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Wolfgang Pauli ist eine kontroverse Persönlichkeit. Namhafte Physiker wie Werner Heisenberg ließen ihn Arbeiten lesen, bevor sie publizierten, da Wolfgang Pauli bekannt für seine ehrliche, direkte und teils auch ziemlich respektlos formulierte Kritik war – selbst bei seinen Vorgesetzten oder Fachautoritäten wie Albert Einstein. Er selbst schaffte es nicht zu solch großer Berühmtheit, was wohl daran lag, dass Wolfgang Pauli sich mit extrem komplexen und schwer fassbaren Dingen beschäftigte. Dennoch finde ich, viel mehr Menschen sollten diesen großen Physiker kennen.
Steckbrief
Vollständiger Name: Wolfgang Ernst Friedrich Pauli
Geboren: 25. April 1900 in Wien
Gestorben: 15. Dezember 1958 in Zürich
Berufsfeld: Theoretische Physik
Werke: Pauli Lectures on Physics; Atom and archetype; Optics and the Theory of Electrons; Electrodynamics; Writings on Physics and Philosophy; Selected Topics in Field Quantization; Exclusion principle and quantum mechanics; Wave Mechanics: Volume 5 of Pauli Lectures on Physics; The Interpretation of Nature and the Psyche; Statistical Mechanics; Relativitätstheorie; Meson Theory of Nuclear Forces; Collected Scientific Papers; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a. Band II: 1930–1939 / Scientific Correspondence with Bohr, Einstein, Heisenberg a.o. Volume II: 1930–1939; Standing Together in Troubled Times; Physik und Erkenntnistheorie;
Fisica e conoscenza; Psiche e natura; Physique moderne et philosophie; Le Cas Kepler; Jung e Pauli. Il carteggio originale: l’incontro tra psiche e materia; Die allgemeinen Prinzipien der Wellenmechanik; Wissenschaftsgeschichte: Wolfgang Pauli: Ein Portrait; Aufsätze und Vorträge über Physik und Erkenntnistheorie; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a. / Scientific Correspondence with Bohr, Einstein, Heisenberg a.o.: Band/Volume IV Teil/Part IV: 1957-1958; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a. Band IV, Teil I: 1950–1952 / Scientific Correspondence with Bohr, Einstein, Heisenberg a.o. Volume IV, Part I: 1950–1952;
Thermodynamics and the Kinetic Theory of Gases; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a. Band IV, Teil III: 1955–1956. Scientific Correspondence with Bohr, Einstein, Heisenberg, a.o. Volume IV, Part III: 1955–1956; Physical Chemistry; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a.: Band 1: 1919–1929; Vierpoltheorie und ihre Anwendung auf elektronische Schaltungen; Fünf Arbeiten zum Ausschliessungsprinzip und zum Neutrino; Lehrbuch der Physik: Lehre von der strahlenden Energie Zweiter Band; Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a. / Scientific Correspondence with Bohr, Einstein, Heisenberg a.o.: Band IV, Teil II: 1953–1954 / Volume IV, Part II: 1953–1954 und über 2.000 wissenschaftliche Briefe an ausgewählte Fachkollegen
Ehrungen: Lorentz-Medaille; Nobelpreis für Physik; Vortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress; Mitglied der American Academy of Arts and Sciences; Max-Planck-Medaille; Wolfgang-Pauli-Vorlesungen an der Eidgenössischen Technische Hochschule Zürich; Straßennamen in Wien und Zürich; Benennung des Mondkraters Pauli; Benennung des Hörsaals der Physikalischen Institute an der Universität Hamburg
Lebenslauf
1900: Geburt in Wien
1918: Veröffentlichung von Wolfgang Paulis erster Arbeit direkt nach seiner Matura
1919: Beginn seines Physikstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität in München
1921: Promotion mit einer Arbeit über das Wasserstoffmolekül und Beginn als Assistent Max Borns
1922: Ende als Assistent Max Borns und Umzug nach Kopenhagen zu Niels Bohr
1923: Beginn als Professor in Hamburg
1925: Formulierung des Pauli-Prinzips
1928: Wechsel an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
1930: Erstmalige Postulation des Neutrinos
1935: Wechsel in die USA, wo Wolfgang Pauli unter anderem am Institute for Advanced Study forscht
1938: Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, womit Wolfgang Pauli deutscher Staatsbürger wird und einen Einbürgerungsantrag in der Schweiz stellt
1940: Flucht vor der Nazis in die USA
1942: Gastprofessor an der Purdue University
1946: Erhalt der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft und Rückkehr nach an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
1949: Erhalt der schweizerischen Staatsbürgerschaft
1956: Nachweis des Neutrinos am Cowan-Reines-Neutrinoexperiment
1958: Tod Wolfgang Paulis an Bauchspeicheldrüsenkrebs, und zwar im Krankenhauszimmer 137 (1/137 ist exakt der Wert der Feinstrukturkonstante, was Wolfgang Pauli als schlechtes Omen deutet.)
