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Verschlimmert die Klimakrise Tornados in Deutschland?

Verschlimmert die Klimakrise Tornados in Deutschland?

Oh fuck! Alter, Scheiße!„, damit fasste ein Autofahrer recht treffend zusammen, was sich neulich in der nordrhein-westfälischen Stadt Viersen ereignete. Von Wirbelstürmen in den USA oder in Südostasien hört man öfter – die Situation wird dort durch die Klimakrise verschlimmert. Auf Europa lässt sich dies nicht so einfach übertragen, doch das heißt nicht, dass wir vor Extremwetter sicher sind.

Nicht nur Hitzewellen, Dürre und Fluten können uns gefährlich werden, sondern auch Tornados in Deutschland. Ob die Klimakrise dies auch bei uns verschlimmern wird, ist jedoch gar nicht so einfach zu beantworten…

Die europäische Tornado Alley

Den Begriff Tornado Alley kennen wir vor allem aus den USA, es handelt sich um eine Fläche im Mittleren Westen zwischen den Great Plains, den Rocky Mountains und den Appalachen. Dort treffen tropische Luftmassen aus dem Golf von Mexiko und polare Luft aus dem hohen Norden aufeinander.

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Dichte schichten sie sich übereinander und die warme Luft steigt spiralenförmig nach oben. Die US-amerikanische Tornado Alley bietet gute Vorraussetzungen für diesen Prozess, doch seine Grundbedingungen sind auch in Europa erfüllt – auch hier gibt es eine Tornado Alley.

Sie zieht sich von Cornwall über die Niederlande, Nord- und Westdeutschland bis nach Polen. Auch in diesen gemäßigten Breiten treffen sich Polarluft und Tropenluft, die über die Alpen in Richtung Norden strömt, sodass ein Gürtel entsteht, in dem die Luftschichten aufeinandertreffen. Ganz neu sind uns Tornados in Europa deshalb nicht. Im Juli 1968 tötete ein Tornado über Pforzheim zwei Menschen, 1979 wütete bei Bad Liebenwerda ein noch stärkerer Tornado, dessen Ausmaße allerdings zunächst von der DDR-Regierung verschwiegen wurde.

Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr 30 bis 60 Tornados registriert, vermutlich gibt es noch viel mehr Tornados, die nie registriert oder auch nur bemerkt werden. Da Viersen liegt mitten in dieser europäischen Tornado Alley liegt, ist es grundsätzlich also nicht verwunderlich, dass dort ein Tornado zustande kommt, auch wenn es reichlich selten ist. Meteorologisch handelt es sich bei diesen Stürmen, auch Windhosen genannt, um dieselben Phänomene wie die Hurrikane in den USA.

Einfluss der Klimakrise

Schon von der US-amerikanischen Tornado Alley wissen wir, dass sie sich verändert, nämlich in Richtung Osten rückt. Ob die Globale Klimaerwärmung dahinter steckt, lässt sich noch nicht sicher sagen, aber es gilt als wahrscheinlich. Da stellt sich natürlich die Frage, ob auch die Tornados in Europa durch die Klimakrise beeinflusst werden. Grundsätzlich liegt der Schluss nahe, schließlich spielen verschiedene Lufttemperaturen bei der Entstehung von Tornados eine Rolle. Dennoch braucht es für einen Nachweis natürlich konkrete Daten und da ist die Lage leider dünn…

Zudem müssen wir bei den vorhandenen Daten einen Verzerrungseffekt berücksichtigen: Zwar ist die Zahl der registrierten Tornados in den letzten 50 Jahren stark gestiegen, das ist jedoch darauf zurückzuführen, dass durch Mobiltelefone und das Internet schlicht mehr davon entdeckt werden und sich mehr Menschen gezielt auf die Suche nach Tornados machen. Berücksichtigen wir das, lässt sich in der Häufigkeit von Tornados in Deutschland kein statistisch signifikanter Trend erkennen, anders als beispielsweise im tropischen Atlantik.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Klimakrise die Häufigkeit von Tornados gar nicht beeinflusst. Sicher ist lediglich, dass dies aus den vorliegenden Daten nicht geschlussfolgert werden kann.

Nicht häufiger, aber stärker…

Grund zur Entwarnung besteht dennoch nicht, denn es gibt durch Klimamodelle starke Hinweise darauf, dass die Tornados in Deutschland zwar nicht unbedingt häufiger werden, aber stärker sind, wenn sie auftreten. Wir teilen die Stärke von Tornados durch die sogenannte Fujita-Skala in fünf Kategorien ein.

Kategorie Windgeschwindigkeit Beispiel
F0 63-117 km/h ständig beobachtet
F1 118-180 km/h ständig beobachtet
F2 181-253 km/h Viersener Tornado
F3 254-332 km/h Tornado in Bützow 2015
F4 333-418 km/h Tornado in Pforzheim 1968
F5 419-512 km/h Oklahoma Tornado Outbreak 1999

Tornados der Stärken F0 und F1 richten lediglich moderaten Schaden an und kommen häufig vor, der nun in Viersen aufgetretene Tornado ist einer der Stärke F2, man spricht von „erheblichen Schäden“. Ein solcher Sturm genügt, um Bäume zu entwurzeln, Dächer abzugeben und frei bewegliche Objekte zu tödlichen Geschossen zu machen. Dennoch gibt es auch in Deutschland noch viel stärkere Tornados, die ganze Hauser verschieben.

Bewahrheiten sich die Indizien, so werden wir es künftig häufiger mit Tornados dieser höheren Klassen zutun bekommen – wie etwa mit dem, der 1968 über Pforzheim wütete. Eine Zunahme der Intensität von Stürmen wird auch als Konsequenz der Abschwächung des Golfstroms in Erwägung gezogen. Das könnte tatsächlich ein ernsthaftes Problem werden, vor allem aus einem Grund.

