{"id":2206,"date":"2015-06-17T08:52:40","date_gmt":"2015-06-17T06:52:40","guid":{"rendered":"http:\/\/www.wochenendrebell.de\/?p=2206"},"modified":"2021-01-09T20:25:56","modified_gmt":"2021-01-09T19:25:56","slug":"groundhopping-leipzig","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/wochenendrebell.de\/groundhopping-leipzig\/suche-lieblingsfussballverein\/","title":{"rendered":"Wochenendrasenballen-Groundhopping in Leipzig"},"content":{"rendered":"\n

RB Leipzig-SpVgg F\u00fcrth, 24.05.2015<\/h2>\n\n\n

Groundhopping in Leipzig! Und bei unserem Zielort handelt es sich jetzt eher weniger um den s\u00e4chsischen Stadion-Geheimtipp. Wir waren zu Gast bei RaBa Leipzig und versuchten uns einen Eindruck vor Ort zu verschaffen.<\/p>\n

Rote Tops und blaue Hotpants trugen die Hostessen, die am Bahnhof Leipzig an jedem Ausgang Spalier standen und gratis kleine Dosen eines bekannten Energy-Drinks verteilten. Das Stadiongel\u00e4nde s\u00e4umten gro\u00dfe Aktionsfl\u00e4chen f\u00fcr Bungee-Jumping, Free Climbing, Freestyle-Dosenwerfen, ein Formel-1-Simulator sowie Eventbereiche f\u00fcr \u201eSpeed Sackhopping\u201c und \u201eExtreme Egg Running\u201c.<\/p>\n

Immer und immer wieder die gleichen drei Farben. Auf den Stra\u00dfenbahnen, den Br\u00fccken und sogar auf den Verkehrsschildern: Die Farben rot, blau und silber sind omnipr\u00e4sent und das Taurin im klebrigen Getr\u00e4nk, welches im blau-rot-silbernen Becher ausgeschenkt wird, kann die Schmerzen auf der Netzhaut nicht lindern, die das eingestanzte Logo mit den zwei geh\u00f6rnten Tieren auf jeder der 40.000 Sitzschalen, s\u00e4mtlichen Banden, der Anzeigetafel, den Trainerb\u00e4nken, dem Spielertunnel, der Blockumz\u00e4unung und und und\u2026 hinterl\u00e4sst.<\/p>\n

So hatte ich mir das eigentlich vorgestellt. All Cops are Bulls, ganz in rot, so wegen der Verbundenheit, und f\u00fcr das neue Wir-Gef\u00fchl in Leipzig; der Stadt, die sich Profi-Fu\u00dfball gefallen l\u00e4sst. B\u00f6sen Profi-Fu\u00dfball. Nicht den guten, traditionsreichen Fu\u00dfball, den zum Beispiel die KGaA aus Dortmund in diesem Jahr abgeliefert hat.<\/p>\n

Recht eindrucksvoll wurde bewiesen, dass Geld vielleicht tats\u00e4chlich nicht immer Tore schie\u00dft. Zumindest manchmal. Und vielleicht gilt diese Erkenntnis auch nur kurz. Es ist unfair, diesbez\u00fcglich nur Dortmund zu nennen, aber es wird grunds\u00e4tzlich wohl klar, was ich meine.<\/p>\n

Vielleicht war es auch einfach dumm von mir, den cleveren Herren rund um RBL eine subtilere Form von Werbung nicht zuzutrauen.\u00a0Meine Erwartungshaltung war niedrig wie selten zuvor und ich war zur Sicherheit schon vorab genervt von der RB-Reiz\u00fcberflutung, die ich dann nicht einmal erhielt.<\/p>\n

Dr\u00e4ngt man die Hintergr\u00fcnde des Projektes RB einen kurzen Moment in den Hintergrund, erlebten wir einen ziemlich entspannten Fu\u00dfballnachmittag mit einer Stimmung, die durchaus dem Geschehen bei dem ein oder anderen traditionsreichen Bundesligisten standhalten kann.<\/p>\n

Eine Choreographie, die das gesamte Stadion mit einbezog*, keine Eckball-, Karten-, Zuschauerzahlen-Sponsorings oder irgendwelche D\u00fcnnpfiff-Halbzeitspiele. Kurzum: Wir erlebten dort viel, was wir auf unseren Touren sch\u00e4tzen und lieben. Klingt f\u00fcr einige jetzt ziemlich eklig, mag sein \u2013 aber ich kann es nun einmal nicht \u00e4ndern.<\/p>\n

Es ist nicht so, dass ich Sympathien f\u00fcr das Projekt RB hege, aber es ist eben auch nicht so, dass ich mich nicht mit dem Unvermeidlichen auseinandersetze. Der Verein wird in die erste Bundesliga aufsteigen. Er wird das neue Feindbild aller Vereinsanh\u00e4nger bilden, auch derer, die vor ihm da waren. Ingolstadt, Wolfsburg, Hoffenheim, usw., und es wird das n\u00e4chste Feindbild kommen. Sobald das Projekt diese Fr\u00fcchte tr\u00e4gt, wird es Nachahmer geben und dann wird…<\/p>\n

Was auch immer. Ich glaube nicht, dass es m\u00f6glich ist, den Erfolg dieses Projektes zu verhindern und so bleibt aktuell nur die Freude an Mannschaften wie Darmstadt, die entgegen der Logik aller Etatgesetze zumindest f\u00fcr dieses eine Jahr einen sympathischen Spielverderber mimen.<\/p>\n

Worauf ich hinaus will?<\/p>\n

Politisch zerstrittene Fanbl\u00f6cke wie in M\u00fcnster oder D\u00fcsseldorf nagen am vermutlich letzten Alleinstellungsmerkmal der sogenannten Traditionsvereine. Das Herz des Vereins, der (echte) Fan, also der, der durch das \u201eKomitee zur Erhaltung von Traditionsvereinen\u201c als solcher akzeptiert wird, hat an Wert verloren. Der Umgang des Vereins mit dem Herz (wie oft w\u00fcnsche ich mir, es w\u00e4re auch das Hirn) in Hannover und Hamburg zeigt in etwa die hierarchische \u00dcberlegenheit des klatschpappenden Konsumenten gegen\u00fcber dem Fan. (Das Komitee. Denken Sie dran.)<\/p>\n

Das Auftreten so mancher Herzst\u00fcck-Vertretungen (bei manchen Auftritten w\u00fcnschte ich, sie w\u00e4ren ein verzichtbares K\u00f6rperteil) tr\u00e4gt nicht immer zwingend dazu bei, dass die Wichtigkeit und die Sympathie des Konsumenten gegen\u00fcber dem supportenden Fan abnimmt. Eher im Gegenteil.<\/p>\n

In Leipzig habe ich nicht viel gesehen, was es nicht auch in Dortmund, auf Schalke oder in Berlin zu sehen gibt. Auf fast allen Touren wirkten gro\u00dfe Teile der Ultras nur noch wie eng eingez\u00e4unte, geduldete Relikte innerhalb von Eventveranstaltungen straff organisierter Wirtschaftsunternehmen. Das bedauere ich sehr, und das meine ich nicht eine Spur despektierlich, denn ich liebe die Art und Weise, wie Fu\u00dfball in gro\u00dfen Teilen der dritten und vierten Liga zelebriert wird, abg\u00f6ttisch.<\/p>\n

Der Umgang mit der Situation als Au\u00dfenstehender, was insbesondere Liga eins durchg\u00e4ngig betrifft, ist schon seltsam anmutend.\u00a0Keine Ahnung, wie lange man sich noch mit dem Blick auf die Ewige Tabelle tr\u00f6sten will oder den mittlerweile durchaus nervigen Schwanzvergleich der Anzahl an Ausw\u00e4rtsfans anf\u00fchren m\u00f6chte, wenn es um die Legitimation geht, innerhalb welcher Liga ein Verein, der sich sportlich qualifiziert hat, \u00fcberhaupt mitspielen darf.<\/p>\n

Rein vom Support her war nicht nur der Sohn beeindruckt. Diese Stadt hat auf das Produkt Bundesligafu\u00dfball gewartet und hat nun einen potenten G\u00f6nner, der ihnen das auf clevere Art und Weise darbietet \u2013 und Kind, T\u00f6nnies, K\u00fchne und Co. gehen mit dem Verprellen der Basis vermutlich schnurstracks den falschen Weg, sich eben von Vereinen wie RBL weitestgehend positiv abzuheben.<\/p>\n

Nat\u00fcrlich wei\u00df ich, warum man in Leipzig nicht jede Spielsituation vermarkten und jeden freien Quadratmeter bewirtschaften muss, nat\u00fcrlich wei\u00df ich, warum das U17-Halbfinal-Hinspiel in Dortmund f\u00fcnf Euro kostet und das R\u00fcckspiel in Leipzig bei freiem Eintritt zu bestaunen ist. Wo Geld kaum eine Rolle spielt, m\u00fcssen keine Seelen verkauft werden. Oder ist es doch umgekehrt? Hat RBL die Seele nur am St\u00fcck verkauft? Oder gekauft? Oder ist doch seelenlos? Es ist schwierig.<\/p>\n

Ich trinke keine Energy-Drinks. Fr\u00fcher tat ich dies gelegentlich. Nun hoffe ich, Herr Mateschitz entdeckt meinen fehlenden Konsum und zieht sich irgendwann zur\u00fcck, weil er merkt, dass Fu\u00dfball eben nicht die Formel 1 ist und er potentielle Kunden eher vergrault als gewinnt. Leipzig ist dann stabil genug, darf sich nennen wie es will und spielt eine gute Rolle innerhalb Liga eins oder zwei.<\/p>\n

Ich wei\u00df. Unrealistisch, und es bleibt die b\u00f6se bullige Saat. Ist mir latte. Einen R\u00fcckzug, weil man feststellt, dass dies dem Auftritt der Marke eher schadet, halte ich weiterhin f\u00fcr das realistischste unter den unrealistischen Happy End-Szenarien. Ich wei\u00df nur nicht, ob ich das noch erlebe. Noch einmal: Einen Verein nur zur besseren Vermarktung eines externen Produkts zu gr\u00fcnden und finanziell in diesem Ma\u00dfe zu pushen ist nicht der letzte Sargnagel, aber der T\u00fcr\u00f6ffner, Fu\u00dfball als Sport und dessen Vermarktung vollends miteinander zu vermengen.<\/p>\n

Das ist in tiefstem Ma\u00dfe verabscheuungsw\u00fcrdig. Man sollte bei seiner Abscheu vielleicht nur den Adressaten \u00fcberdenken, was wiederum auch nicht zwingend bedeuten muss, dass Mateschitz‘ Mama und deren angebliche berufliche Laufbahn thematisiert werden sollte.<\/p>\n

Ich respektiere die Meinung eines und einer jeden, der oder die dies anders sieht. Aber die Fans dieses Vereins beschimpfen, denunzieren und als Ziel f\u00fcr Spott, pers\u00f6nliche Beleidigungen, Vergleiche fremdenfeindlicher Natur\u2026 puh, da bin ich, glaube ich, raus. Dies gilt \u00fcbrigens gleicherma\u00dfen f\u00fcr die Anh\u00e4nger des FC Ingolstadt und der TSG Hoffenheim, sowie auch des VfL Wolfsburg<\/a>. Genau so wenig lassen sich politische Tendenzen in Teilen des Dortmunder Anhangs oder familieninterne Liebeleien in Kaiserslautern f\u00fcr Grundsatz-Bashing nutzen.<\/p>\n

Die Verallgemeinerung auf den gesamten Anhang nervt, selbst wenn sich zweifelsohne manchmal politisch starke Tendenzen nicht verleugnen lassen. Grunds\u00e4tzlich glaube ich, dass jeder Fan (auch ohne Komitee-Zertifikat) in seinem Verein gen\u00fcgend zu tun h\u00e4tte, die rechtsradikalen Arschl\u00f6cher und die homophoben Schmalspurwichser zu bek\u00e4mpfen und aus der Kurve zu dr\u00e4ngen. Ansonsten w\u00e4re es zumindest fair, seinen Hass nicht an dem oder der auszulassen, der oder die vielleicht einfach nur den Fu\u00dfball seines oder ihres Vereins mag und das Stadion nicht als B\u00fchne zur Auslegung des Egos oder zur Verbreitung der politischen Meinung nutzt.<\/p>\n

Der Sohn hat die ganze Aufregung nicht verstanden. Wie soll er auch? Ihm ist das Geschehen in F\u00fchrungsetagen und hinter den Kulissen v\u00f6llig egal und er kann nicht unterscheiden, ob ein Wirtschaftsunternehmen zum Fu\u00dfballklub wird oder ein Fu\u00dfballklub zum Wirtschaftsunternehmen. Was z\u00e4hlt \u00fcberhaupt? Die Reihenfolge oder der Schwerpunkt? Ich beneide ihn.<\/p>\n

Ihm gefiel der Mangel an beschissenen Werbedurchsagen und die Konzentration auf das, was auf dem Platz passierte. Und auch meine Bitte, zu ber\u00fccksichtigen, wie wichtig die Dreieurof\u00fcnfzig der \u201eWaschstra\u00dfe Heiermann\u201c f\u00fcr das Sponsern des Eckballverh\u00e4ltnisses f\u00fcr den FC Erzgebirge Aue<\/a> sind, blieb ungeh\u00f6rt.\u00a0<\/p>\n

Gl\u00fccklicherweise verf\u00fcgten die Leipziger zumindest \u00fcber ein Maskottchen und spielten nach Toren, in der Halbzeit und nach dem Schlusspfiff abgrundtief schlechte Bumm-Bumm-Musik,\u00a0was beim Sohn zu massig Antipathie-Punkten f\u00fchrt. Er war wirklich angetan vom durchg\u00e4ngigen Support, der sich auch die meiste Zeit \u00fcber den Block hinaus auf die Geraden ausbreitete. Wir hatten Spa\u00df. Wirklich. Und das hat aktuell f\u00fcr uns immer noch oberste Priorit\u00e4t.<\/p>\n

Tja, schei\u00dfe. Da f\u00e4hrst du zum Abschluss der Saison nach Leipzig, in der Hoffnung, mit einem ordentlichen Hass-Blogpost die Wochenendrebellen-Saison w\u00fcrdig abschlie\u00dfen zu k\u00f6nnen, und dann triffst du vor dem Spiel noch Fans (sie best\u00e4tigten unabh\u00e4ngig voneinander, nicht vom Fl\u00fcgelverleiher f\u00fcr ihre Aussagen bezahlt worden zu sein), die sympathisch zu differenzieren wissen.<\/p>\n

Keine politischen Scharm\u00fctzel in den Bl\u00f6cken, ja, okay, auch keine bekutteten Uralt-Ultras, die ich so sch\u00e4tze, aber auch keineswegs nur Teenies, die nicht wissen, welch scharfes Schwert sie dort stupide klatschpappend oder monoton dauersingend oder still genie\u00dfend oder dauerhaft aufgeregt oder leidenschaftlich mitfiebernd oder gelangweilt biertrinkend in das Traditionsprodukt Fu\u00dfball stecken.<\/p>\n

Ja, ja, ja, ich vergesse nicht, wie sie dort hingekommen sind, aber das war ein durchweg sch\u00f6ner Fu\u00dfballnachmittag und wer in der Lage ist, einem Neunj\u00e4hrigen zu erkl\u00e4ren, dass dies keinesfalls der Verein sein darf, den er liebt: Bitte, ich freue mich auf Kommentare.<\/p>\n

Ich alter Mann bin sowieso nicht mehr zu retten. Ich bin Fan eines Traditionsvereins, der es schafft, trotz gen\u00fcgend Kohle frei jeglichen Systems abgrundtiefen Mist zu spielen, Saisons bereits nach zwei Dritteln abschenkt und in dessen Kurve gen\u00fcgend Mist passiert, gegen den ich ebenfalls nichts unternehme. \u00a0Fast wochenendrebellisch. Nun, hasst mich, wenn ihr m\u00f6gt.<\/p>\n

*organisiert und vollst\u00e4ndig finanziert von den „Red Aces“ mit Unterst\u00fctzung von Fan-Spenden<\/a>.<\/p>\n

Links:<\/strong><\/p>\n

Hier die Choreographie als Video:<\/p>\n

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