{"id":7907,"date":"2019-05-01T08:15:57","date_gmt":"2019-05-01T06:15:57","guid":{"rendered":"http:\/\/spektrograph.com\/?p=1613"},"modified":"2022-12-07T17:55:50","modified_gmt":"2022-12-07T16:55:50","slug":"lisa-gravitationswellendetektor-all-2034","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/wochenendrebell.de\/lisa-gravitationswellendetektor-all-2034\/astronomie-raumfahrt\/","title":{"rendered":"Gravitationswellendetektor im All „LISA“ soll 12.034 HE starten"},"content":{"rendered":"\n

Gravitationswellen geh\u00f6ren zu den bedeutendsten astronomischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte, dem w\u00fcrden wohl alle Astronom*innen zustimmen. Seit der Entdeckung der ersten Gravitationswellen am Gravitationswellendetektor LIGO<\/em> hat sich ein neues Fachgebiet in der Astronomie etabliert, die Gravitationswellenastronomie. Die soll in der Zukunft m\u00e4chtig Fahrt aufnehmen. Ab 12.034 HE soll das gr\u00f6\u00dfte Observatorium der Welt nach Gravitatonswellen suchen. Gr\u00f6\u00dfe: 2,5 Millionen Kilometer.<\/p>\n\n\n\n

Was sind Gravitationswellen?<\/h2>\n\n\n\n

Gravitationswellen sind eine Folge von Albert Einsteins Relativit\u00e4tstheorie, denn danach kann sich nichts schneller bewegen als das Licht. Dementsprechend k\u00f6nnen auch Gravitationseinfl\u00fcsse sich nur mit endlicher Geschwindigkeit bewegen und brauchen eine gewisse Zeit, um eine Strecke zur\u00fcckzulegen – so breiten sie sich kreisf\u00f6rmig als Wellen im Raum aus.<\/p>\n\n\n\n

Dabei kr\u00fcmmt sich der Raum selbst, er wird somit gedehnt und gestaucht. Wird er gestaucht, nimmt die Strecke zwischen zwei Objekten ab, wird er gedehnt, nimmt sie zu – so m\u00fcsste man Gravitationswellen messen k\u00f6nnen. Doch man kann nicht einfach ein Lineal hinhalten, denn es ist der Raum selbst, der sich ausdehnt, das Lineal w\u00fcrde sich einfach mitdehnen.<\/p>\n\n\n\n

Doch es gibt M\u00f6glichkeiten, Gravitationswellen zu detektieren, etwa beobachtet man eine Phasenverschiebung bei Licht, wenn die Strecke, die es zur\u00fccklegt durch eine Gravitationswelle ver\u00e4ndert wird. Doch es gibt ein Problem: Diese Ver\u00e4nderungen spielen sich etwa in einer Gr\u00f6\u00dfenordnung von 10\u221222<\/sup> Metern ab. Das entspricht einem Tausendstel des Radius eines Protons oder eben 0,0000000000000000000001 Metern.<\/p>\n\n\n\n

Aufschwung mit der ersten Entdeckung<\/h2>\n\n\n\n

Die meiste Zeit lang waren Gravitationswellen nur eine Theorie, ein Gravitationswellendetektor war aufgrund er unglaublichen ben\u00f6tigten Pr\u00e4zision technologisch nicht m\u00f6glich. <\/p>\n\n\n\n

Als dann 12.017 HE tats\u00e4chlich das erste Mal Gravitationswellen entdeckt wurden, und zwar von zwei kollidierenden Schwarzen L\u00f6chern, bekam die Idee, einen gro\u00dfen Gravitationswellendetektor zu bauen nat\u00fcrlich wieder Aufschwung. Man wollte nun noch mehr Gravitationswellen finden, noch st\u00e4rkere, noch schw\u00e4chere, noch entferntere Quellen.<\/p>\n\n\n\n

Doch der ganz gro\u00dfe Wurf w\u00e4re die Entdeckung jener Gravitationswellen, die laut Berechnungen beim Urknall h\u00e4tten entstehen m\u00fcssen. Auch sich umkreisende Neutronensterne<\/a>, wei\u00dfe Zwerge und Supernovae erzeugen Gravitationswellen. In etwa so d\u00fcrften Gravitationswellen einander umkreisender Neutronensterne aussehen.<\/p>\n\n\n