Zitate
„Meine persönliche Ansicht ist die, daß in einer zukünftigen Wissenschaft die Realität weder „psychisch“ noch „physisch“ sein wird, sondern irgendwie beides und irgendwie keines von Beiden.“
Wolfgang Pauli
„Als Physiker kann man davon ausgehen, dass ein Elektron wie das andere ist, während Sozialwissenschaftler auf diesen Luxus verzichten müssen.
Wolfang Paul
„Das beste, was die meisten von uns in der Physik erreichen können, ist Unverständnis auf einer tieferen Ebene.“
Wolfgang Pauli
Lebenswerk
Wenn die bedeutendsten Physiker des 20.Jahrhunderts dich das „Gewissen der Physik“ nennen, dann hast du es in jedem Fall weit gebracht. Wenn sie das tun, obwohl (oder vielleicht gerade weil) du nach exzessivem Alkoholkonsum in den Kneipen St. Paulis morgens bei Vorträgen berühmter Physiker nicht selten unansprechbar bist, über die Arbeiten deiner eigenen jungen Studenten kopfschüttelnd sagst: „Das ist nicht nur nicht richtig. Das ist nicht einmal falsch.“ und die Forscher*innen der Physikalischen Gesellschaft mit „Liebe Radioaktive Damen und Herren…“ anschreibst, dann musst du dir echt großen Respekt erarbeitet haben.
Ich spreche hier vom theoretischen Physiker Wolfgang Pauli. Wie bereits leicht an den genannten Anekdoten zu erkennen ist, war mit „Gewissen“ wohl nicht unbedingt sein gewissenhafter Umgang gemeint. Doch wer Wolfgang Pauli seine Arbeit zeigte, konnte mit einer gänzlich ehrlichen und vor allem ungeschönten Meinung rechnen, viele Wissenschaftler*innen schätzten gerade diese bedingungslose Direktheit, so sagte der Physiker Victor Weisskopf, der eine Zeit lang als Assistent für Wolfgang Pauli arbeitete, über ihn Folgendes:
„Es war absolut großartig, für Wolfgang Pauli zu arbeiten. Du könntest ihn alles fragen. Es gab keine Sorge, dass er eine bestimmte Frage für dumm halten würde, da er alle Fragen für dumm hielt.“
Victor Weisskopf
Andere Kolleg*innen waren nicht unbedingt so begeistert, so kursierten viele Witze über Wolfgang Pauli, vor allem unter seinen Kollegen und guten Freunden Otto Stern, Walter Baade und Erich Hecke (mit denen er auch die zahlreichen Lokalitäten Hamburgs besuchte). Besonders hartnäckig hielt sich folgender:
Nach Paulis Tod gewährte Gott ihm eine Audienz. Pauli fragte Gott, warum die Feinstrukturkonstante genau den Wert 1/137 habe. Gott nickte, ging zur Tafel und begann, Gleichung nach Gleichung in rasender Geschwindigkeit abzuleiten. Pauli sah zunächst mit großer Genugtuung zu, aber bald schon begann er heftig und entschieden, seinen Kopf zu schütteln…
Gott kritisierte Wolfgang Pauli zwar nicht, dafür aber Albert Einstein, und zwar ziemlich heftig. Zu diesem Zeitpunkt versuchten sich viele Physiker*innen daran, eine Theorie zu entwickeln, welche die Gesetze der Quantenmechanik, die auf extrem kleinen Skalen gelten, mit denen der Relativitätstheorie, die auf extrem großen Skalen gelten, unter einen Hut zu bekommen.
Alle Kräfte und zugehörigen Felder im Universum sollen dabei in einer sogenannten einheitlichen Feldtheorie durch ein einziges Feld dargestellt werden, denn man vermutet, dass genau dieser Zustand bei extrem hohen Energien vorliegt – bei hohen Energien, wie es sie direkt nach dem Urknall gab. Albert Einstein, der zu diesem Zeitpunkt als Urheber der Relativitätstheorie bereits enorme Anerkennung in der physikalischen Gemeinschaft hatte, verbrachte viele Jahre damit – erfolglos, worüber sich Wolfgang Pauli offenbar lustig machte:
„Es ist schon eine kühne Tat der Redaktion, ein Referat über eine neue Feldtheorie Einsteins unter die Ergebnisse der exakten Naturwissenschaften aufzunehmen. Beschert uns doch seine nie versagende Erfindungsgabe sowie seine hartnäckige Energie beim Verfolgen eines bestimmten Zieles in letzter Zeit durchschnittlich etwa eine solche Theorie pro Jahr – wobei es psychologisch interessant ist, dass die jeweilige Theorie vom Autor gewöhnlich eine Zeitlang als die ‚definitive Lösung‘ betrachtet wird.“
Wolfgang Pauli
Doch so klar und deutlich Wolfgang Pauli seine Kritik auch formulierte, fast immer hatte er Recht mit seinen Einschätzungen, welche Gedankengänge sich als vielversprechend erweisen sollten und welche „furchbarer Quatsch“ (auch zu Einstein) waren. Wenn Wolfgang Pauli einen Ansatz lobte, wie etwa bei seinem Freund und Kollegen Paul Ehrenfest, der wie er einen Artikel in der Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen veröffentlichen durfte, dann klang das so:
Ehrenfest: „Herr Pauli, Ihr Enzyklopädieartikel gefällt mir besser als Sie selbst!“
Pauli: „Das ist doch komisch, mir geht es mit Ihnen gerade umgekehrt!“
Selbst seine Assistent*innen nahm er nicht aus, so witzelte er etwa über Rudolf Peierls, der als Atomphysiker vor allem eindringlich vor den Fortschritten der Nazis bei der Atomforschung warnte und für eine Zeit auch als Wolfgang Paulis Assistent arbeitete:
„Der Peierls, der spricht so schnell; bis man verstanden hat, was er sagt, behauptet er schon das Gegenteil!“
Wolfgang Pauli
Über den Physiker Paul Dirac, der die Quantenmechanik mitbegründet, die Grundlage für den Nachweis von Antimaterie gelegt hat und zudem überzeugter Atheist war, behauptete Wolfgang Pauli:
„Unser Freund Dirac hat eine Religion; und der Leitsatz dieser Religion lautet: ‚Es gibt keinen Gott und Dirac ist sein Prophet.“
Wolfgang Pauli
Wie Albert Einstein befasste sich auch Wolfgang Pauli mit dem Aufstellen einer einheitlichen Feldtheorie und zwar gemeinsam mit Werner Heisenberg. Letzterer war ein unbelehrbarer Optimist, er war voller Überzeugung, dass er die einheitliche Feldtheorie, in den Medien häufig Weltformel genannt, finden würde. Wolfgang Pauli war dort später deutlich vorsichtiger, er gewöhnte sich laut eigenen Aussagen an den Gedanken, dass er das Aufstellen einer einheitlichen Feldtheorie nicht mehr erleben würde und distanzierte sich zunehmend von Heisenbergs Forschungen.
Dieser jedoch sprach in einer Radiosendung von der Heisenberg-Pauli-Theorie und fügte hinzu, sie seien kurz vor der Fertigstellung der Theorie und damit vor dem endgültigen Abschluss der Elementarteilchenphysik. „Es fehlen nur noch die technischen Details.„, waren seine Worte. Auf diese unglückliche Formulierung folgte ein weltweiter Medienrummel. Man kann sich kaum vorstellen, wie bedeutsam sowas war: Die ganze Physik, abgeleitet aus einer einzigen Formel. Doch Werner Heisenberg hat maßlos übertrieben, seine Theorie war hochgradig spekulativ und nicht einmal ansatzweise ausgearbeitet.
