Dies ist ein Beitrag, der im Rahmen einer Reihe rund um ein Crowdfunding für mein Buch (T)raumschiff Erde entstanden ist. Das Buch kannst du dir jetzt exklusiv als Hardcover für dich oder deine Lieben als Weihnachtsgeschenk sichern. Gleichzeitig unterstützt du die Trinkwasserversorgung in Nord-Äthiopien. Wie? Das verrate ich dir im Crowdfunding-Video. Eine Übersicht über alle Beiträge zum Titel des Buches, wo ich es drucken lasse, warum ich überhaupt ein Buch geschrieben habe und viele weitere Infos findest du hier.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und Hören und würde mich freuen, wenn ihr mich dabei unterstützt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Wie bin ich zu meiner Entscheidung gekommen?
Das möchte ich versuchen, euch zu erklären.
Wir alle müssen tagtäglich tausende Entscheidungen treffen. Wie jedem anderen Menschen auch fallen mir einige Entscheidungen leicht, manche lassen sich logisch erschließen und nicht wenige Entscheidungen fallen mir besonders schwer. So lasse ich mir morgens die Garderobe von meiner Mama herauslegen, da es zu komplex ist, selbst die bestmögliche Entscheidung zu treffen und auch in der Tagesplanung bin ich oft recht hilflos, da ich mich zwischen den vielen verschiedenen Möglichkeiten einfach nicht entscheiden kann. Für viele Neurotpyische banale Entscheidungsprozesse, für mich Fragen mit sehr vielen Variablen und Parametern, deren Überdenken bis zum Ende mich schon erschöpfen würde, bevor ich überhaupt in der Schule bin. Das ist kein kognitives Problem, aber es würde zu weit führen, dies hier im Detail zu erklären.
Beim Schreiben eines Buches bleibt das Treffen von Entscheidungen natürlich keineswegs aus. Von der Auswahl an Themen, die ich aus Gründen der Komplexität außen vor ließ, über die Wahl von Titel, Cover und Format bis zur Erstellung der Crowdfunding-Kampagne war der Weg von (T)raumschiff Erde gepflastert von wichtigen Entscheidungen. Hier sind es aber zumeist Entscheidungen mit klarer Konsequenz oder Fragen für deren Beantwortung sich Argumente mit Für und Wider klar gegenüber stellen lassen.
Einige Entscheidungen fielen mir sehr leicht, wie zum Beispiel der Titel oder das Format, bei denen ich teils von Anfang an gewisse Vorstellungen hatte oder die Festlegung des Spendenziels für die Neven Subotic Stiftung, über das ich nicht viel nachgedacht hatte, bevor ich es verkündete, sondern es einfach mit mir selbst als Ziel ausmachte und mich erst im Anschluss damit beschäftigte, wie ich es erreichen möchte. Oftmals treffe ich Entscheidungen für mich, die ich bezüglich ihres Ziels für alternativlos halte, setze mich so selbst unter Druck, weil ich die Konsequenzen tragen muss, die meine Handlungen resultierend aus diesen Entscheidungen auslösen. Ich kaufe zum Beispiel keine Getränke mehr aus Plastikflaschen und benutze auch keinerlei Einwegbesteck aus Plastik mehr. Das war im Schüleraustausch in Italien schon ein Problem, weil ich über den Tag hinweg nicht so einfach wie gewohnt an trinkbares Wasser kam. Ähnlich verhält es sich wenn wir als Wochenendrebellen unterwegs sind und ich mich vegetarisch und plastikfrei ernähren muss, dann dauerte in der Vergangenheit der Verzehr von Kartoffelbrei mit einem Holzrührstäbchen auch schon einmal ein wenig länger. Wichtig ist mir, die Konsequenz auszuhalten und meine Entscheidungen nicht ständig rückgängig machen zu müssen.
Im Buchkontext gestalteten sich Entscheidungen wie die Covergestaltung schwieriger. Bis zum Schluss gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen drei Vorschlägen. Das Festlegen der Fundingschwelle, bei dem ein scharfes Abwägen zwischen realistischer Kostenkalkulation in Verbindung mit ökologischen Druck und Versand und einem realistischem Preis nötig war. Die kleine Auflage, gepaart mit meinem Anspruch an das Material und den Produktionsprozess hätten auch einen Buchpreis von 30 € rechtfertigen können und doch war es mir wichtiger, dass viele Leute mein Buch lesen und nicht unbedingt viele es kaufen. All diese Entscheidungen habe ich getroffen und ich glaube, ich habe sie gut getroffen. In einigen Fällen konnte ich auf den Rat von Fachleuten zurückgreifen und manchmal hat auch Papsi geholfen, die jeweiligen Konsequenzen einer Entscheidung zu verdeutlichen. Bei der bisher für mich schwierigsten Entscheidung konnte mir aber weder Papsi noch ein Experte helfen.
