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Was im sechsten Weltklimarat-Sachstandsbericht steht – und was nicht

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Der Weltklimarat hat seinen sechsten Sachstandsbericht veröffentlicht – in einer Zeit, in der die Klimakrise in Form von Waldbränden, Hitzekatastrophen und Überflutungen nicht mehr zu übersehen ist. Er zeichnet ein düsteres Bild des 21.Jahrhunderts, sollte es nicht gelingen, die Treibhausgasemissionen zügig auf null zu senken. Für Laien sind die Berichte des Weltklimarats allerdings teilweise schwer verständlich. Was steht denn tatsächlich drin im Bericht und was bedeutet das für uns alle? Gehen wir anhand von Zitaten aus dem Bericht einmal seine Kernaussagen durch…

Bevor wir starten, ein paar grundsätzliche Infos: Der Weltklimarat (IPCC), ein zwischenstaatlicher Ausschuss mit 195 teilnehmenden Regierungen, hat zurecht enormes politisches und gesellschaftliches Gewicht, der vierte Bericht aus dem Jahr 2007 schockierte die Öffentlichkeit beispielsweise mit Prognosen zu Temperatur- und Meeresspiegelanstieg, Eisschmelze, Wetterextremen und führte zumindest vorübergehend zu einem Umdenken in der Klimapolitik.

Immer wieder wird der Weltklimarat aber auch diskreditiert, vor allem von rechts. Seine Berichte werden als „Meinungsäußerungen“ oder „Aktivismus“ bezeichnet. Dies ist aber falsch, die etwa alle sechs Jahre erscheinenden Berichte des Weltklimarats sind die fundiertesten und aussagekräftigsten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Klimaforschung und politisch unabhängig. Der Weltklimarat gibt keine Handlungsempfehlungen, sondern zeigt den politischen Entscheidungsträger*innen lediglich, welches Handeln welche Konsequenzen nach sich zieht.

Erfahrungsgemäß ist auf diese Prognosen in der Regel erstaunlich genau Verlass, so beispielsweise auch beim Meeresspiegelanstieg, der ziemlich exakt der pessimistischsten Auslegung der IPCC-Prognosen aus den 90ern folgt.

Meeresspiegelanstieg seit 1990 im Vergleich zu den IPCC-Prognosen
Quelle: CCRC, Slr prediction med, schwarz-weiß, CC BY-SA 3.0

Ein häufiger Grund für Missverständnisse ist, dass Begriffe in der Wissenschaft hin und wieder etwas anderes bedeuten als in unserer Alltagssprache. Wenn der Weltklimarat davon spricht, dass ein Ereignis „sehr wahrscheinlich“ eintritt, bedeutet das lediglich, dass die Wahrscheinlichkeit dafür bei mindestens 90% liegen muss. Eine Wahrscheinlichkeit von über 99% wird dann als „praktisch sicher“ gewertet und für die Einstufung „wahrscheinlich“ ist eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mindestens 66% nötig.

Die Wahrscheinlichkeitsangaben im Bericht sind wie folgt zu interpretieren:

virtually certain: Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 99 Prozent

extremely likely: Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 95 Prozent

very likely: Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 90 Prozent

likely: Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 66 Prozent

more likely than not: Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent

unlikely: Eintrittswahrscheinlichkeit kleiner als 33 Prozent

very unlikely: Eintrittswahrscheinlichkeit kleiner als 10 Prozent

extremely unlikely: Eintrittswahrscheinlichkeit kleiner als 5 Prozent

Wenn manche von den vielen Ereignissen, die der Weltklimarat als „wahrscheinlich“ bezeichnet dann doch nicht eintreten, handelt es sich nicht zwangsläufig um ein Irrtum, seine Vorhersage kann methodisch vollkommen korrekt gewesen sein. Da sich jedoch übermäßig viel auf die nicht eingetretenen Prognosen fokussiert wird – obwohl das wie bereits gesagt statistisch völlig logisch ist – entsteht ein falscher Eindruck, die Ergebnisse werden nicht ernst genommen und fallen in der Folge im nächsten Bericht noch verheerender aus – ein ewiger Kreislauf…

Ein Beispiel: Das RCP8.5-Szenario wurde im fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats als „Worst-Case-Szenario“ eingeführt, in dem die Erde im Jahr 2100 ganze 8,5 Watt pro Quadratmater mehr Leistung speichert als im vorindustriellen Zeitalter. Das wäre wahrhaft enorm und viele Menschen – nicht nur Klimaleugner*innen – warfen dem Weltklimarat daraufhin Alarmismus vor, das Szenario sei unrealistisch und dessen Darstellung somit unseriös. Mittlerweile ist es das am besten zu den realen Emissionen passende Szenario.

Nicht zu verwechseln mit der Wahrscheinlichkeit ist die Unsicherheit, eine Unsicherheit ist immer darauf zurückzuführen, dass nicht alle einflussnehmenden Faktoren bekannt sind – je besser diese bekannt sind, desto größer ist das Vertrauen in eine Aussage. Auch dafür gibt es im Klimaforscher*innen-Sprech des Weltklimarats eine Skala:

very high confidence: Aussage ist in mindestens 9 von 10 Fällen korrekt

high confidence: Aussage ist in etwa 8 von 10 Fällen korrekt

medium confidence: Aussage ist in etwa 5 von 10 Fällen korrekt

low confidence: Aussage ist in etwa 2 von 10 Fällen korrekt

very low confidence: Aussage ist in weniger als einem von 10 Fällen korrekt

Üben wir das mal mit einer Passage aus dem aktuellen Bericht:

„It is virtually certain that the global upper ocean (0–700 m) has warmed since the 1970s and
extremely likely that human influence is the main driver. It is virtually certain that human-caused CO2
emissions are the main driver of current global acidification of the surface open ocean. There is high
confidence
that oxygen levels have dropped in many upper ocean regions since the mid-20th century, and medium confidence that human influence contributed to this drop.“

Hieraus lässt sich folgendes ablesen: Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99% haben sich die oberen Ozeanschichten seit den 1970er Jahren erwärmt und mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90% ist der menschliche Einfluss der hauptsächliche Treiber. Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99% ist der menschliche Einfluss die Hauptursache der Ozeanversauerung. In etwa acht von zehn Fällen ist der Sauerstoffgehalt der oberen Ozeanschichten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in vielen Regionen gesunken, in etwa fünf von zehn Fällen trugen menschliche Einflüsse dazu bei.

Wichtig ist außerdem die Unterscheidung zwischen Häufigkeit und Intensität (also Schwere): Die Klimakrise kann bestimmte Ereignisse wahrscheinlicher machen, also ihre Häufigkeit erhöhen, oder aber ihre Intensität verändern – oder natürlich beides.

Das waren die Basics, die notwendig sind, um den Bericht des Weltklimarats zu verstehen – also fangen wir an.

Teil I: Aktueller Stand des Klimas

Der erste Teil ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Verfassung des Weltklimas. Zu Beginn werden ein paar Zahlen vorgestellt: Der Anteil von Kohlendioxid an der Erdatmosphäre beträgt aktuell im Jahresmittel 410 Millionstel (vorindustriell: 280 Millionstel), der von Methan 1.866 Milliardstel (vorindustriell: 500-600 Milliardstel) und der von Lachgas 322 Milliardstel (vorindustriell: 270 Milliardstel). Die bisher vom Menschen verursachte Globale Erwärmung liegt zwischen 0,8°C und 1,3°C, mit einem wahrscheinlichsten Wert von 1,07°C. Land und Ozeane haben in den letzten 60 Jahren einen etwa konstanten Anteil von 56% der menschlichen Treibhausgasemissionen aufgenommen.

„Global mean sea level increased by 0.20 [0.15 to 0.25] m between 1901 and 2018. The average rate of sea level rise was 1.3 [0.6 to 2.1] mm yr-1 between 1901 and 1971, increasing to 1.9 [0.8 to 2.9] mm yr-1 between 1971 and 2006, and further increasing to 3.7 [3.2 to 4.2] mm yr-1 between 2006 and 2018 (high confidence). Human influence was very likely the main driver of these increases since at least 1971.“

Das können wir eigentlich schnell abhaken, die Daten lassen sich leicht online einsehen: Zwischen 1901 und 2018 stieg der Meeresspiegel global um 0,2 Meter mit einer Bandbreite zwischen 0,15 und 0,25 Metern. Anzumerken wäre noch, dass der Meeresspiegel auch vor 1901 bereits stieg, legen wir das Referenzjahr auf 1880, kommen wir sogar auf einen Anstieg von einem viertel Meter.

Besorgniserregend ist, dass die Geschwindigkeit des Anstiegs rapide zunimmt: Zwischen 1901 und 1971 stiegen die Pegel durchschnittlich um 1,3 Millimeter pro Jahr, zwischen 1971 und 2006 durchschnittlich um 1,9 Millimeter pro Jahr und zwischen 2006 und 2018 sogar um verheerende 3,7 Millimeter pro Jahr. Mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 90% war der menschliche Einfluss spätestens seit 1971 die Hauptursache.