Wolfgang Pauli war unglücklich darüber, dass ein Name nun mit einem so großen Versprechen in Verbindung gebracht wurde, da er sich bewusst war, dass die Theorie es höchstwahrscheinlich nicht halten könnte. Daher schrieb er einen Brief an den sowjetischen Physiker George Gamow und in diesem Brief zeichnete er ein simples Quadrat und schrieb daneben „Das soll der Welt zeigen, dass ich malen kann wie Tizian.“ Darunter standen in kleiner Schrift die Worte „Es fehlen nur noch die technischen Details.„. Eine einheitliche Feldtheorie haben wir bis heute nicht.
Auch wenn Wolfgang Pauli also an der einheitlichen Feldtheorie scheiterte, hatte er nicht nur große Klappe bei Kritik, er erzielte auch wegweisende Fortschritte in der Physik, seine bekannteste Errungenschaft ist wohl das sogenannte Pauli-Prinzip, auch Paulisches Ausschließungsprinzip genannt. Obwohl es im Grunde genommen die Erklärung dafür liefert, wieso es unter manchen Bedingungen überhaupt stabile Materie gibt, brachte es ihm keinen überragenden Ruhm ein – wohl vor allem, weil es so schwer zu verstehen ist. Wolfgang Pauli selbst sah das aber recht entspannt:
„Ich kann es mir leisten, nicht zitiert zu werden.“
Wolfgang Pauli
Daher veröffentlichte er seine Theorien auch fast nie als Publikationen, wie es unter Physiker*innen eigentlich üblich war, sondern legte sie meist nur in Briefen an ausgewählte Kolleg*innen dar, die er sehr schätzte. Auch das ist sicherlich ein Grund dafür, dass er heute nicht auf einer Stufe mit Albert Einstein, Werner Heisenberg und Niels Bohr gesehen wird. Allerdings hatte er mit seiner Aussage nicht Unrecht: Für die Entdeckung des Pauli-Prinzips erhielt Wolfgang Pauli 1945 den Nobelpreis für Physik.
Kaum jemand bestreitet, dass Wolfgang Pauli zurecht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, denn sein Pauli-Prinzip hat die Quantenmechanik, also unsere Theorie über das Verhalten kleiner Objekte wie Atome und Elementarteilchen, entscheidend erweitert. Es besagt, stark vereinfacht ausgedrückt, dass zwei bestimmte Teilchen nie am gleichen Ort sein können.
Das klingt jetzt nicht nach einer nobelpreiswürdigen Entdeckung, wie sollten zwei Dinge auch zur gleichen Zeit am selben Ort sein? In der Quantenmechanik ist das aber nicht so selbstverständlich, denn hier haben Teilchen ja keine festgelegten Orte, sondern nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten, also Bereiche, in denen sie sich aufhalten können und die könnten sich natürlich überlappen.
Das Pauli-Prinzip sagt allerdings etwas präziser ausgedrückt aus, dass zwei Fermionen in einem Atom, Fermionen sind alle Teilchen, aus denen die Materie besteht, niemals in allen Quantenzahlen, also in allen möglichen Eigenschaften, die ein Teilchen so haben kann, übereinstimmen können. Von diesen Eigenschaften gibt es nämlich gar nicht so viele.
Anders, noch etwas präziser ausgedrückt, ist die Wellenfunktion eines Systems bei der Vertauschung zweier Fermionen asymmetrisch. Das klingt sehr kompliziert, ist es aber gar nicht. Die Wellenfunktion ist nichts anderes als die Funktion, durch die wir ein Quantensystem beschreiben – wir könnten sogar ganz ketzerisch sagen, die Wellenfunktion ist das Quantensystem. Für Quantensysteme gibt es nun eine Regel: Sie zeichnen sich durch das Betragsquadrat ihrer Wellenfunktion aus, also durch den Betrag ihrer Wellenfunktion hoch zwei. Dieses muss bei der Vertauschung zweier identischer Teilchen also gleich bleiben.
