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Wie groß ist das Sonnensystem?

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Groß.

Wie groß genau? Diese Frage stellt man sich schon seit sehr langer Zeit, doch vor allem die Voyager-Sonden rückten sie in die öffentliche Debatte. Ob sich die Raumsonden noch innerhalb des Sonnensystems befinden oder sie es schon verlassen haben, ist nämlich davon abhängig, wie man es definiert. Viele Medien sahen das mit den Begriffen dort leider etwas lockerer.

„US-Raumsonde: „Voyager 1″ hat das Sonnensystem verlassen“

spiegel.de

„NASA: Voyager 1 hat unser Sonnensystem verlassen“

heise.de

„Raumsonde hat unser Sonnensystem verlassen.“

bild.de

Dabei ist einfach klingende Frage „Wie groß ist unser Sonnensystem?“ höchst komplex und letztlich haben die Raumsonden das Sonnensystem nach der in meinen Augen sinnvollsten Definition nicht verlassen.

Ernst Öpik und die theoretische Grenze

Für eine sehr lange Zeit dachten wir, das Sonnensystem sei eigentlich das ganze Universum. Erst mit der Entdeckung des Fernrohrs konnte man sehen, dass die Fixsterne auf keinen Fall zum Sonnensystem gehören können, denn die Planeten erschienen im Fernrohr als kleine Scheiben, die Sterne blieben jedoch scheinbar punktförmig.

Das musste bedeuten, dass die Sterne sehr viel weiter weg sind als die Planeten. Und erst noch viel später entdeckte man, dass das Sonnensystem nach dem Saturn keineswegs vorbei ist, hinter ihm liegen noch zwei Planeten, ein ganzer Asteroidengürtel und wohl hunderte Zwergplaneten.

Die Frage nach der Herkunft der langperiodischen Kometen rückte die Frage „Wie groß ist das Sonnensystem?“ in ein anderes Licht, denn anlässlich dieser Frage berechnete der estnische Astrophysiker Ernst Öpik, wie weit das Sonnensystem denn theoretisch reichen könnte.

Damit ist also gemeint, wie weit sich Himmelskörper auf ihrer Bahn von der Sonne entfernen können, um noch an sie gebunden zu sein. Öpik kam dabei auf einen maximalen Abstand von einer Millionen Astronomischen Einheiten. Hier ist das Sonnensystem also spätestens zu Ende.

Wo der Sonnenwind endet…

Doch wie groß ist das Sonnensystem wirklich? Und ist es wirklich erst bei den besagten eine Millionen Astronomischen Einheiten vorbei? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie man das Sonnensystem definiert. Die Berichte darüber, dass Voyager das Sonnensystem verlassen hat, beruhen auf der thermisch-magnetischen Definition des Sonnensystems. Von der Sonne geht ein Strom geladener Teilchen aus, der in alle Richtungen ins All strömt.

Die Intensität dieses Stroms nimmt natürlich mit der Entfernung zur Sonne ab, die Intensität der interstellaren Strahlung nimmt zu. Nun gibt es eine Grenze, bei der diese beiden Ströme aufeinandertreffen und sich die Waage halten. Jenseits dieser Grenze gibt es keinen Sonnenwind mehr und der interstellare Raum beginnt. Dieser Ort nennt sich Heliopause.

Eigentlich ist es etwas komplizierter, so gibt es auch eine Randstoßwelle, bei der die Geschwindigkeit des Sonnenwindes unter die Schallgeschwindigkeit sinkt und der Sonnenwind abrupt abgebremst wird und eine Bugwelle, wo das interstellare Gas verdichtet wird, aber das ist hier zweitrangig. Die herangezogene Definition sagt nun also, alles innerhalb der Heliopause gehört zum Sonnensystem, alles außerhalb der Heliopause nicht. Kann man machen, ergibt aber wenig Sinn.

Grenzenlose Gravitation

Denn die Sonne hat nicht nur einen thermischen Einfluss, sie beeinflusst ihre Umgebung auch durch ihre enorme Gravitationskraft. Und die hört nicht an einer Grenze abrupt auf. Die Gravitationskraft, mit der die Sonne auf Objekte wirkt, lässt sich recht einfach durch Newtons Gravitationsgesetz berechnen.

Newtonsches Gravitationsgesetz

Daraus folgt, dass die Gravitationskraft sich antiproportional zum Quadrat des Abstands der Massen verhält. Das führt dazu, dass die Gravitationskraft zwar sehr schnell schwächer wird (durch das Quadrat), aber niemals null beträgt, die Gravitationskraft eines Objekts reicht also unendlich weit, wird nur irgendwann vernachlässigbar schwach. Jedes Objekt im Universum wird also im Prinzip von jedem anderen angezogen. Demzufolge wäre unser Sonnensystem unendlich groß.

Dieses grundsätzliche Prinzip unserer Welt macht es natürlich schwer, eine Grenze des gravitativen Einflusses der Sonne zu finden. Dies ist allerdings möglich durch die Hill-Sphäre, also den Bereich um einen Himmelskörper, in dem seine Gravitationskraft dominant ist.

Gravitativer Einfluss weit größer

Dieser Bereich ist wirklich viel größer als der Einflussbereich des Sonnenwindes. Alle bekannten Planeten bewegen sich noch deutlich innerhalb der Heliopause, so ist Neptun etwa 30 Astronomische Einheiten entfernt, die Heliopause liegt aber erst bei 125 Astronomischen Einheiten, Voyager 1 ist derzeit etwa 150 Astronomische Einheiten entfernt. Somit befindet die Raumsonde sich strenggenommen tatsächlich im interstellaren Raum. Solche Schlagzeilen sind also tatsächlich korrekt.

„Voyager 2: Erste Daten aus dem interstellaren Raum“

scinexx.de

Die Frage „Wie groß ist das Sonnensystem?“ ist eben eine andere als „Wo beginnt der interstellare Raum?“. Denn auch im interstellaren Raum gibt es noch viele Asteroiden – manche einige hunderte Kilometer groß. Diese gehören auf jeden Fall noch zum Sonnensystem. Das Sonnensystem endet erst mit Ende der Oortschen Wolke, der Wolke aus Kometen, die unsere Sonne umgibt. Und so sagt es auch die NASA:

“So, would the team say Voyager 1 has left the solar system? Not exactly – and that’s part of the confusion. Since the 1960s, most scientists have defined our solar system as going out to the Oort Cloud, where the comets that swing by our sun on long timescales originate. That area is where the gravity of other stars begins to dominate that of the sun. It will take about 300 years for Voyager 1 to reach the inner edge of the Oort Cloud and possibly about 30,000 years to fly beyond it.“

Um auch nur die innere Grenze dieser geheimnisvollen Wolke zu erreichen, wird Voyager also noch 300 Jahre fliegen müssen. Und die äußere Grenze, die vermutlich bei etwa 100.000 Astronomischen Einheiten liegt, wird sie erst in 30.000 Jahren hinter sich haben. Nun: Wie groß ist das Sonnensystem? Vermutlich etwa 100.000 Astronomische Einheiten. Wenn Voyager 1 diese Grenze hinter sich hat, dann hat sie das Sonnensystem verlassen. Aber bevor sie das tut, wird es vermutlich noch sehr viele Schlagzeilen geben, die fälschlicherweise behaupten, sie hätte es bereits getan. Es gibt sogar eine Strichliste.

Letztlich ist es aber eigentlich auch egal. Der interstellare Raum, den Voyager 1 derzeit durchfliegt ist hochinteressant und im wesentlichen sieht er dort, wo sie jetzt ist, genauso aus wie in der Oortschen Wolke. Die Frage nach der Größe des Sonnensystem ist also vor allem menschlicher Natur. Es gibt kein durch eine Grenze isoliertes vom Rest des Kosmos abgeriegeltes Sonnensystem. Sowas machen nur wir Menschen.

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