„Changes in the land biosphere since 1970 are consistent with global warming: climate zones have shifted poleward in both hemispheres, and the growing season has on average lengthened by up to two days per decade since the 1950s in the Northern Hemisphere extratropics (high confidence).“

Bereits die erste Weltklimakonferenz im Jahr 1979 prognostizierte, dass sich die Klimazonen auf beiden Halbkugeln in Richtung der Pole verschieben werden – genau das stellt der Weltklimarat ab 1970 fest. In acht von zehn Fällen hat sich die Wachstumsphase von Pflanzen auf der Nordhalbkugel außerhalb der Tropen seit den 1950ern um zwei Tage pro Jahrzehnt verlängert. Japan meldete in diesem Jahr beispielsweise die früheste Blüte der Kirschbäume seit 1.200 Jahren.

„In 2019, atmospheric CO2 concentrations were higher than at any time in at least 2 million years (high confidence), and concentrations of CH4 and N2O were higher than at any time in at least 800,000 years (very high confidence). Since 1750, increases in CO2 (47%) and CH4 (156%) concentrations far exceed, and increases in N2O (23%) are similar to, the natural multi-millennial changes between glacial and interglacial periods over at least the past 800,000 years (very high confidence).“

Hier ordnet der Weltklimarat die Veränderungen der Chemie unserer Atmosphäre ein: Die Konzentration von Kohlendioxid ist aktuell in etwa acht von zehn Fällen höher als zu jedem Zeitpunkt in den letzten zwei Millionen Jahren, also während der gesamten Existenz des Menschen. Vergleichbare Konzentrationen gab es zuletzt im Pliozän – damals liefen noch Giraffen durch Europa.

Nicht viel besser sieht es bei Methan und Lachgas aus, zwei weiteren Treibhausgasen. Ihre Konzentration ist in mindestens neun von zehn Fällen höher als zu jedem Zeitpunkt in den vergangenen 800.000 Jahren. Zum Vergleich: Vor erst 12.000 Jahren begannen die Menschen mit dem Ackerbau.

Außerdem stellt der Weltklimarat fest, dass die Veränderungen der Konzentrationen von Kohlendioxid (+47% seit 1750), Methan (+156% seit 1750) und Lachgas (+23% seit 1750) in etwa den natürlichen Veränderungen zwischen Eiszeiten und Warmzeiten entsprechen – nur dass sie sich dabei über viele Jahrtausende vollziehen. Wir haben die Atmosphäre also so stark verändert wie es sonst nur ein Wechsel zwischen Eiszeit und Warmzeit schafft.

„Global surface temperature has increased faster since 1970 than in any other 50-year period over at least the last 2000 years (high confidence). Temperatures during the most recent decade (2011–2020) exceed those of the most recent multi-century warm period, around 6500 years ago [0.2°C to 1°C relative to 1850–1900] (medium confidence). Prior to that, the next most recent warm period was about 125,000 years ago when the multi-century temperature [0.5°C to 1.5°C relative to 1850–1900] overlaps the observations of the most recent decade (medium confidence).“

Ähnliches gilt für die Temperatur, die stieg in den 50 Jahren seit 1970 stärker als in jeder 50-Jahre-Periode der vergangenen zwei Jahrtausende und das in etwa acht von zehn Fällen. Die Temperaturen des vergangenen Jahrzehnts sind zudem höher als die des sogenannten Holozänen Klimaoptimums, einer Warmphase vor etwa 6.500 Jahren, in der es 0,2°C bis 1°C wärmer war als in vorindustrieller Zeit. Damit ist klar, dass dies nicht nur eine Klimaschwankung von vielen ist, sondern viele Elemente des Weltklimas sich so stark verändern wie sie es seit hunderten oder gar tausenden Jahren nicht taten. Auch andere Klimaschwankungen wie das Römische Temperaturoptimum oder die von Klimaleugner*innen gerne zitierte Kleine Eiszeit (siehe Bild) sind nicht mit der Klimakrise vergleichbar.

Menschen auf einem zugefrorenen Kanal in den Niederlanden

Im gesamten Holozän, also seit dem Ende der letzten Eiszeit, war es global nie so warm wie heute, die Aussterberate nie so hoch und die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre nie so stark – „beispiellos“ wie der Weltklimarat schreibt.

„In 2011–2020, annual average Arctic sea ice area reached its lowest level since at least 1850 (high confidence). Late summer Arctic sea ice area was smaller than at any time in at least the past 1000 years (medium confidence). The global nature of glacier retreat, with almost all of the world’s glaciers retreating synchronously, since the 1950s is unprecedented in at least the last 2000 years (medium confidence).“

Die Arktis ist in der Regel von einer Eisschicht bedeckt, doch im vergangenen Jahrzehnt hat diese die niedrigste Ausdehnung seit mindestens 1850 erreicht, die im Spätsommer von Eis bedeckte Fläche war kleiner als zu jedem Zeitpunkt in den letzten 1.000 Jahren und auch der weltweite Rückgang fast aller Gletscher seit den 1950ern ist laut dem Weltklimarat seit mindestens 2.000 Jahren beispiellos.

„It is virtually certain that hot extremes (including heatwaves) have become more frequent and more intense across most land regions since the 1950s, while cold extremes (including cold waves) have become less frequent and less severe, with high confidence that human-induced climate change is the main driver of these changes.“

Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99% sind Hitzeextreme in den meisten Regionen seit den 1950er Jahren häufiger und stärker geworden – Kälteextreme hingegen sind seltener und weniger stark geworden. Das ist eine höchst problematische Entwicklungen, denn Hitzewellen können tausende oder gar zehntausende Menschen töten, was die Hitzewellen in Europa 2003 und in Nordamerika 2021 mit großer Grausamkeit zeigten: Bestattungsinstitute und Leichenkühlhallen waren überlastet, besonders in Altenheimen kam es zu einem regelrechten Massensterben – auch Strom und Wasser können knapp werden. Die menschengemachte Erderhitzung ist in etwa acht von zehn Fällen die Hauptursache dieser Entwicklung.

Der Grund dafür lässt sich visualisieren: Ein Klimazustand lässt sich als sogenannte Glockenkurve darstellen, also eine Kurve in Form eine Glocke, die in ihrer Mitte am höchsten ist und an den Rändern abflacht. Die höhe der Kurve an einer Stelle steht dabei für die Wahrscheinlichkeit des dortigen Wertes: der in der Mitte liegende Wert ist also am wahrscheinlichsten, Abweichungen davon in beide Richtungen werden unwahrscheinlicher. Extrem starke Abweichungen, also Extremwetterereignisse, sind auch extrem selten.

Die Klimakrise macht nun Folgendes: Die Glockenkurve wird verschoben, und zwar in Richtung wärmeren Klimas. Die Durchschnittstemperatur, der Mittelwert, steigt und gleichzeitig liegen die Werte, die früher am Rand der Kurve lagen, nun näher an der Mitte – extreme Hitze wird also viel häufiger. Der neue Rand der Kurve liegt nun dort, wo die Wahrscheinlichkeit im früheren Klimazustand gleich null war, es treten also Temperaturen auf, die es nie zuvor gegeben hat.

Warnschild in Paris während der Hitzewelle 2003
Informationstafel während der Hitzewelle 2003: „Um ein Pariser Todesopfer der Hitzewelle zu finden, hat die Stadt Paris eine gebührenfreie Nummer eingerichtet.“
(Quelle: SebjarodAffiche canicule Paris plstaugustin 27082003, schwarz-weiß, CC BY-SA 3.0)

Einen menschlichen Einfluss stellt der Weltklimarat außerdem mit mittlerem Vertrauen für tropische Zyklone der Stärken drei bis fünf (also besonders starker Zyklone) fest, verweist aber auf mangelnde Daten. Mit mittlerem Vertrauen stellt der Weltklimarat außerdem eine durch menschlichen Einfluss zunehmende Häufigkeit für Feuerwetter fest, Waldbrände könnten also begünstigt werden. Ähnliches gilt für Starkregen: Luft kann pro Grad Celsius Erwärmung etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern, folglich kann auch mehr abregnen.

„The equilibrium climate sensitivity is an important quantity used to estimate how the climate responds to radiative forcing. Based on multiple lines of evidence, the very likely range of equilibrium climate sensitivity is between 2°C (high confidence) and 5°C (medium confidence). The AR6 assessed best estimate is 3°C with a likely range of 2.5°C to 4°C (high confidence), compared to 1.5°C to 4.5°C in AR5, which did not provide a best estimate.“

Jetzt wird es kompliziert: Der Strahlungsantrieb der Erde verändert sich, also der Anteil des einfallenden Sonnenlichts, den sie als Wärme speichert. Dies geschieht dadurch, dass es mehr Treibhausgase in der Atmosphäre gibt, welche die Sonnenstrahlung blockieren. Die Klimasensitivität ist ein Maß dafür, wie das Klima auf einen veränderten Strahlungsantrieb reagiert und die Gleichgewichtssensitivität sagt nun aus, wie viel wärmer die Erde wird, wenn sich der Treibhausgasgehalt der Atmosphäre verdoppelt – dabei ist egal, wann diese Erwärmung erreicht wird, es kann Jahrtausende dauern.