Alle Fermionen haben einen halbzahligen Spin, also entweder einen Spin +,0,5 oder -0,5. Damit das Betragsquadrat nun identisch bleibt, muss sich bei einer Vertauschung zweier Fermionen stets das Vorzeichen ändern, es liegt also eine Asymmetrie vor:
Ψ (1 , 2) = – Ψ (2 , 1)
Daraus folgt, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit zweier Elektronen mit gleichem Spin am gleichen Ort gleich Null wird, es ist also ausgeschlossen, dass sie sich dort befinden. Spielen wir das ganze einmal durch: Es gibt vier Quantenzahlen, mit denen sich ein Elektron im sogenannten Orbitalmodell, also unserem Modell eines Atoms, eindeutig beschreiben lässt:
1.Haupt-Quantenzahl (Schale des Elektrons)
2.Neben-Quantenzahl (Form des Orbitals)
3.Magnetische Quantenzahl (Ausrichtung des Bahndrehimpulses)
4.Spin-Quantenzahl (Eigendrehimpuls)
Nehmen wir also an, zwei Elektronen in einem Atom haben die gleiche Haupt-Quantenzahl, die gleiche Neben-Quantenzahl und die gleiche Magnetische Quantenzahl, sie sind in dieser Hinsicht also komplett identisch und nicht voneinander zu unterscheiden. Sie müssen sich jetzt in der Spin-Quantenzahl unterscheiden und diese kann in diesem Fall genau zwei Werte annehmen, nämlich +0,5 und -0,5. Das ist auch der Grund dafür, warum sich in einem Orbital höchstens zwei Elektronen befinden können. Ein drittes Elektron würde schließlich zwangsläufig denselben Spin haben wie ein anderes. Das Pauli-Prinzip liefert also eine Erklärung für den Aufbau des Periodensystems. Es tut aber noch viel mehr.
Das Pauli-Prinzip ist nämlich für den sogenannten Fermi-Druck verantwortlich. Um ihn zu verstehen, müssen wir wieder zur einfachen Veranschaulichung des Pauli-Prinzips zurückkehren: Zwei Fermionen dürfen nie am selben Ort sein. Stellen wir uns also vor, jedes Fermion hat einen kleinen Bereich für sich und in diesem Bereich darf sich kein anderes Fermion aufhalten – eine einstweilige Verfügung sozusagen. Damit haben wir den Aufenthaltsort des Fermions schon ziemlich genau bestimmt, schließlich hält es sich irgendwo innerhalb dieses Bereichs auf – da es ein Quantenobjekt ist, hat es ja nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten und keinen wirklichen Ort.
Hier kommt jetzt jedoch ein weiteres quantenmechanisches Gesetz hinzu, nämlich die Unschärferelation (entwickelt von Wolfgang Paulis Kollegen Werner Heisenberg). Sie besagt vereinfacht, dass es unmöglich ist, den Ort und den Impuls eines Teilchens unendlich genau zu bestimmen.
Bestimmt man den Ort sehr genau, dann lassen sich weniger genaue Aussagen über seinen Impuls treffen und umgekehrt. Sind nun die Fermionen so eng komprimiert und ist ihr Ort somit genau bestimmt, dann ist die Ungenauigkeit des Impulses sehr groß, sie zappeln also wie wild hin und her und das verursacht natürlich einen nach außen gerichteten Druck, also eine Energie, die man aufwenden müsste, um die Fermionen noch weiter zu komprimieren.
Dieser Druck ist unglaublich wichtig, denn er ist es, der Materie in vielen Situationen stabilisiert und dafür sorgt, dass sie unter Einwirkung der Gravitation nicht einfach zu einem dichten Kern kollabiert – die elektrostatische Abstoßungskraft spielt in solchen Extremsituationen nur eine sekundäre Rolle. In der Realität findet man diese Situationen natürlich nicht allzu häufig, zumindest nicht auf der Erde. Ein Beispiel sind allerdings weiße Zwerge, das sind die Überreste massearmer Sterne wie unserer Sonne, das was also von ihnen übrig bleibt, wenn ihre nukleare Energiequelle versiegt ist.
Wenn das passiert, dann fällt natürlich der nach außen gerichtete Druck der Strahlung aus dem Innern weg, daher komprimiert die Gravitation den Stern weiter – allerdings nicht beliebig weit. Die Komprimierung bei den meisten Sternen stoppt, wenn der Fermi-Druck einsetzt. Durch ihn befindet sich die Sternenleiche dann in einem stabilen Zustand, in dem sie dann noch viele Milliarden Jahre strahlt. Nur bei extrem massereichen Sternen ist die Gravitation so stark, dass selbst der Fermi-Druck ihr nichts mehr entgegensetzten kann – dann werden die Fermionen weiter komprimiert und es entsteht ein Neutronenstern oder im Extremfall sogar ein Schwarzes Loch.
Wolfgang Pauli konnte mit seinem Pauli-Prinzip also den Aufbau des Periodensystems erklären, er konnte erklären, wieso es weiße Zwerge geben kann und in manchen Situationen kann der Fermi-Druck sogar eine Supernova, also eine gigantische Explosion verursachen – auch dafür hatte man vorher keine Erklärung. Aber das Pauli-Prinzip war nicht Wolfgang Paulis einzige Errungenschaft. Er beschäftige sich auch mit dem sogenannten Beta-Minus-Zerfall.
Nicht alle Stoffe sind stabil und können dauerhaft existieren, manche Elemente verändern sich auch allmählich, sie zerfallen, dieses Phänomen ist uns als Radioaktivität bekannt. Ein Stoff kann jedoch auf sehr viele verschiedene Arten zerfallen und der Beta-Minus-Zerfall ist einer dieser Möglichkeiten. Dabei wandelt sich im Atomkern ein elektrisch neutrales Neutron spontan in ein positiv geladenes Proton um. Damit die Ladung insgesamt gleich bleibt, entsteht dabei auch noch ein negativ geladenes Elektron – so weit, so gut. Diesen Prozess hatte man bereits zu Zeiten von Wolfgang Pauli vielmals beobachtet und studiert.
Aber eine kleine Lücke gab es, nämlich hatten die Endprodukte nicht ganz genau dieselbe Masse wie die Teilchen am Anfang, ein bisschen Masse ist beim Zerfall also scheinbar einfach verschwunden – und gemäß Energieerhaltungssatz kann Masse nicht einfach verschwinden. Wolfgang Pauli hat dafür eine Lösung angeboten, er hat postuliert, dass beim Beta-Minus-Zerfall neben einem Elektron auch noch ein anderes sehr kleines und flüchtiges Teilchen entsteht, so massearm, dass die Detektoren es nicht messen können und so massearm, dass wir es wohl auch nie messen können werden.
Dieser Vorschlag war für Wolfgang Pauli schon sehr ungewöhnlich, schließlich war er eigentlich immer derjenige, der gesagt hat, wenn man eine Hypothese nicht überprüfen kann, dann ist sie „nicht einmal falsch“, sondern schlicht keine Wissenschaft. Er selbst war sich dessen auch bewusst:
„Ich habe eine schreckliche Sache getan, ich habe ein Teilchen postuliert, das nicht detektiert werden kann.“
Wolfgang Pauli
Das hinderte ihn allerdings nicht daran, seine Entdeckung publik zu machen, natürlich nicht in einer Arbeit, sondern in einem Brief an die Kernphysikerin Lise Meitner und die „Lieben Radioaktiven Damen und Herren“ von der Physikalischen Gesellschaft. Später gab der italienische Kernphysiker Enrico Fermi dem unbekannten Teilchen den Namen Neutrino, was auf italienisch soviel wie „Kleines Neutron“ oder „Neutrönchen“ bedeutet. Mit seiner Prognose, man werde das Teilchen niemals detektieren können, lag Wolfgang Pauli jedoch falsch.
Da Neutrinos kaum mit gewöhnlicher Materie in Kontakt treten (sie durchqueren mühelos unseren Körper und die gesamte Erde) und wirklich sehr massearm sind, ist es zwar schwierig, sie nachzuweisen, doch in riesigen speziell dafür ausgelegten Observatorien unter der Erde geht es und in den 1950ern war man dann so weit. Heute gibt es weltweit zahlreiche dieser Observatorien, einige sind in der Tiefsee installiert, andere unter der Erde und wieder andere in der Antarktis – also an Orten, an denen es sonst nicht viel gibt, damit die extrem seltenen Neutrinowechselwirkungen auch auffallen.
Wolfgang Pauli selbst hat die Entdeckung des Neutrinos noch erlebt, doch dem ganzen Ausmaß seiner Entdeckung war er sich noch nicht bewusst. Heute wissen wir, dass Neutrinos nicht nur beim Beta-Minus-Zerfall entstehen, sondern auch in der Sonne, im Weltall, in der Erdatmosphäre, im Erdinnern und auch in Kernreaktoren. Zudem gibt es zahlreiche verschiedene Arten von Neutrinos. Die genaue Masse von Neutrinos ist jedoch noch immer Gegenstand aktueller und künftiger Forschungen, einige dachten sogar eine Zeit lang, Neutrinos hätten gar keine Masse, weshalb sie häufig als Geisterteilchen bezeichnet werden.
Wolfgang Pauli hatte also eine enorme theoretische Bewandtnis, schon als Jugendlicher. Er war ein Klassenkamerad des späteren Chemikers und Nobelpreisträgers Richard Kuhn, einmal soll sein Physiklehrer an der Tafel einen Fehler gemacht und ihn auch nach langem Suchen nicht erkannt haben. Dann soll er gesagt haben: „Pauli, jetzt sag mir endlich, wo der Fehler liegt, du weißt es doch längst!“ Doch so sehr er als Theoretiker genial war, so ungeschickt war er handwerklich – so ungeschickt, dass es regelrecht zur Legende wurde.
Wolfgang Pauli war berüchtigt dafür, dass in seiner Gegenwart ständig Experimente oder physikalische Anlagen versagten oder zu Bruch gingen. Bei Vorträgen, denen er beiwohnte, funktionierten plötzlich die Diaprojektoren nicht mehr, bei einem Besuch in einem Observatorium wurde das Fernrohr zerstört und beim Physiker James Franck ging in Göttingen ein sehr teurer und wertvoller Apparat zu Bruch, während Wolfgang Pauli nicht anwesend war. Als Franck daraufhin Wolfgang Pauli mitteilte, dass es diesmal wenigstens nicht seine Schuld gewesen sei, entgegnete dieser, dass er genau zur selben Zeit mit dem Zug eine Weile in Göttingen hielt.
Der italienische Physiker Giuseppe Occhialini hingegen wollte Wolfgang Pauli einen Streich spielen und hing eine Lampe so auf, dass sie herunterfallen sollte, wenn Pauli den Raum betritt. Er testete es mehrmals aus und immer fiel die Lampe, wenn jemand den Raum betrat – doch als Wolfgang Pauli kam, passierte nichts. Die Vorfälle waren so auffällig, dass einige gar vom Pauli-Effekt oder vom Zweiten Paulischen Ausschließungsprinzip sprachen:
1.Es ist unmöglich, dass sich zwei Fermionen am gleichen Ort befinden.
2.Es ist unmöglich, dass sich Wolfgang Pauli und ein funktionierendes Gerät im gleichen Raum befinden.
Tatsächlich benötigte Wolfgang Pauli etwa 100 Fahrstunden, bevor er den Test für seinen Führerschein bestand und bei einem Urlaub mit seiner Frau ging kurz vor der Abfahrt das Auto kaputt. Otto Stern erteile ihm daher sogar ein Labor-Verbot. Während einer bedeutenden Zeremonie zerbrach zudem eine teure Porzellan-Vase in der Gegenwart Wolfgang Paulis ohne offensichtlichen Grund, was den Pauli-Effekt auch einer breiteren Masse demonstrierte. Seit Wolfgang Pauli besteht eine dezente Spannung zwischen experimentellen und theoretischen Physikern.
Immerhin an einer experimentellen Anlage hat jedoch auch Wolfgang Pauli mitgewirkt, nämlich am Europäischen Kernforschungszentrum CERN, das heute die weltgrößten Teilchenbeschleuniger betreibt und zum Beispiel das Higgs-Boson nachgewiesen hat. Wolfgang Pauli jedenfalls wurde schnell zur Legende in der Physik. So parodierten etwa einige Physiker*innen aus Kopenhagen am Niels-Bohr-Institut die Tragödie Faust I von Johann Wolfgang von Goethe. In der Parodie wurde Gott als Niels Bohr dargestellt, Gretchen war ein Neutrino und der Teufel war Wolfgang Pauli.