Mondoberfläche steuern, den geplanten kanadischen Roboterarm bedienen, Lebenserhaltungssysteme und Experimente steuern, sowie den Funkkontakt zur Erde sichern.

Doch diese Station, mit deren Bau 2022 begonnen werden soll, ist laut Plan nur der Anfang. Langfristig wollen wir Menschen zum Mars. Und hier gehen die Probleme erst richtig los. Der Mars ist nämlich nochmal deutlich weiter von der Erde entfernt als das Lunar Gateway und selbst das ist schon 1.000-mal weiter entfernt als die ISS.

Astronaut*innen werden viele Monate brauchen, um den Mars zu erreichen. Schon das wird zu enormen physischen, aber auch psychischen Belastungen führen. Doch auch die Kommunikation ist schwierig. Funksignale breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, demnach auch die Kommunikation zwischen den Astronaut*innen und der Erde.

Bei der ISS in 400 Kilometer Entfernung ist diese durch die sogenannte Lichtlaufzeit genannte Verzögerung zu vernachlässigen: Sie beträgt 0,0013 Sekunden. Doch beim Lunar Gateway sieht es schon etwas anders aus und je weiter man ins All vordringt, desto problematischer wird es.

  Maximale Lichtlaufzeit Minimale Lichtlaufzeit
ISS 0,0013 s 0,0013 s
Mond 1,3 s 1,3 s
Venus 14,51 min 2,115 min
Mars 22,267 min 2,783 min
Jupiter 53 min 33 min

Wir sehen, beim Lunar Gateway wird sich für Hin- und Rückweg der Signale insgesamt eine Verzögerung von 2,6 Sekunden ergeben, aufgrund der exzentrischen Umlaufbahn teils etwas mehr. Das nervt, stellt aber kein grundlegendes Problem dar. Spätestens bei einem Marsflug oder auch einem Flug zur Venus wird ein Supercomputer wie CASE aber unabdingbar sein.

Unentbehrlich für Marsbasen

Die mehrminütige Laufzeitverzögerung bedeutet nämlich, dass die Station nicht von der Erde aus gesteuert werden kann. Angenommen es gibt auf dem Mars einen Sandsturm oder einen medizinischen Notfall, dann kann man auf keinen Fall auf Hilfe von der Erde angewiesen sein, genauso wenig wie bei der Bedienung von Marsmobilen, der Steuerung von Robotern und Luftschleusen.

Teile werden sicherlich durch die Menschen vor Ort übernommen werden, doch einige Aufgaben, vor allem die Auswertung von Daten und die Aufrechterhaltung der Lebenserhaltungssysteme werden von einem Computer übernommen werden müssen. CASE ist dort derzeit der am weitesten entwickelte Ansatz.

Vorerst ist CASE, das steht übrigens für cognitive architecture for space agents, nur ein Prototyp, doch in einer Simulation schaffte er es, eine virtuelle Weltraumstation und ihre Besatzung am Leben zu halten, sowie es in zukünftigen realen Planetenbasen und Weltraumstationen der Fall sein soll. Dennoch ist eine Simulation natürlich etwas anderes als der Realbetrieb…

Funktionsprinzip von CASE

CASE funktioniert auf drei verschiedenen Ebenen, das garantiert seine Leistungsfähigkeit:

Ebene 1: Direkt mit der Station verbunden, kann die Hardware der Station steuern, also Roboterhände, Türen oder Luftschleusen öffnen.

Ebene 2: Ist für den Routinebetrieb der Station zuständig, kann Lebenserhaltungssysteme aufrecht erhalten, die Stromversorgung kontrollieren und astronautische und robotische Fahrzeuge auf der Oberfläche eines Himmelskörpers steuern.

Ebene 3: Planung der Abläufe der Station; erkennt, wann beispielsweise Filter gewechselt werden müssen, wann welche Arbeit ansteht, wann Funkkontakt mit der Erde vorgesehen ist und wann die Astronaut*innen eine Erkundungsmission starten sollen.

Ebene 3 ist mit Abstand die komplexeste, denn sie gibt nicht die Befehle von der Erde wieder, sondern koordiniert sie selbstständig. Wenn Beispielsweise ein Staubsturm auf dem Planeten wütet, werden Erkundungsmissionen verschoben, CASE steht in Kontakt mit Sensoren der Station und stellt die Planung dementsprechend um.