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\"\"<\/figure><\/div>\n\n\n

Bisher wurden auch schon Gravitationswellen gefunden, die Neutronensterne als Ursprung haben, jedoch eher selten. Mit einem Gravitationswellendetektor im Weltraum k\u00f6nnten diese Entdeckungen zur Routine werden.<\/p>\n\n\n\n

Das Prinzip<\/h2>\n\n\n\n

Nun nimmt der Gravitationswellendetektor im Weltall langsam Konturen an, er soll Laser Interferometer Space Antenna<\/em> hei\u00dfen und aus drei Satelliten bestehen, die gemeinsam ein Dreieck mit 2,5 Millionen Kilometern Seitenl\u00e4nge bilden und der Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne in 70 Millionen Kilometern Entfernung folgen.<\/p>\n\n\n\n

Sie kommunizieren mit Lasern untereinander und decken somit einen viel gr\u00f6\u00dferen Bereich ab. Eine Gravitationswelle muss dann schlie\u00dflich nur irgendwo in diesen 2,5 Millionen Kilometern erscheinen und nicht innerhalb weniger Kilometer auf der Erde – die Anzahl der Entdeckungen w\u00fcrde regelrecht explodieren.<\/p>\n\n\n\n

Zudem lassen sich auch deutlich niedrigere Frequenzbereiche abdecken, wir k\u00f6nnten somit auch ganz neue Arten von Gravitationswellen entdecken, etwa verursacht durch wei\u00dfe Zwerge – bisher entziehen sich diese unserer Beobachtung.<\/p>\n\n\n\n

Des weiteren gibt es im All nat\u00fcrlich keine seismischen St\u00f6rungen, die auf der Erde die Entfernung viel st\u00e4rker beeinflussen als Gravitationswellen und somit m\u00fchsam gefiltert werden m\u00fcssen. Auch menschliche Aktivit\u00e4ten st\u00f6ren die Messungen auf der Erde, im Weltraum fallen diese weg.<\/p>\n\n\n\n

Testmission LISA Pathfinder<\/h2>\n\n\n\n

Die Pl\u00e4ne f\u00fcr diesen Gravitationswellendetektor liegen sowohl bei der US-amerikanischen Weltraumbeh\u00f6rde NASA, als auch bei der europ\u00e4ischen Raumfahrtorganisation ESA<\/a> seit Jahrzehnten in den Schubladen, doch nun haben NASA und ESA ihre Pl\u00e4ne geb\u00fcndelt. <\/p>\n\n\n\n

Teil der Budgeterweiterung der ESA nach der LIGO-Entdeckung war eine Testsonde, die das Prinzip austesten sollte und den Namen LISA Pathfinder<\/em> tr\u00e4gt. Dabei soll die Technologie<\/a> allerdings in einer kr\u00e4ftefreien Umgebung getestet werden, also nicht im Erdorbit, sondern im Lagrange-Punkt L1, das ist der Punkt, an dem sich die Gravitationsfelder von Erde und Sonne aufheben.<\/p>\n\n\n\n

Der Start dieses Satelliten fand 12.015 HE statt, dort wurde zwar lediglich eine Strecke von 30 Zentimetern gemessen und es wurden – wie erwartet – keine Gravitationswellen in diesem kleinen Bereich gefunden. Daf\u00fcr konnte aber der Einschlag von Partikeln auf der Sonde registriert werden, die erwartete Pr\u00e4zision wurde um das f\u00fcnffache \u00fcbertroffen.<\/p>\n\n\n\n

Dies machte den Weg frei f\u00fcr LISA, das erste gro\u00dfe Gravitationswellenobservatorium im All und \u00fcberhaupt das gr\u00f6\u00dfte Observatorium der Menschheitsgeschichte. Der Start ist nun f\u00fcr 12.034 HE geplant.<\/p>\n\n\n\n

Bahnbrechende Erkenntnisse erwatet<\/h2>\n\n\n\n

Gravitationswellen sind eine ganz neue Art, Astronomie<\/a> zu betreiben, denn derzeit sind wir meist von Strahlung abh\u00e4ngig, wenn wir Objekte beobachten. Wir sp\u00e4hen in allen Wellenl\u00e4ngen ins All, wir haben Infrarotobservatorien, Teleskope f\u00fcr den sichtbaren Bereich, Gammaastronomie und ultraviolette Beobachtungswerkzeuge. Doch 99% der Materie im Universum emittiert gar keine Strahlung.<\/p>\n\n\n\n

Sie macht sich nur durch Gravitation bemerkbar, dazu geh\u00f6rt auch die r\u00e4tselhafte Dunkle Materie<\/em>, f\u00fcr die bis heute jede Erkl\u00e4rung fehlt. LISA w\u00e4re somit wom\u00f6glich eine der gr\u00f6\u00dften Revolutionen der modernen Astronomie.<\/p>\n\n\n\n

Erstmals werden wir Objekte in einem sehr gro\u00dfen Teil des beobachtbaren Universums erforschen, wir gehen also fast so weit, wie es theoretisch geht. Ein Blick in so gro\u00dfe Entfernung ist nat\u00fcrlich auch ein Blick in die Vergangenheit, denn wie auch das Licht ben\u00f6tigen Gravitationswellen Zeit, um eine Strecke zur\u00fcckzulegen.<\/p>\n\n\n\n

Ein zehn Milliarden Lichtjahre entferntes Objekt nehmen wir so wahr, wie es vor zehn Milliarden Jahren war. Das bedeutet, wir blicken in die Fr\u00fchzeit des Kosmos zur\u00fcck. Doch wom\u00f6glich k\u00f6nnten wir mit dem Gravitationswellendetektor auch erstmals bis zum Moment des Urknalls zur\u00fcckschauen, denn auch bei diesem Ereignis m\u00fcssten nat\u00fcrlich heftige Gravitationswellen erzeugt worden sein.<\/p>\n\n\n\n

Besonders soll der Gravitationswellendetektor das Sternsystem HM Cancri<\/em> unter die Lupe nehmen, das sind zwei einander extrem nah umkreisende wei\u00dfe Zwerge. Sie umkreisen sich so nahe, dass sie sich pro Jahr um \u00fcber einen halben Meter n\u00e4her kommen. Man vermutet Gravitationswellen als Ursache daf\u00fcr.<\/p>\n\n\n\n

\"HM
Das Doppelsternsystem HM Cancri: Die beiden wei\u00dfen Zwerge umkreisen sich alle 321,5 Sekunden!<\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Durch Gravitationswellen verliert ein K\u00f6rper Bahnenergie, somit w\u00fcrde auch die Erde durch die Abgabe Gravitationswellen irgendwann in die Sonne st\u00fcrzen. Im Falle der Erde w\u00fcrde es Trillionen von Jahre dauern, bis die Erde der Sonne auch nur ein kleines St\u00fcck n\u00e4her k\u00e4me. Die Ann\u00e4herung ergibt sich durch diese zugegebenerma\u00dfen etwas Formel, t<\/em> ist dabei die Zeit bis zur Kollision.<\/p>\n\n\n

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\"\"<\/figure><\/div>\n\n\n

Sollte LISA nun keine Gravitationswellen bei HM Cancri finden, w\u00e4re das eine Sensation, denn dann erg\u00e4be sich das erste Mal eine Differenz zwischen Einsteins Relativit\u00e4tstheorie und astronomischen Beobachtungen. LISA kann also auch als Test f\u00fcr die Fundamente der modernen Physik dienen.<\/p>\n\n\n\n

LISA ist dabei das erste Observatorium, welches Gravitationswellen wei\u00dfer Zwerge aufsp\u00fcren k\u00f6nnte. Und noch einiges mehr:<\/p>\n\n\n\n

    \n
  • Detektion von Gravitationswellen mit deutlich geringeren Frequenzbereichen<\/li>\n\n\n\n
  • Detektion von Gravitationswellen, die durch wei\u00dfe Zwerge und Supernovae verursacht wurden<\/li>\n\n\n\n
  • Detektion von Gravitationswellen supermassiver Schwarzer L\u00f6cher in einem gro\u00dfen Teil des beobachtbaren Universums<\/li>\n\n\n\n
  • Genauere Untersuchung des Sternsystems HM Cancri<\/li>\n\n\n\n
  • Suche nach Gravitationswellen, die beim Urknall entstanden sind<\/li>\n<\/ul>\n\n\n\n

