Ich habe Dir ja erz\u00e4hlt, dass meine Vereinsfindung vielleicht nicht unbedingt nachahmenswert ist, manche die Umst\u00e4nde sogar verachten. Ich bin ja gar kein Fan oder w\u00e4re keiner gewesen, sagen sie.\u00a0Vielleicht haben sie recht. In den letzten Monaten habe ich von so vielen Fansein-Experten gelesen, die detailliert andere Fans oder Menschen, die es vorgeben zu sein, detailliert aufgekl\u00e4rt haben, was sich so geh\u00f6rt als Fan.\u00a0Und jetzt bin ich mir wirklich nicht mehr sicher, ob ich Fan bin.<\/p>\n
Ich bin verunsichert. Ein wirkliches Dilemma.<\/p>\n
Ich habe da zum Gl\u00fcck viel von Dir gelernt. Du hast mir erkl\u00e4rt, dass man ein Fu\u00dfballspiel auch genie\u00dfen kann, ohne ein Fan der teilnehmenden Mannschaften zu sein, Du hast mich sogar gelehrt, dass man gl\u00fchender Fan einer Mannschaft f\u00fcr wenige Minuten sein kann, weil eben \u201eDeine\u201c Mannschaft gerade in F\u00fchrung gegangen ist, oder eben, weil sie heute mal sch\u00f6ne Trikots anhaben.\u00a0Und damit hast Du nat\u00fcrlich schon einmal gleich tr\u00f6lftausend der erw\u00e4hnten Fan-sein-Experten Aussagen gepflegt in Millarden von kleinstatomare Tr\u00fcmmer zersprengt, denn w\u00e4hrend Du innerhalb eines Spiels auch Fan der einen Mannschaft sein kannst, weil sie heute ein dezent zum erblindenden bringendes Neongelb tragen, sind treue, echte Fans tats\u00e4chlich n\u00e4mlich kurz vor der v\u00f6lligen Verzweiflung und nahe dran, sich von ihrem Herzverein abzuschw\u00f6ren, sobald das neue Trikot zu Saisonbeginn offiziell vorgestellt wird. Dies, so erschien es den letzten Wochen oftmals, muss nicht nur als Hipster-Fan, sondern auch als treue Seele absolut priorit\u00e4r behandelt und negativ kommentiert werden.\u00a0Es ist die Pflicht eines jeden Hardcore-Fans, sich in m\u00f6glichst allen sozialen Netzwerken mit einem H\u00f6chstma\u00df an Hingabe \u00fcber falsch gesetzte Streifen , historisch oder geografisch bedingte Farben oder um die Schriftart der R\u00fcckennummer auszukotzen. Wer kennt sie nicht, die guten alten Erinnerungen an historisch hohe oder immens peinlich Niederlagen, die man nicht nur ertr\u00e4gt, sondern an die man sich mit Stolz erinnert und sagen kann:<\/p>\n
\u201eAber wir hatten das geilere Outfit.\u201c<\/p>\n
Papsi geh\u00f6rt da noch zur alten Garde und hat daher nat\u00fcrlich relativ entspannt m\u00fcde gel\u00e4chelt am vorletztem Wochenende, als wir bei diesem Testspiel zwischen der D\u00fcsseldorfer Fortuna und den W\u00fcrzburger Kickers waren.\u00a0Die knappe, unverdiente, ungerechtfertigte, mit Betrug zustanden gekommene, aber ja nun doch v\u00f6llig belanglose Niederlage in diesem Cup, dessen Namen wir nicht mehr aussprechen wollen, weil er ja jetzt eh wertlos ist, lie\u00df mich so entspannt bleiben, weil meine D\u00fcsseldorfer Fortuna diese stylischen knallig-gelben Trikots trugen, w\u00e4hrend der Gegner in einem schlichten, verdammt chicen schwarz antrat und wir tats\u00e4chlich sogar die optisch, \u00e4h, auff\u00e4lligeren Trikots trugen.<\/p>\n
Das ist schlie\u00dflich das, was z\u00e4hlt, oder?<\/p>\n
Die vielen anderen Dinge, die man als echter Fan eigentlich leisten muss, bekomme ich glaube ich schon gar nicht mehr zusammen.<\/p>\n
Ich denke, es ist wichtig, dass man bei jedem neuen Transfer einen Youtube-Video-Link schickt, der je nach Lobby des Spielers die besten oder die grottigsten Szenen beinhaltet, und dazu dann einen fachm\u00e4nnischen Kommentar abgibt.<\/p>\n