So kann CASE die Besatzung vor Gefahren warnen, recht ähnlich wie auch HAL 9000. Das Wissen erhält CASE natürlich aus einer Datenbank, doch dort kann er selbst intelligent Verknüpfungen herstellen – bis vor wenigen Jahren undenkbar.

Gespräche mit Astronaut*innen

CASE kann außerdem auch Dialoge mit den Astronaut*innen führen. Sie können ihm Fragen stellen, die er beantwortet, sie können ihn bitten, Funkkontakt zur Erde herzustellen oder eine Luftschleuse zu öffnen. Wenn man ihn beispielsweisen bittet, die Luftschleuse zu öffnen tut er das und antwortet mit den Worten „Aber sicher.“ Er scheint also deutlich freundlicher zu sein als HAL 9000 im Film.

Ein menschenähnlicher Gesprächspartner ist auch psychisch sehr wichtig für Astronaut*innen während einer Langzeitmission in großer Distanz von der Erde. Der Dialog-Manager von CASE steht mit dem Rest des Systems in Kontakt, sodass er beinahe menschlich wirkt und auf diese Weise jene Dinge, die er ermittelt, auch zum Ausdruck bringen kann. Die Namen der Besatzung wird er kennen und anhand der Stimme oder Gesichtserkennung identifizieren können.

Nächster Test in Analog-Mission

Bisher meisterte CASE lediglich eine vierstündige Simulation. Als nächstes soll er in einer Umgebung getestet werden, die dem Mond oder dem Mars ähnelt, wie beispielsweise eine Sandwüste, die Antarktis, auf einem Vulkan oder am Meeresgrund. Dort kann CASE zum einen getestet werden, zum anderen lernt er dort aber auch viel über den Alltag und die Aufgaben auf einer Forschungsmission.

Er kann die Abläufe dort nicht nur beobachten, sondern sie sich auch merken. So häuft er mit den Jahren immer mehr Erfahrung an. Wie auch ein Mensch lernt CASE also mit jedem Einsatz dazu – daher wird er auch noch häufig getestet werden, bevor er tatsächlich in einer Raumbasis zum Einsatz kommt. Doch wenn es dann soweit ist, bieten sich bahnbrechende Möglichkeiten. Diese kommen denen des HAL 9000 schon ziemlich nahe.

In einer Hinsicht wird CASE sich aber von HAL 9000 unterscheiden – er wird seiner Besatzung freundlich gesinnt und viel kleiner sein, denn zur Zeit von „2001: Odyssee im Weltraum“ konnte man sich „kleine“ Computer im heutigen Sinne gar nicht vorstellen.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Natürlich wird auch CASE noch stark an Leistung zunehmen, das ist alleine der Zeit geschuldet, bei aktueller rasender technischer Entwicklung verdoppelt sich die Komplexität integrierter Schaltkreise alle 18 Monate. Was wir in fünf oder zehn Jahren können, wenn es eine erste astronautische Mission tief in unser Sonnensystem gibt, kann man also noch gar nicht absehen – aber CASE ist eine gute Basis.

Seine möglichen Anwendungen gehen aber über Luftschleusen und Terminpläne hinaus, denn eine weitere Parallele zum Film ist, dass ernsthaft überlegt wird, die Astronaut*innen während der Reise zum Mars in Kälteschlaf zu versetzen.

Baut man CASE nicht nur in die Marsbasis, sondern auch in das Raumschiff ein, mit dem die Menschen dorthin fliegen, könnte er eines Tages tatsächlich die schlafenden Astronauten in ihren Tiefschlafkammern überwachen, ernähren und zur rechten Zeit wecken.

Wenn verschiedene Basen auf der Oberfläche und im Orbit von Mond und Mars bestehen, könnten sie irgendwann auch untereinander auf diese Weise kommunizieren und zusammenarbeiten. Das liegt aber aktuell noch in weiter Ferne. Nun bleibt erstmal abzuwarten, wie CASE die nächsten Tests besteht. Wer weiß, vielleicht fliegen ja eines Tages wirklich Menschen zum Jupiter mit Supercomputer CASE…

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