Die Gleichgewichtssensitivität ist ein wichtiges Maß in der Klimaforschung und wird durch neue Untersuchungen und bessere Methoden stets neu ermittelt. Auch die Berücksichtigung der Kippelemente, also sich selbst verstärkender Prozesse im Klimasystem, spielt dabei eine große Rolle.

Im letzten Bericht des Weltklimarats wurde lediglich eine lose Schätzung abgegeben, der Wert liege vermutlich zwischen 1,5°C und 4,5°C – eine große Spannweite. Im aktuellen Bericht können deutlich zuverlässigere Zahlen angegeben werden, die allerdings leider etwas pessimistischer ausfallen als im letzten Bericht. Demzufolge liegt die Klimasensitivität in acht von zehn Fällen zwischen 2°C und 5°C, wobei die Unsicherheit für die Obergrenze größer ist als für die Untergrenze.

Der wahrscheinlichste Wert für die Gleichgewichtssensitivität wird vom Weltklimarat jetzt mit 3°C angegeben, mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Wert zwischen 2,5°C und 4°C.

Teil II: Mögliche Klimazukünfte

Das ist also der aktuelle Stand – so weit, so verstörend. Werfen wir nun einen Blick in die Zukunft. Der Weltklimarat unterscheidet hier zwischen verschiedenen Szenarien: SSP1-1.9, SSP1-2.6, SSP2-4.5, SSP3-7.0 und SSP5-8.5. Schauen wir uns einmal drei davon an.

SSP1-1.9 (Friede, Freude,…): Gemeinwohlökonomie, sinkende Ungleichheit zwischen den und innerhalb der Staaten, Priorität auf geringen Ressourcen- und Energieverbrauch. Die Periode 2081-2100 wird 1,0°C bis 1,8°C wärmer sein als die vorindustrielle Zeit.

SSP2-4.5 („Weiter so“): Fortsetzung der aktuellen Entwicklung mit lediglich zaghaftem Ausbau internationaler Strukturen und sich abschwächendem Bevölkerungswachstum. Die Periode 2081-2100 wird 2,1°C bis 3,5°C wärmer sein als die vorindustrielle Zeit.

SSP5-8.5 („Worst Case“): Die Periode 2081-2100 wird 3,3°C bis 5,7°C wärmer sein als die vorindustrielle Zeit. Der Rest ist dann sowieso egal…

„Global surface temperature will continue to increase until at least the mid-century under all emissions scenarios considered. Global warming of 1.5°C and 2°C will be exceeded during the 21st century unless deep reductions in CO2 and other greenhouse gas emissions occur in the coming decades.“

Das ist mal ne Ansage… In allen Szenarien des Weltklimarats steigt die globale Oberflächentemperatur bis zur Mitte des Jahrhunderts weiter an. Werden keine drastischen Gegenmaßnahmen ergriffen, werden die 1,5°C-Grenze und die 2°C-Grenze im Laufe des 21.Jahrhunderts definitiv überschritten. Eine Erwärmung von 2°C, die als kritische Schwelle für einen Point-of-no-Return gilt, wird in allen Szenarien außer SSP1-1.9 und SSP1-2.6 sicher oder sehr wahrscheinlich überschritten.

Under the five illustrative scenarios, in the near term (2021-2040), the 1.5°C global warming level is very likely to be exceeded under the very high GHG emissions scenario (SSP5-8.5), likely to be exceeded under the intermediate and high GHG emissions scenarios (SSP2-4.5 and SSP3-7.0), more likely than not to be exceeded under the low GHG emissions scenario (SSP1-2.6) and more likely than not to be reached under the very low GHG emissions scenario (SSP1-1.9). Furthermore, for the very low GHG emissions scenario (SSP1-1.9), it is more likely than not that global surface temperature would decline back
to below 1.5°C toward the end of the 21st century, with a temporary overshoot of no more than 0.1°C above 1.5°C global warming“

Jetzt wird es nochmal kompliziert, aber auch wichtig. Es geht darum, was der Bericht des Weltklimarats über die Erreichbarkeit des 1,5°C-Ziels aussagt. In naher Zukunft, also zwischen 2021 und 2040 wird die 1,5°C-Marke im SSP5-8.5-Szenario sehr wahrscheinlich überschritten, in den Szenarien SSP2-4.5 und SSP3-7.0 wahrscheinlich überschritten und selbst im Szenario SSP1-2.6 und dem Best-Case-Szenario SSP1-1.9 immer noch wahrscheinlicher überschritten als nicht überschritten. Das sieht gar nicht gut aus. Aber Vorsicht: Ganz abschreiben darf man das Ziel deshalb noch nicht, denn es gibt eine weitere Passage, die nicht übersehen werden sollte:

„Furthermore, for the very low GHG emissions scenario (SSP1-1.9), it is more likely than not that global surface temperature would decline back to below 1.5°C toward the end of the 21st century, with a temporary overshoot of no more than 0.1°C above 1.5°C global warming.“

Im Best-Case-Szenario des Weltklimarats liegt die Wahrscheinlichkeit also immerhin noch bei über 50%, dass die Temperatur nur vorübergehend um höchstens 1,6°C steigt, bis zum Ende des Jahrhunderts aber wieder auf unter 1,5°C sinkt. Physikalisch ist das 1,5°C-Ziel noch drin – aber eben nur, wenn das beste aller Szenarien eintritt und wir dann noch Glück haben.

Ebenfalls Missverständnisse gab es beim Zeitpunkt des Überschreiten, denn viele Medien stellten einen Vergleich zum Sonderbericht 1,5°C Globale Erwärmung aus dem Jahr 2018 an und schlussfolgerten, dass eine Erhitzung um 1,5°C laut dem neuen Bericht um etwa ein Jahrzehnt früher eintreten werde als im Sonderbericht prognostiziert. Das ist aber ein Vergleich von Äpfel mit Birnen, bei genauem Hinsehen bestätigt der aktuelle Bericht den Sonderbericht von 2018 recht gut.

Werfen wir mal einen Blick in den Sonderbericht des Weltklimarats von 2018, sehen wir, dass der Zeitpunkt für die kritische Marke von 1,5°C dort auf zwischen 2030 und 2052 angesetzt wird, aber mit dem klaren Zusatz, dass deutlich mehr Daten auf die untere Grenze von 2030 hindeuten und eigentlich nur eine einzige auf die obere von 2052 – diese Einschätzung basiert allerdings lediglich auf einer linearen Fortsetzung der bisherigen Erwärmung. In einem späteren Teil wird dann eine fundiertere Prognose angestellt, die auch Veränderungen der Treibhausgasemissionen (und der kühlenden Aerosol-Emissionen) enthält und den Zeitpunkt für das Überschreiten von 1,5°C im Jahr 2035 sieht.

Das steht im Einklang mit den Ergebnissen des aktuellen Weltklimarat-Berichts, der das Überschreiten der 1,5°C-Marke in fast allen Szenarien auf die frühen 2030er Jahre datiert, lediglich im SSP5-8.5 Szenario auf die späten 2020er. Der wahrscheinlichste Wert für das Überschreiten liegt laut Weltklimarat damit bei 2034.

Stellen wir Gleiches Gleichem gegenüber, gehen die Angaben der beiden Berichte also nur um ein Jahr auseinander. Das ist allerdings auch nicht allzu beruhigend, denn es zeigt wie zuverlässig die fatalen Ergebnisse aus dem Sonderbericht von 2018 sind – wir müssen uns definitiv darauf einstellen, die kritische Marke im Laufe des nächsten Jahrzehnts zu erreichen, einzelne Monate oder Jahre könnten sogar schon bis 2025 ganze 1,5°C wärmer sein als im vorindustriellen Zeitalter.

Das Ergebnis des Weltklimarats ist also tatsächlich fatal. Aber nicht ganz so neu wie eine Schlagzeilen vermuten lassen.

„Additional warming is projected to further amplify permafrost thawing, and loss of seasonal snow cover, of land ice and of Arctic sea ice (high confidence). The Arctic is likely to be practically sea ice free in September at least once before 2050 under the five illustrative scenarios considered in this report, with more frequent occurrences for higher warming levels. There is low confidence in the projected decrease of Antarctic sea ice.“

In allen fünf Szenarien des Weltklimarats wird die Arktis schon vor der Mitte des Jahrhunderts mindestens einmal im September eisfrei sein – die Szenarien mit höherer Erwärmung erhöhen die Anzahl solcher meereisfreier Sommer. Die Projektionen zum Rückgang des antarktischen Meereises sind relativ unsicher. Hohes Vertrauen besteht allerdings in die Aussage, dass zusätzliche Erwärmung die Permafrost-Schmelze und den Rückgang des jährlichen Schneefalls verstärkt.

„Under scenarios with increasing CO2 emissions, the ocean and land carbon sinks are projected to be less effective at slowing the accumulation of CO2 in the atmosphere.“

So ein kleiner, unauffälliger Satz und doch so wichtig… Tatsächlich ist das ein ganz kritischer Punkt: Bisher verschaffen sogenannte Kohlenstoffsenken einen Puffer, indem sie Teile der emittierten Treibhausgase aufnehmen, bspw. Wälder, Moore und Ozeane. Diese Speicher sind jedoch nicht unbegrenzt, so können die Ozeane bspw. nur eine begrenzte Menge der Treibhausgase aufnehmen, die mit der Temperatur des Meerwassers ungünstigerweise auch noch sinkt…

Auch die Produktivität der Biosphäre, also ihre Fähigkeit zum Speichern von Kohlenstoff, wird mit zunehmender Erwärmung nachlassen – der Amazonische Regenwald ist beispielsweise schon jetzt klimapositiv, stößt also mehr Treibhausgase aus als er bindet.

Wir bringen das Klima nicht nur in Gefahr, sondern hebeln auch die Mechanismen aus, die es noch zu retten vermögen.

It is virtually certain that global mean sea level will continue to rise over the 21st century. Relative to 1995-2014, the likely global mean sea level rise by 2100 is 0.28-0.55 m under the very low GHG emissions scenario (SSP1-1.9), 0.32-0.62 m under the low GHG emissions scenario (SSP1-2.6), 0.44-0.76 m
under the intermediate GHG emissions scenario (SSP2-4.5), and 0.63-1.01 m under the very high GHG emissions scenario (SSP5-8.5) (…) Global mean sea level rise above the likely range – approaching 2 m by 2100 and 5 m by 2150 under a very high GHG emissions scenario (SSP5-8.5) (low confidence) – cannot be ruled out due to deep uncertainty in ice sheet processes.

Richtig schlechte Nachrichten überbringt der Weltklimarat vom Meeresspiegelanstieg: Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99% wird er über das gesamte 21.Jahrhundert weiter steigen. Relativ zum Pegelstand 1995-2014 (der ja schon deutlich erhöht ist) steigt der Meeresspiegel selbst im enthusiastischen SSP1-1.9-Szenario nochmal um 0,28 bis 0,55 Meter. Im SSP1-2.6-Szenario steigt er um weitere 0,32 bis 0,62 Meter, im SSP2-4.5-Szenario um weitere 0,44 bis 0,76 Meter und im SSP5-8.5-Szenario um 0,63 bis 1,01 Meter – zumindest sind das die wahrscheinlichsten Bereiche.

Osaka bei Meeresspiegelanstieg von 1,5 Metern

Werte weit überhalb dieses Rahmens, nämlich von bis zu zwei Metern zusätzlichem Anstieg bis 2100 und gar fünf Metern bis 2150, können vom Weltklimarat nicht ausgeschlossen werden, denn die Dynamik der Eisschilde und ihres Abschmelzen ist noch mit großer Unsicherheit belegt. Das Bild zeigt Osaka bei einem Meeresspiegelanstieg von 1,5 Metern.

„The Atlantic Meridional Overturning Circulation is very likely to weaken over the 21st century for all emission scenarios. While there is high confidence in the 21st century decline, there is only low confidence in the magnitude of the trend.“

Großes Thema ist gerade aktuell die Atlantische Umwälzzirkulation, ein das Klima in Europa stabilisierendes Meeresströmungssystem, zu dem auch der Golfstrom gehört. In allen Szenarien des Weltklimarats schwächt sich die Zirkulation im Laufe des 21.Jahrhunderts ab, und zwar mit hohem Vertrauen. Für einen bisherigen Trend ist die Unsicherheit allerdings groß, was daran liegt, dass mögliche natürliche Schwankungen bisher noch einen menschlichen Einfluss überdecken könnten – was nicht bedeutet, dass es keinen gibt. Gleichzeitig sieht der Weltklimarat aber ein abruptes völliges Ende der Zirkulation im 21.Jahrhunderts als unwahrscheinlich.

Teil III: Eindämmung der Klimakrise

Im dritten Teil geht es wohl um die wichtigste Frage: Wie lässt sich die Klimakrise eindämmen?

„This Report reaffirms with high confidence the AR5 finding that there is a near-linear relationship between cumulative anthropogenic CO2 emissions and the global warming they cause. Each 1000 GtCO2 of cumulative CO2 emissions is assessed to likely cause a 0.27°C to 0.63°C increase in global surface
temperature with a best estimate of 0.45°C.“

Der aktuelle Bericht bekräftigt die Ergebnisse des letzten Berichts: Die Temperatur steigt nahezu synchron mit dem Ausstoß von Treibhausgasen, pro 1.000 Gigatonnen ist eine Erwärmung von 0,27°C bis 0,63°C wahrscheinlich – der beste Wert liegt bei 0,45°C. Daraus folgt: Für eine Stabilisierung des Klimas müssen die Emissionen auf null!

„Anthropogenic CO2 removal (CDR) leading to global net negative emissions would lower the atmospheric CO2 concentration and reverse surface ocean acidification (high confidence). Anthropogenic CO2 removals and emissions are partially compensated by CO2 release and uptake respectively, from or to
land and ocean carbon pools (very high confidence). CDR would lower atmospheric CO2 by an amount approximately equal to the increase from an anthropogenic emission of the same magnitude (high confidence). The atmospheric CO2 decrease from anthropogenic CO2 removals could be up to 10% less than the atmospheric CO2 increase from an equal amount of CO2 emissions, depending on the total amount of CDR (medium confidence).“

Der Weltklimarat bezieht sich auch auf Technologien, die Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre filtern können. Mit hohem Vertrauen könnte die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre gesenkt und die Versauerung der Ozeane rückgängig gemacht werden. Allerdings ist diese Technik nicht perfekt, der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre würde bei der Entfernung einer bestimmten Menge nur ungefähr um das Maß sinken, um das er bei der Emission derselben Menge gestiegen ist – es könnten auch bis zu 10% weniger sein, denn so wie Kohlenstoffspeicher nun teilweise unsere Emissionen kompensieren, täten sie das mit sehr hohem Vertrauen auch mit negativen Emissionen.

„If global net negative CO2 emissions were to be achieved and be sustained, the global CO2-induced surface temperature increase would be gradually reversed but other climate changes would continue in their current direction for decades to millennia (high confidence). For instance, it would take several centuries to
millennia for global mean sea level to reverse course even under large net negative CO2 emissions (high confidence).“

Ein weiterer erwartbarer Dämpfer: Selbst beim Erreichen globaler Klimaneutralität würde zwar der Temperaturanstieg gestoppt und teilweise umgekehrt, andere Entwicklungen würden sich mit hohem Vertrauen aber für Jahrtausende fortsetzen, so etwa der Meeresspiegelanstieg – selbst dann, wenn wir große Mengen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre holen würden.

Emissions reductions in 2020 associated with measures to reduce the spread of COVID-19 led to temporary but detectible effects on air pollution (high confidence), and an associated small, temporary increase in total radiative forcing, primarily due to reductions in cooling caused by aerosols arising from
human activities (medium confidence). Global and regional climate responses to this temporary forcing are, however, undetectable above natural variability (high confidence). Atmospheric CO2 concentrations continued to rise in 2020, with no detectable decrease in the observed CO2 growth rate (medium
confidence).

Auch mit dem Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Klimakrise beschäftigt sich der Bericht. Mit hohem Vertrauen konnten messbare Effekte auf die Luftverschmutzung registriert werden, die allerdings vorübergehender Natur sind. Der Strahlungsantrieb stieg kurzfristig geringfügig an, da bspw. durch den mangelnden Flugverkehr weniger kühlende Aerosole ausgestoßen wurden und somit ein größerer Teil der Sonnenstrahlung gespeichert wurde. Insgesamt sind die Effekte aber zu vernachlässigen, die Auswirkungen auf das Klima stechen nicht einmal aus den natürlichen Schwankungen hervor. Es gibt mit mittlerem Vertrauen keine messbare Verlangsamung des Anstiegs der Kohlenstoffdioxid-Konzentration im Jahr 2020.

Fazit

Was ist das Fazit? Erst einmal ist dieser Bericht rein methodisch und fachlich beeindruckend, die Daten sind die zuverlässigsten aus der Geschichte des Weltklimarats – dass sie im Wesentlichen die fatalen Daten der vergangenen Berichte untermauern und diese teilweise sogar übertreffen, ist besorgniserregend. Besonders die Zahlen zur Klimasensitivität und unseren Chancen, die Erderhitzung noch auf 1,5°C zu begrenzen, sind eine Katastrophe. Bei einigen Punkten droht uns in allen Szenarien Unheil, aber in vielen Aspekten – auch dem Meeresspiegelanstieg, von dem häufig behauptet wird, wir könnten ihn sowieso nicht mehr beeinflussen – unterscheiden sich die Szenarien erheblich, was zeigt: Es lohnt sich noch, das SSP1-1.9-Szenario anzuvisieren.

Und wenn nicht, gibt es ja noch die Vulkane:

„Based on paleoclimate and historical evidence, it is likely that at least one large explosive volcanic eruption would occur during the 21st century. Such an eruption would reduce global surface temperature and precipitation, especially over land, for one to three years, alter the global monsoon circulation, modify extreme precipitation and change many CIDs (medium confidence). If such an eruption occurs, this would therefore temporarily and partially mask human-caused climate change.“

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