Standard ist eigentlich auch die in den letzten 17 Sommertrainingslagern einstudierten Spielsysteme unter Nennung der Schl\u00fcsselspieler parat zu haben und mit 140 Seiten Powerpointpr\u00e4sentation deiner pers\u00f6nlichen Interpretation der einzelnen einstudierten Spielsysteme und ihrer Vor- und Nachteile aufwarten zu k\u00f6nnen.<\/p>\n
Mit in den Top Ten der Dinge, die man als Minimum-Soll erf\u00fcllen sollte, um sich \u201eFan\u201c nennen zu d\u00fcrfen, ist nat\u00fcrlich die Nennung diverser Zahlen strikt zu vermeiden. Dies beinhaltet in aller Regel in der untersten, fast schon nicht fanlebenswerten Kaste der \u201eEchter-Fan-Hierarchie\u201c, dass man am besten gleich restlos alle im Gr\u00fcndungstag des Vereins vorkommenden Zahlen nicht ausspricht. Pfui, pfui, pfui.<\/p>\n
Darfst Dir halt keinen Verein suchen, der am 14.03.1925 gegr\u00fcndet wurde, wenn Du w\u00e4hrend Deiner Singlezeit noch als ernst zu nehmender Mannschaftssupporter Br\u00f6tchen bestellen willst.<\/p>\n
Deswegen wei\u00df ich nicht so richtig, ob ich noch Fan bin, zumal mein Herzverein und Teile seines Anhangs mir aktuell weitere, streng einzuhaltende Regeln vorgeben.<\/p>\n
Als Fan der Deluxe-Kategorie, und da will man heutztage schlie\u00dflich hin, ist es zuk\u00fcnftig von absoluter Notwendigkeit, zu Ausw\u00e4rtsspielen mindestens einen Tag zuvor anzureisen und Teile der Gegner-Innenstadt kurz und klein zu schlagen, eine paar Einwohner abzuschwarten oder zumindest randalierend und p\u00f6belnd anderweitig negativ aufzufallen.<\/p>\n
Geradezu zwingend, so schien es auf jeden Fall an diesem eigentlich wundersch\u00f6nen Sonntag-Nachmittag in W\u00fcrzburg, ist es auch durch einen m\u00f6glichst geringen Support aufzufallen.<\/p>\n
Es ist weniger ein Akt der H\u00f6flichkeit gegen\u00fcber des Gastgeber, der mit f\u00fcnfzig schreienden M\u00e4nnlein mehr Atmosph\u00e4re entfachte als unser gesamter Block, nein, es ist eher so ein Hipster-Ding, dass man ganz cool den Gegner einfach nur von stupiden Getrommel begleitet anschweigt, um ihm voll cool krass zu zeigen, dass man dieses l\u00e4cherliche Anfeuern der eigenen Mannschaft, dieses Unterst\u00fctzung zeigen, gar nicht braucht, um echter Fan zu sein.<\/p>\n
Zudem steckt dahinter auch ein perfider Trick. W\u00e4hrend der gegnerische Fanblock n\u00e4mlich von der Schreierei (vielleicht auch ein wenig vom Sieg adrenalinisiert) sich nach Schlusspfiff kaputtjubelnd in den Armen liegt, haben wir ja dann die ganze Kraft gespart und k\u00f6nnen den Platz st\u00fcrmen, Z\u00e4une eintreten und mit irgendwelchen Gest\u00e4ngen auf Menschen einpr\u00fcgeln, bis wir daf\u00fcr sorgen, dass selbst ich beruhigt bin, dass die in Vollmontur angetretene Polizei das Geschehen in kurzer Zeit in den Griff bekommt.<\/p>\n
Wei\u00dft du Jay-Jay, die Polizei macht manchmal Fehler, vielleicht sogar viele, und ich mag dieses martialische Auftreten oft nicht. Auch das Verh\u00e4ltnis von Einsatzkr\u00e4ften zur zu erwartenden Zuschauerzahl empfand ich ja das ein oder andere Mal als peinlich und \u00fcberzogen.![\"2014-08-17](\"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-content\/uploads\/2014-08-17-18.35.59-Kopie.jpg\" "\\"\\"")
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Jay-Jay, auch wenn wir selbst zu keinem Zeitpunkt in Gefahr waren, so war ich doch froh \u00fcber jeden einzelnen Polizisten, der da war. Man konnte von unseren Platz aus gut sehen, wie schnell die Situation eskalierte, und eine stattliche Anzahl an Securities von ebenso stattlicher Statur in Sekundenschnelle das Weite suchte, als der Mob es \u00fcber den Zaun schaffte.<\/p>\n
Letztendlich bin ich wahrscheinlich gar nicht Deluxe-Fan-tauglich und sogar charakterlich ein h\u00f6chst fragw\u00fcrdiger Typ, weil es mir n\u00e4mlich noch nicht einmal um etwaige Verletzungen oder Besch\u00e4digungen in Folge der Eskalation ging.<\/p>\n
Ich wollte einfach nur mit einem letzten Funken W\u00fcrde aus diesem verdammten Pokal ausscheiden, dessen Namen wir nicht mehr nennen wollen.<\/p>\n
Wei\u00dft Du, Jay-Jay, wenn Dein Team bei einer Mannschaft verliert, die aktuell zwei Ligen weiter unten kickt, relativ frisch zusammengestellt wurde und Du in verkehrswesten\u00e4hnlichen Trikots spielst, dann ist das eigentlich nicht so schlimm, wie es sich anh\u00f6rt. Wenn Du es nicht schaffst, mit Deinem Anhang auch nur etwas \u00e4hnliches wie einen halbwegs anst\u00e4ndigen Ausw\u00e4rts-Support hinzubekommen, dann ist das eigentlich nicht so schlimm.\u00a0Wenn die \u201eSt\u00fctzen des Teams\u201c nur durch v\u00f6llig unakzeptable Respektlosigkeiten nach dem Spiel auffallen oder sich im Spiel nach der Einwechslung bereits nach sechs Minuten eine rote Karte einhandeln, weil sie sich todesmutig dem Gegner an die Gurgel werfen, um einen v\u00f6llig hilflosen und f\u00fcr seine ruhige Art bekannten Mitspieler zu sch\u00fctzen, dann ist das nicht so schlimm, wie es sich anh\u00f6rt.<\/p>\n
Wenn Du dann, solltest Du mit dem Auto zuk\u00fcnftig auf Fu\u00dfballreisen ausw\u00e4rts unterwegs sein, auf dem R\u00fcckweg an jeder Rastst\u00e4tte die Zufahrt versagt bekommst, weil Du ja str\u00e4flicherweise die gleichen Farben tr\u00e4gst wie oben benannte Deluxe-Fans, und Dich somit ja mindestens der Mitwisserschaft schuldig gemacht hast, dann ist auch das nicht so schlimm. Gerade das Thema Pinkeln l\u00f6sen wir beide ja dann sowieso eher flexibel.<\/p>\n
Eigentlich ist es alles nicht so schlimm, wenn man gerne leidet. (Ja, ja, ja.)<\/p>\n
Schlimm ist nur, wenn du weisst, du kannst dich als Verein inklusive Anhang nicht schlimmer pr\u00e4sentieren. Schlimm. Explizit ausnehmen, muss ich nat\u00fcrlich die Hoolinetten, mit denen vor dem Spiel ein kurzes Treffen m\u00f6glich war. Ich m\u00f6chte dies zum einen erw\u00e4hnen, weil ich die D\u00fcsseldorfer Hardcore-Fortuninen gerne mag, zum anderen, weil ich sowohl vor dem Hackebeilchen als auch vor dem Baseballschl\u00e4gerchen gro\u00dfen Respekt habe.<\/p>\n
\u201eMuss ich mich \u00fcberhaupt f\u00fcr eine Mannschaft entscheiden?\u201c<\/p>\n
Du fragtest mich dies auf der R\u00fcckfahrt von besagter Tour von W\u00fcrzburg, und meintest eigentlich gar nicht Deine Fanwerdung. Zumindest nicht offensichtlich.<\/p>\n
Es ging um Deine Kutte.<\/p>\n
Ein anfangs sehr netter Herr zeigte Dir seine Kutte, womit dann nat\u00fcrlich auch die grausige Wahrheit \u00fcber seinen wahren Charakter zu Tage trat, und Du wolltest wissen, warum Du keine h\u00e4ttest. Ich erkl\u00e4rte Dir, wie das mit so einer Kutte gehandhabt wird, und Du warst schnell Feuer und Flamme. Du wolltest sie relativ neutral halten und aus m\u00f6glichst jedem Stadion einen Aufn\u00e4her mitnehmen, um ihn auf Deine Kutte zu n\u00e4hen. Die Erinnerungswand, die Du zu Hause fleissig mit Devotionalien Deiner Ausfl\u00fcge f\u00fcllst, reichte Dir nicht mehr aus.<\/p>\n
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