Deutschland nicht vorbereitet

Deutschland ist auf die Gefahr durch Tornados kaum vorbereitet, das gilt sowohl für die Regierungen als auch für die Menschen, die in einer solchen Situation oft überfordert sind. Die USA sind dort aufgrund ihrer historisch starken Betroffenheit deutlich weiter: Innerhalb der Tornado Alley gelten verschärfte Bauvorschriften, um Dächer und Häuser standfest zu machen, Häuser werden mit Schutzkellern ausgestattet, Tornadosirenen werden installiert und in den Medien wird so früh es geht gewarnt und den Menschen gesagt, wie sie reagieren sollen – selbst den Kindern in der Schule.

Viele wissen hingegen gar nicht, dass es in Deutschland überhaupt Tornados gibt. Bisher war es kein großes Thema, aber sollten Tornados künftig stärker werden, sind vielleicht Anpassungen notwendig – sonst sind die Folgen, sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich, unvorhersehbar. Es wäre schon eine erhebliche Verbesserung, die Menschen für die Gefahr zu sensibilisieren und ihnen die Verhaltensregeln näher zu bringen. Im Wesentlichen lauten sie:

  • Warnungen im TV, Radio und Internet sind ernst zu nehmen!
  • Steinhäuser bieten Schutz, besonders im Keller und Erdgeschoss. Niemals Dachgeschoss aufsuchen!
  • Zu Schränken, Autos, Bäumen und anderen potentiellen Geschossen ist Abstand zu halten.
  • Im Freien ist sich flach hinzulegen und sich an etwas im Boden Verankertem festzuhalten.

Durch das Befolgen dieser Regeln ließen sich auch Todesfälle verhindern. Statistisch ist ein Tornado, wie es ihn in Pforzheim gab, bereits überfällig. Unsere schlechte Vorbereitung auf Tornados ist nur ein Beispiel dafür, wie wenig tauglich unsere Zivilisation für die kommenden Klimaveränderungen ist – auch Hitzewellen und Fluten richten bei uns größeren Schaden an als notwendig.

Erhebliche Unterschiede zu den USA

Auch wenn das selbstverständlich ein Problem darstellt, wäre Panik vor Zuständen wie in den USA unbegründet. Obwohl die Grundvorraussetzungen für die Entstehung von Tornados in Europa erfüllt sind, ist die europäische Tornado Alley nicht ohne Grund weniger ausgeprägt als die US-amerikanische.

Dies haben wir nämlich zu einem beträchtlichen Teil den Alpen zu verdanken. Das Hochgebirge wirkt als Barriere und schwächt den Zustrom tropischer Luft nach Europa ab. Deshalb treten in Deutschland viel weniger Tornados auf als in den USA und das wird auch so bleiben, selbst wenn Stürme tendenziell stärker werden. Die Geographie Europas gibts nichts Anderes her.

Problematisch ist allerdings, dass die abschwächende Wirkung von Landmassen zumindest in tropischen Gewässern bereits messbar schwächer wird. Wirbelstürme überdauern an Land immer länger und dringen somit weiter ins Landesinnere ein. Das hängt mit der erhöhten Wassertemperatur zusammen.

Offene Fragen zu Tornados in Deutschland bleiben

Es lässt sich also festhalten, dass in den letzten Jahrzehnten keine Häufung von Tornados in Deutschland durch die Klimakrise nachweisbar ist. Auch zur Entwicklung ihrer Stärke ist die Datenlage dünn, Klimamodelle prognostizieren jedoch eine Verstärkung der Tornados. Es wird Messungen über längere Zeiträume benötigen, um dies mit Messwerten zu unterfüttern. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

Dass sich das Klima durch unsere Aktivitäten erwärmt, dass der Meeresspiegel steigt, dass Hitzewellen zunehmen und Arten beschleunigt aussterben, lässt sich einwandfrei belegen – Zweifel sind hier nicht angebracht und an diesen Erkenntnissen wird sich auch nichts mehr ändern. Aber wenn es um die Feinheiten geht und um potentielle Wirkungen der Klimakrise, die aus einem komplexeren Zusammenhang resultieren, bleiben durchaus noch viele Fragen. Auch die Klimaforschung ist ein dynamisches Forschungsgebiet.

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1 Comment

  • Christian
    Christian

    Hallo Jason,

    hier wirfst du ein paar Begriffe zusammen, die nicht zusammen gehören: „Immer wieder hört man von Tornados auf der ganzen Welt: In den USA sind es Hurrikans, in Südostasien, Taifune und in Deutschland Windhosen – ja auch bei uns gibt es Tornados, wie es uns ein Wirbelsturm in Viersen, in der nähe von Mönchengladbach zeigte.“
    In Amerika heißen Tornados auch Twister, und es handelt sich dabei um kleinräumige Luftwirbel mit einem Durchmesser bis maximal etwas über einem Kilometer. In Deutschland werden solche Ausmaße nicht erreicht. Der deutsche Begriff ist Großtrombe oder Windhose – über größeren Binnengewässern auch Wasserhose genannt.
    Es gibt auch Kleintromben, auch Staubteufel oder Dust-Devil genannt. Das sind kleine Wirbelwinde die durch plötzliches Aufsteigen erwärmter Luft (Thermik) entstehen. Sie werden dann sichtbar, wenn sie leichtes Material wie Staub oder Heu mitsichreißen.
    Bei den Hurrikanes oder Taifunen handelt es sich um größräumige Wirbelstürme von mehreren hundert Kilometern Durchmessern.
    Die Reste der Hurrikanes wirken bei uns häufig noch als Orkantief.

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