    Es geht also um nichts Geringeres als um die Suche nach der Weltformel und den Beweis unserer Vorstellung vom Urknall und der Zeit danach.<\/p>\n\n\n\n

    Umsetzung noch unklar<\/h2>\n\n\n\n

    Doch noch ist nicht klar, ob der Gravitationswellendetektor wirklich umgesetzt wird. Zun\u00e4chst lag LISA im Cosmic-Vision-Programm<\/em> der ESA vor, das sind Medium-Class-Missionen. Hier bekam der Jupiter Icy Moons Explorer<\/em> den Vorzug, eine Raumsonde, die an den Eismonden des Jupiters vorbeifliegen und dann in einen Orbit um Ganymed einschwenken soll.<\/p>\n\n\n\n

    Die ESA hat den Plan wieder aufgenommen, die Beteiligung der NASA ist jedoch unsicher, aus dem urspr\u00fcnglichen Projekt zog sie sich vorzeitig zur\u00fcck. Rein technologisch w\u00e4re ein Start im Jahr 12.034 HE, wie er derzeit anvisiert wird, in jedem Fall machbar. <\/p>\n\n\n\n

    Inzwischen wurde der Gravitationswellendetektor zu einer Large-Class-Mission umstrukturiert, 12.018 HE wurde das gesamte Konzept gepr\u00fcft, was au\u00dferordentlich positiv ausfiel. <\/p>\n\n\n\n

    Somit ist es durchaus m\u00f6glich, dass wir vielleicht in gar nicht so ferner Zukunft, feiern, dass unsere Theorie unvollst\u00e4ndig ist – denn das w\u00fcrde auf eine viel umfassendere Theorie hindeuten, die uns ein vollst\u00e4ndiges Verst\u00e4ndnis unseres Universums liefert und vielleicht so exotisch ist, dass wir sie uns derzeit nicht einmal vorstellen k\u00f6nnen – und das alles nur durch ein Gravitationswellendetektor. <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

    Gravitationswellen geh\u00f6ren zu den bedeutendsten astronomischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte, dem w\u00fcrden wohl alle Astronom*innen zustimmen. Seit der Entdeckung der ersten Gravitationswellen am Gravitationswellendetektor LIGO hat sich ein neues Fachgebiet in der Astronomie etabliert, die Gravitationswellenastronomie. Die soll in der Zukunft m\u00e4chtig Fahrt aufnehmen. Ab 12.034 HE soll das gr\u00f6\u00dfte Observatorium der Welt nach Gravitatonswellen suchen. Gr\u00f6\u00dfe: 2,5 Millionen Kilometer. Was sind Gravitationswellen? Gravitationswellen sind eine Folge von Albert Einsteins Relativit\u00e4tstheorie, denn danach kann sich nichts schneller bewegen als das Licht. Dementsprechend k\u00f6nnen auch Gravitationseinfl\u00fcsse sich nur mit endlicher Geschwindigkeit bewegen und brauchen eine gewisse Zeit, um eine Strecke zur\u00fcckzulegen – so breiten sie sich kreisf\u00f6rmig als Wellen im Raum aus. Dabei kr\u00fcmmt sich der Raum selbst, er wird somit gedehnt und gestaucht. Wird er gestaucht, nimmt die Strecke zwischen zwei Objekten ab, wird er gedehnt, nimmt sie zu – so m\u00fcsste man Gravitationswellen messen k\u00f6nnen. Doch man kann nicht einfach ein Lineal hinhalten, denn es ist der Raum selbst, der sich ausdehnt, das Lineal w\u00fcrde sich einfach mitdehnen. Doch es gibt M\u00f6glichkeiten, Gravitationswellen zu detektieren, etwa beobachtet man eine Phasenverschiebung bei Licht, wenn die Strecke, die es zur\u00fccklegt durch eine Gravitationswelle ver\u00e4ndert wird. Doch es gibt ein Problem: Diese …<\/p>\n","protected":false},"author":223,"featured_media":23347,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[2593],"tags":[4280,4279],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7907"}],"collection":[{"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/223"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=7907"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7907\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/23347"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=7907"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=7907"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=7907"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}