Ich war im Rahmen eines Schüleraustauschs in einem kleinen Dorf in Italien und nur sehr beschränkt erreichbar als eine Anfrage per Mail einging. Eine große deutschlandweit erscheinende Wochenzeitung hatte Interesse an Vorabauszügen aus meinem Buch. Das hat mich selbstverständlich erst einmal sehr gefreut. Der Nachteil ist, dass diese Zeitung dafür bekannt ist, des Öfteren mal rassistische Perspektiven oder auch Klimawandelleugner-Propaganda zwischen Wetterbericht und Sportteil zu platzieren. Ich möchte hier erklären, wieso ich mich in einer moralischen Zwickmühle befand. Die Gründe die gegen eine Zusammenarbeit sprechen, liegen auf der Hand und würden so manch einen dazu bewegen, das Angebot vorzeitig abzulehnen. Doch auch die Vorteile, die sich durch die Annahme ergäben, sind nicht unerheblich.
Zunächst ginge damit eine unglaubliche Reichweitensteigerung einher. Für die aktuelle Crowdfunding-Kampagne würde dies bedeuten, dass mir später ein größeres Budget für die Verbreitung meiner Botschaft zur Verfügung steht und für die später erscheinende E-Book-Version wäre es wahnsinnig reizvoll, mit einem reichweitenstarken Partner zusammenzuarbeiten. Damit würden noch viel mehr Menschen meine Botschaft erhalten und mehr Menschen würden zum Handeln bewegt werden. Zudem täte ja gerade der Leserschaft dieser Zeitung ein wenig Nachhilfe in Sachen Klimaschutz und Verantwortung für unsere Gesellschaft gut. Dadurch gibt es einen direkten Mehrwert, der bei Annahme eines Angebots bestünde. Doch das ist nicht das einzige Argument, welches für eine Zusammenarbeit sprach.
Mit einer höheren Verkaufszahl geht auch eine höhere Spende für die Neven Subotic Stiftung einher, da ich die E-Book-Einnahmen zu 100% spenden werde, brächte jedes E-Book Menschen in Äthiopien sauberem Wasser ein wenig näher. Verkaufsfördernde Vorabauszüge würden somit nicht nur enorme Vorteile für den Klimaschutz mit sich bringen, sondern auch dabei helfen, mehr Kindern in Äthiopien eine Trinkwasserversorgung zu ermöglichen. Darf ich mich dann überhaupt gegen das Angebot entscheiden? Steht es mir zu, Medien auszuschließen, die mich nachweislich dabei unterstützen würden, wenn ich Menschen helfen möchte? Was ist, wenn 1.000 Menschen durch die Vorabauszüge in der Zeitung das E-Book für fünf Euro kaufen würden und ich somit auf 5.000 € für die Stiftung verzichte? Wäre das nicht diese moralische Überhöhung, von der immer alle sprechen?
Ich war verunsichert, also fragte ich Menschen aus meinem Umfeld und auf Twitter.
Es gab Menschen, die mich mit nachvollziehbaren Begründungen ermunterten, sich eine solche Chance nicht entgehen zu lassen. Man müsse „unbedingt die Reichweite mitnehmen“, sie sagten auch dass „gute Sachen auch in schlechten Medien gute Sachen bleiben“. Einige teilten aber deutlich mit, dass dies nicht so eine gute Idee wäre und baten mich, an die Worte von Max Goldt zu denken, andere wiederum empfanden alleine die Nachfrage auf Twitter „lächerlich hoch unendlich“.
Maßgeblich zu meiner Entscheidung beigetragen hat dann weniger das finale Voting-Ergebnis der Abstimmung als zwei Antworten, die mich zum Teil in meinem ersten Bauchgefühl bestätigten, mir aber auch noch eine neue Perspektive gaben.
Das Umfrage-Ergebnis:
Wir waren bei Menschenrechten. Ein gutes Stichwort.
Ich habe mich dagegen entschieden und dem Redakteur der Bild am Sonntag geschrieben, dass ich keine Vorabauszüge aus meinem Buch zur Verfügung stelle und auch meine Aktion nicht in ihrer Zeitung beworben wissen möchte.
Wie ist das zu rechtfertigen? Man muss wissen, was mein Ziel ist, wofür ich all das mache. Mein Ziel ist nicht Geld, Ruhm oder Macht. Ich kann und möchte nicht sagen, dass mir diese Dinge komplett egal sind, aber in der derzeitigen Situation sind sie Luxus und somit zweitrangig. Mein Ziel ist die Rettung dieses Planeten vor der Klimakrise und in den letzten Monaten habe ich sämtliches Vertrauen darin verloren, dass dies mit einer „Sozial-ökologischen Marktwirtschaft“, wie auch immer die aussehen soll, möglich ist. Ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass das System der Marktwirtschaft und des Kapitalismus in seiner jetzigen Form zerschlagen werden muss, um die Klimakrise zu lösen. Und ein neues System wird niemals mit den Profiteuren des Alten zu erreichen sein. Ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen – und bin dabei nicht bereit, mit denen zu kooperieren, wegen denen sie überhaupt so ist, wie sie ist. Die Zeitung, von der ich hier spreche, ist das absolute Paradebeispiel, fast schon die mediale Verkörperung dessen, wogegen ich kämpfe.
Haltung, ein weiteres Schlüsselwort in dem, was ich mache. Ich habe nie viel von Menschen gehalten, die sich in Neutralität und Zurückhaltung üben, sich aus einer Position der Erhabenheit als die objektive moralische Instanz sehen und sich verantwortlich fühlen, zwischen Lagern zu vermitteln. Mir war es schon immer wichtig, Stellung zu beziehen und zu wahren, mich unmissverständlich zu positionieren, diese Positionierung den Menschen in aller Deutlichkeit mitzuteilen und jede meiner Handlungen konsequent dieser Positionierung zu unterwerfen, was nicht bedeuten muss, dass ich nicht in der Lage bin, meine Position mit dem Erhalt neuer Erkenntnisse zu überdenken. Die mir als jungem Menschen vorliegenden Erkenntnisse genügen aber ganz sicher, um sich in vielen Belangen politisch und gesellschaftlich klar zu positionieren. Ich habe meine Haltung schon immer ernst genommen. Wenn die wissenschaftliche Bewertung eindeutig ist, habe ich dies immer als Basis, als Entscheidungsgrundlage für mein ganz persönliches Handeln verwertet. Als ich gesehen habe, dass der Verzehr von Fleisch nicht mit einem langfristigen Überleben auf der Erde vereinbar ist, habe ich nicht gesagt „Ich kann das nicht.“, sondern mich der Faktenlage angepasst und vor allem entsprechend der Faktenlage gehandelt. Dieser Grundsatz hat mich recht weit gebracht und ich habe jetzt nicht vor, ihn über Bord zu werfen.
Das hätte ansonsten auch ein Stück von jener Doppelmoral, die mir so gerne vorgeworfen wird. Nicht, das ihr mich falsch versteht, die Kommentare irgendwelcher AfD-Lappen, die auch Zweifel daran schüren würden, ob zwei mal zwei wirklich vier ist, wenn es ihnen politisch von Vorteil ist, haben keinerlei Einfluss auf meine Entscheidungen und werden mich ganz sicher nicht davon abhalten, meine Botschaft konsequent in die Welt zu tragen. Die alltagspolitische Erfahrung bestätigt es aber, dass die Gesellschaft ein recht feines Gespür für Doppelmoral hat, wenn sie bei anderen und nicht sich selbst zu finden ist und wenn der Kontext einer Entscheidung nicht ersichtlich ist. Damit geht dann schnell ein Glaubwürdigkeitsverlust einher, wobei es sich in meiner Position um das absolute Worst-Case-Szenario handelt. Ich kann mich nun mal einfach nicht jede Woche aufregen, was für ein Dreck jetzt schon wieder in der Zeitung steht und sie dann durch meinen eigenen Beitrag auch wieder legitimieren – völlig egal, welche Vorteile locken.
Reichweite ist kein Selbstzweck und unsere Crowdfundingkalkulation basiert auf der Rechnung, dass der Druck von 500 Büchern leider fast die gleichen Kosten verursacht wie der Druck von 1.000 Büchern. Durch Reichweite selbst wird kein CO2 eingespart, kein Kind vor dem Verdursten gerettet und die Welt um keinen Deut besser. Nur durch Handlung und Veränderung treten all diese Dinge ein. Reichweite ist sicher eine wichtige Stütze, um das zu erreichen, doch Glaubwürdigkeit ist wichtiger. Ich erwarte von den Menschen in meinem Buch schließlich nicht weniger als die komplette Aufgabe ihres Lebensstils. Ein wenig Transparenz, wie es zu meinen Entscheidungen gekommen ist, bin ich ihnen dafür in meinen Augen schuldig.
Das Crowdfunding-Video: