fbpx

Wochenendrebellen

Groundhopping | Autismus | Wissenschaft | Podcast | Weltverbesserung

Wie viele Monde hat die Erde?

Hufeisenumlaufbahn, Wie viele Monde hat die Erde?

Wie viele Monde hat die Erde?

Einen.

Dann bis nächsten Mittwoch…

Nein, wäre es so einfach, würde ich wohl kaum darüber schreiben. Die Frage ist tatsächlich hochkomplex und wurde in Vergangenheit schon häufig ernsthaft gestellt. Und auch heute lohnt es, sich damit zu beschäftigen.

Der Grund, warum wir die Frage „Wie viele Monde hat die Erde?“ so eindeutig mit „Einen.“ beantworten, ist die überragende Größe unseres Trabanten. Der Mond beeinflusst die Erde wie kein anderer Mond seinen Planeten: Er ist der einzige Himmelskörper, auf dem wir mit bloßem Auge Oberflächendetails erkennen, er hat die kulturelle Bedeutung von Nacht, an ihm orientierten sich die ersten Zeitrechnungen, er verursacht die Gezeiten und hält das Klima auf der Erde konstant und er ist bisher der einzige Himmelskörper, den Menschen betreten haben. 

Unser Mond – Einzigartig im Sonnensystem

Diese Dominanz liegt an dem Größenverhältnis von Erde und Mond. Der Erdradius ist nur etwa 3,7-mal größer als der Mondradius und die Mondmasse beträgt 1,2% der Erdmasse – beides ist so viel wie bei keinem anderen Planeten im Sonnensystem. Dennoch dachten die Menschen auch früher schon über einen möglichen zweiten Mond nach.

Schon im 11.870 HE veröffentlichten Roman Reise um den Mond von Jules Verne kommt ein Zweiter Erdmond vor. Er hat nur die Größe eines Asteroiden und verursacht die gravitativen Störungen, wegen der die Astronauten den großen Erdmond verfehlen. In einer Dagobert Duck-Geschichte befindet sich ein zweiter Erdmond hinter dem bereits bekannten Mond, der passender Weise aus purem Gold besteht. Und in Ein Riß in der Welt lässt eine Katastrophe Magma aus dem Erdinneren in den Orbit strömen und einen zweiten Erdmond bilden.

Doch auch in der Wissenschaft hat die Idee eines zweiten Erdmonds Tradition.

Petit und Lilith

Als Verne in seinem Roman einen zweiten Erdmond erwähnte, war er wohl inspiriert von der angeblichen Entdeckung des französischen Astronomen Frédéric Petit. Doch bereits die Bahnangaben Petits hätten seine Behauptung als Unfug entlarven sollen: Ihr erdfernster Punkt sollte bei nur 3.570 Kilometern Entfernung liegen.

Das ist sehr nah, etwa 112-mal näher als die Entfernung des Mondes. Der erdnächste Punkt jedoch sollte nur bei 11,4 Kilometern liegen und das ist wirklich unmöglich, denn damit läge der Mond mitten in der Erdatmosphäre, etwa auf der Höhe von Flugzeugen, er würde also verglühen, bzw. durch die Luftreibung abstürzen.

Der Petit genannte Mond existiert selbstverständlich nicht, genauso wenig wie der angeblich 11.898 HE entdeckte Lilith. Der Hamburger Astronom Georg Waltemath behauptete damals, er hätte das Objekt während eines Transits vor der Sonne beobachtet. Tatsächlich beobachteten viele Menschen dieses Ereignis, bis heute ist nicht klar, was genau sie gesehen haben, womöglich Sonnenflecken. Daher blieb Lilith zumindest in der Diskussion.

Wie viele Monde hat die Erde? Bekanntgabe der Entdeckung eines zweiten Erdmonds
Bekanntgabe von Waltemaths angeblicher Entdeckung eines zweiten Erdmonds

11.918 HE griff Walter Richard Old die Idee wieder auf und verteidigte die Existenz von Lilith. Der Himmelskörper sollte sogar ähnlich groß wie unser echter Mond. Der Grund dafür, dass wir ihn noch nie beobachten konnte, sei, dass er extrem dunkel, fast vollständig schwarz und daher nur bei Transits vor der Sonne zu sehen ist.

Natürlich zeigte auch diese Argumentation, dass Lilith nicht existiert. Erstens war Old ein Astrologe, Quatsch erzählen war also praktisch sein Beruf, und zweitens ist ein solcher Himmelskörper physikalisch kaum möglich – er müsste so viel Licht absorbieren, dass er glühen würde, im infraroten Bereich würde er sofort auffallen und auch die gravitative Wirkung wäre längst registriert worden.

Was macht einen Mond zum Mond?

Alle vergangenen Ideen von zweiten Erdmonden sind Unsinn, doch könnte es tatsächlich einen zweiten Mond geben? Das kommt ganz darauf an, wie man das Wort „Mond“ definiert, denn dafür gibt es keine einheitliche Definition. Natürlich sollte er die Erde umkreisen, er sollte außerdem mehr als nur ein Staubkorn und natürlichen Ursprungs sein, sonst wären ja auch die ISS, die vielen Satelliten und der Weltraumschrott Monde.

Wenn wir diese Kriterien anlegen, wie viele Monde hat die Erde dann?

Leider kann man das noch immer nicht eindeutig eingrenzen. Denn umkreisen ist nicht gleich umkreisen. Da ist zum Beispiel der Asteroid 2010 TK7, das ist ein 300 Meter großer Himmelskörper, der gravitativ an die Erde gebunden ist. Bei ihm handelt es sich jedoch nicht um einen Mond, sondern um einen Trojaner. In der Astronomie ist ein Trojaner ein Himmelskörper, der sich sozusagen mit einem Planeten die Umlaufbahn teilt. Er befindet sich an den Lagrange-Punkten 4 und 5, diese Punkte befinden sich auf der Umlaufbahn des Planeten 60° vor und 60° hinter dem Planeten.

Es besteht also eine langfristige gravitative Bindung an die Erde, doch 2010 TK7 umkreist nicht die Erde, sondern die Sonne, eben nur auf einer erdähnlichen Umlaufbahn. Er ist also kein zweiter Erdmond, auch wenn

Quasisatelliten und koorbitale Objekte

Wenn ein solcher Trojaner im Laufe der Jahrtausende jedoch vom Lagrange-Punkt abkommt, kann er zu einem Quasisatelliten werden. Häufig gelangt er dann auf eine sogenannte Hufeisenumlaufbahn. Das Objekt pendelt dann zwischen einem sonnennäheren und sonnenferneren Punkt seiner Umlaufbahn hin und her, aus der Perspektive der ruhenden Sonne handelt es sich also um eine Ellipsenbahn, aus der Perspektive der Erde jedoch beschreibt die Umlaufbahn einen hufeisenartigen Bogen. 

Auch hier liegt eine gravitative Bindung vor und aus der Perspektive der Erde kann es dannso aussehen, als würde das Objekt zum Teil einen Umlauf beschreiben, doch tatsächlich umkreisen auch solche Körper lediglich mit der Erde die Sonne. Auch wenn häufig so genannt, zweite Erdmonde sind das nicht.

Einige erdnahe Asteroiden befinden sich in sogenannten 1:1-Resonanzen mit der Erde. Ein Beispiel dafür ist in etwa (3753) Cruithne, er hat immerhin einen Durchmesser von über zwei Kilometern. Aus dem Bezugssystem der Erde beschreibt (3753) Cruithne einen bohnenförmigen Orbit, doch eigentlich handelt es sich lediglich um ein koorbitales Objekt, die Umlaufzeit des Asteroiden entspricht also sehr genau der unseres Planeten.

Bahn des Asteroiden 2002 AA29 aus Bezugssystem Sonne und Bezugssystem Erde
Wie viele Monde hat die Erde? Eine Frage des Bezugssystems: Aus der bewegten Perspektive der Erde scheint der Quasisatellit 2002 AA29 die Erde zu umkreisen, aus dem ruhenden Bezugssystem der Sonne hingegen (links) umkreist er die Sonne.

Doch dieser Umlauf findet um die Sonne statt, so reicht der Orbit von (3753) Cruithne fast bis an die Merkurbahn nach Innen und fast bis an die Marsbahn nach Außen. (3753) Cruithne ist also eindeutig kein zweiter Erdmond. Genauso wenig wie die anderen an die Erde gebundenen erdnahen Asteroiden.

Temporäre Monde

Weniger eindeutig sieht es bei temporären Monden aus. Das sind Himmelskörper, welche die Erde tatsächlich umkreisen – jedoch nur kurzfristig. Hin und wieder kommt es vor, dass ein Asteroid von der Erde eingefangen wird und sie dann für kurze Zeit umkreist. Sogar aktuell umkreist ein solcher zweiter Mond die Erde, der Asteroid 2020 CD3. Er ist mit circa drei Metern nur etwa so groß wie ein Auto und umkreist die Erde einmal in 47 Tagen meist außerhalb der Mondbahn.

Sowas kommt durchaus häufiger vor, schon 12.006 HE und 12.007 HE umkreiste der Asteroid 2006 HO3 die Erde. Doch natürlich ist das nicht das woran wir denken, wenn wir nach einem zweiten Mond suchen. „Wie viele Monde hat die Erde?“, damit sind vollwertige, dauerhafte Monde gemeint. Hat die Erde davon mehr als einen?

Mini-Monde

Vielleicht. Wenn das der Fall ist, muss der allerdings sehr klein sein, nur einige Meter groß, ansonsten hätten wir ihn schon entdeckt. Man kann die Suche jedoch eingrenzen, denn ein hypothetischer zweiter Mond müsste sich innerhalb der sogenannten Hills-Sphäre befinden. Das ist der Bereich um die Erde, in der ein Himmelskörper stärker an die Erde gebunden ist als an die Sonne und daher die Erde umkreist. Im Falle der Erde endet die Hills-Sphäre bei etwa 1,5 Millionen Kilometern Entfernung, also etwa dem 4-fachen Abstand zwischen Erde und Mond.

In diesem Bereich kann man nach weiteren Objekten suchen, welche die Erde umkreisen. Ein Kandidat ist das Objekt 6Q0B44E. Es umkreist die Erde recht stabil auf einer elliptischen Umlaufbahn mit einer Entfernung zwischen 585.000 und 983.000 Kilometern einmal in 80 Tagen. 6Q0B44E zieht seine Umlaufbahn also vollständig außerhalb der Mondbahn. Das Objekt ist nur wenige Meter groß, ginge aber von der Größe her als Asteroid durch. Womöglich ist es aber auch Weltraumschrott. Dann wäre es im Grunde genommen ein menschengemachter Mond, der die Erde in großer Entfernung umkreist – mindestens genauso beeindruckend.

Die Frage „Wie viele Monde hat die Erde?“ ist also tatsächlich nicht final geklärt. Aber wenn wir hier von großen astronomischen Objekten sprechen, die größer sind als ein paar Meter, ist der Mond unser einziger Begleiter. Die Erde hat also einen größeren Mond. Oder eventuell gar keinen?

Mond oder Doppelplanet?

Das ist keine Anspielung an Verschwörungstheoretiker*innen oder auf irgendwelche Mondprojektionen. Natürlich gibt es den Mond wirklich und er ist wirklich verdammt groß. So groß, dass man ihn beinahe schon Planet nennen könnte. Und würde er nicht die Erde umkreisen, sondern sich auf einer eigenen Umlaufbahn um die Sonne befinden, würden wir ihn auch sicher als Planeten klassifizieren, immerhin ist er merklich größer als Pluto, der nicht wegen seiner Größe kein Planet mehr ist.

Könnte man den Mond gewisser Maßen auch als Planeten und das Erde-Mond-System somit das Doppelplanetensystem sehen? Ja, das wäre eine Möglichkeit, denn es ist nicht definiert, was ein Doppelplanetensystem ausmacht. Eigentlich ist jedes System irgendwie ein Doppelsystem, denn genau genommen umkreist nie ein Körper den anderen, sondern sie umkreisen immer ihr gemeinsames Massenzentrum. Bei extrem großer Massendifferenz liegt dieses Massenzentrum jedoch fast genau im Mittelpunkt des größeren Körper. Daher würde man den Jupiter und seine Monde wohl kaum als Mehrfachplaneten bezeichnen, obwohl auch einige seiner Monde Planeten sein könnten.

Erde-Mond-Schwerpunkt, Wie viele Monde hat die Erde?
Wie viele Monde hat die Erde? Etwa gar keinen?

Man könnte ein Doppelplaneten also auch dadurch definieren, dass der gemeinsame Schwerpunkt außerhalb des größeren Körpers liegt. Nach dieser Definition wäre das Erde-Mond-System kein Doppelplanetensystem, denn der Erde-Mond-Schwerpunkt liegt noch innerhalb der Erde 1.700 Kilometer unter der Erdoberfläche – aber damit immerhin ganze 4.700 Kilometer von Erdmittelpunkt entfernt.

Wie viele Monde hat die Erde?

Also, wie viele Monde hat die Erde? Je nach dem, welcher Definition man sich bedient, hat die Erde keinen, einen oder viele Monde. Bestätigte größere und stabile natürliche Trabanten hat die Erde jedoch nur einen. Die offensichtlichste Antwort auf die Frage „Wie viele Monde hat die Erde?“ bleibt also die sinnvollste.

Show More

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert