{"id":7909,"date":"2019-07-24T08:00:23","date_gmt":"2019-07-24T06:00:23","guid":{"rendered":"http:\/\/spektrograph.com\/?p=1706"},"modified":"2021-08-10T19:42:58","modified_gmt":"2021-08-10T17:42:58","slug":"orbit-lunare-raumstation","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/wochenendrebell.de\/orbit-lunare-raumstation\/astronomie-raumfahrt\/","title":{"rendered":"Orbit f\u00fcr lunare Raumstation steht fest!"},"content":{"rendered":"\n<p><strong>Die Menschheit beginnt mit dem Bau einer neuen internationalen Raumstation im Orbit des Mondes, in der vier Astronaut*innen dauerhaft fernab der Erde leben und arbeiten sollen. Nun nimmt sie langsam Konturen an, so haben sich die NASA und die ESA darauf geeinigt, auf welchem Orbit die Station namens <em>Lunar Gateway<\/em> den Mond umkreisen soll.<\/strong><\/p>\n\n\n\n<p>Klar ist, dass die lunare Raumstation viel weiter von der Erde entfernt ist als alle vorherigen Raumstationen, etwa die ISS, und zwar etwa 1.000-mal weiter. Dies stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, etwa fehlt das Erdmagnetfeld als Schutz vor kosmischer Strahlung und in einem Notfall kann man nicht mal eben zur Erde zur\u00fcck &#8211; der Flug dauert fast drei Tage.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Technische Aspekte<\/h2>\n\n\n\n<p>Aber auch die Erreichbarkeit der Station und der Funkkontakt zur Erde sind viel anspruchsvoller, so k\u00f6nnen Computer dort nicht einfach das irdische Internet verwenden, es ben\u00f6tigt eine Erweiterung, das <em>interplanetare Internet<\/em>. Zudem ist der Mond zwar unser n\u00e4chster Nachbar, aber dennoch schon sehr weit entfernt &#8211; bis ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit auf der Erde und wieder zur\u00fcck ist, dauert es \u00fcber zweieinhalb Sekunden.<\/p>\n\n\n\n<p>Das ist jedoch nicht das einzige Problem bez\u00fcglich der Kommunikation, so befindet sich die Raumstation auf einem Orbit auch zeitweise im Schatten des Mondes, in dem gar kein Kontakt mit der Erde m\u00f6glich ist. Auch die Solarzellen k\u00f6nnen in dieser Zeit keine Energie generieren.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">M\u00f6glichkeiten f\u00fcr den Orbit<\/h2>\n\n\n\n<p>Im wesentlichen gab es f\u00fcr den Orbit des Lunar Gateways zwei ernsthaft diskutierte M\u00f6glichkeiten:<\/p>\n\n\n\n<ul><li>Ein niedriger Mondorbit, auf dem die Station den Mond in einigen hundert Kilometern H\u00f6he umkreist<\/li><li>Eine Platzierung am Lagrange-Punkt L2 des Erde-Mond-Systems<\/li><\/ul>\n\n\n\n<p>Ein niedriger Mondorbit ist bereits bekannt, das Servicemodule des Apollo-Raumschiffs hat den Mond mit einem Astronauten auf einer solchen Umlaufbahn umkreist, w\u00e4hrend die anderen beiden auf der Mondoberfl\u00e4che waren. <\/p>\n\n\n\n<p>Auf dem Lagrange-Punkt hingegen w\u00fcrde das Lunar Gateway mit dem Mond zusammen die Erde umkreisen. Die Gravitation von Erde und Mond heben sich an diesem Punkt hinter dem Mond auf, sodass die Station sich dort fast ohne Antrieb aufhalten k\u00f6nnte.                                                                                        <\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Vor- und Nachteile<\/h2>\n\n\n\n<p>Die Vorteile sind recht offensichtlich, ein niedriger Mondorbit hat den Vorteil, dass die Oberfl\u00e4che des Mondes sehr einfach zu erreichen ist. Doch Raumschiffe, die von der Erde andocken, m\u00fcssten Bremsman\u00f6ver ausf\u00fchren, die viel Energie kosten und in manchen Konstellationen gar nicht m\u00f6glich sind. Auch Fl\u00fcge zu anderen Zielen im Sonnensystem w\u00e4ren dadurch nicht wesentlich g\u00fcnstiger m\u00f6glich als von der Erde aus.<\/p>\n\n\n\n<p>Im Lagrange-Punkt L2 hinter dem Mond h\u00e4tten es von der Erde kommende Raumschiffe einfach. Fl\u00fcge zum <a class=\"wpil_keyword_link\" href=\"https:\/\/wochenendrebell.de\/wasser-auf-dem-mars\/astronomie-raumfahrt\/\" title=\"Mars\" data-wpil-keyword-link=\"linked\">Mars<\/a> und tief ins Sonnensystem w\u00e4ren dort ebenfalls gut m\u00f6glich, sodass man das Lunar Gateway auch als Montageplattform f\u00fcr gro\u00dfe Raumsonden nutzen k\u00f6nnte.<\/p>\n\n\n\n<p>Doch Expeditionen zur Mondoberfl\u00e4che w\u00fcrden sich von dort sehr schwierig gestalten und diese sind f\u00fcr die Kolonisation unabdingbar. Hinter dem Mond bekommt die Station nat\u00fcrlich auch kaum Sonnenstrahlung, was die Energieversorgung erschwert. Auch ein direkter Blick auf die Erde ist nicht m\u00f6glich.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Eine Kompromissl\u00f6sung<\/h2>\n\n\n\n<p>Da Planung und Bau der ersten Komponenten der Raumstation bei den Zulieferfirmen bereits begonnen haben, war eine Einigung in dieser wichtigen Frage \u00fcberf\u00e4llig. Nun soll es keiner der beiden Orbits werden, sondern ein Kompromiss.<\/p>\n\n\n\n<p>Die Raumstation soll den Mond in einem sogenannten exzentrischen Halo-Orbit umkreisen. Das bedeutet, dass sie nicht den Mond als Anhaltspunkt hat, sondern den Lagrange-Punkt hinter dem Mond. Bei ihrem Orbit um diesen Punkt umkreist sie jedoch automatisch auch den Mond. Das f\u00fchrt dazu, dass der komplexe Orbit extrem exzentrisch ist, er gleicht einem schiefen Heiligenschein senkrecht zur Bahnebene des Mondes.<\/p>\n\n\n\n<p>Alle sieben Tage wird sich die Raumstation der Mondoberfl\u00e4che auf 3.000 Kilometer ann\u00e4hern, das ist etwa 7,5-mal h\u00f6her als die ISS die Erde umkreist. Anschlie\u00dfend erreicht sie ihren bahnfernsten Punkt 70.000 Kilometer \u00fcber dem S\u00fcdpol des Mondes.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Details des Orbits<\/h2>\n\n\n\n<p>Diese L\u00f6sung ist sehr elegant, da sie Vorteile beider Orbits verbindet. Alle sieben Tage k\u00f6nnen Mondlandef\u00e4hren an- oder abdocken. Besatzungen k\u00f6nnen dann in diesem Zeitfenster zur Mondoberfl\u00e4che fliegen oder eine bestehende Besatzung auf der Oberfl\u00e4che zur Raumstation zur\u00fcckkehren. Dies ist immer dann m\u00f6glich, wenn sich das Lunar Gateway der Oberfl\u00e4che auf 3.000 Kilometer ann\u00e4hert. <\/p>\n\n\n\n<p>Wenn sich die Raumstation dann an ihrem bahnfernsten Punkt in 70.000 Kilometern Entfernung befindet, k\u00f6nnen Raumschiffe von der Erde aus fast ohne Bremsman\u00f6ver Menschen und Fracht zur Station bringen. Au\u00dferdem k\u00f6nnen dann auch Fernziele angeflogen werden, In Zukunft k\u00f6nnten Raumsonden daher direkt aus auf dem Mond abgebauten Rohstoffen gebaut und von dort aus gestartet werden, das spart aufgrund der schwachen Anziehungskraft Treibstoff. Sieben Tage sp\u00e4ter ist die Station wieder an ihrem bahnn\u00e4chsten Punkt und die Astronauten, die eine Woche zuvor aufbrachen, k\u00f6nnen von der Mondoberfl\u00e4che zur\u00fcckkehren. <\/p>\n\n\n\n<div class=\"wp-block-image\"><figure class=\"aligncenter size-large is-resized\"><img decoding=\"async\" src=\"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-content\/uploads\/070-Pictures-07.-April-2021-3-800x446.jpg\" alt=\"Animation einer Mondbasis\" class=\"wp-image-19286\" width=\"488\" height=\"272\" title=\"\"><figcaption>  <\/figcaption><\/figure><\/div>\n\n\n\n<p>Dieser Rythmus macht eine rotierende Besatzung auf der Mondoberfl\u00e4che m\u00f6glich. Eines Tages k\u00f6nnte so eine permanent bemannte Basis im <em>Shackleton-Krater <\/em>auf der Mondoberfl\u00e4che entstehen. Wenn es nach der NASA geht, soll ein erstes Wohnmodul 2028 mit <em>Artemis 7<\/em> auf die Mondoberfl\u00e4che gebracht werden.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Funkkontakt und Energieversorgung<\/h2>\n\n\n\n<p>Wie bereits gesagt, liegt der Orbit senkrecht auf der Bahnebene des Mondes, dadurch ist das Lunar Gateway von der Erde immer sichtbar und befindet sich von uns aus nie im Mondschatten. So kann der Funkkontakt mit der Erde dauerhaft bestehen und ein Blick von der Station auf die Erde ist durchg\u00e4ngig m\u00f6glich. Obwohl die Apollo-Astronauten die Funkstille stets als den angenehmsten Teil der Mission beschrieben, ist das nat\u00fcrlich ein gro\u00dfer Vorteil.<\/p>\n\n\n\n<p>Die Energieversorgung der Station ist durch hauseigene Solarzellen geplant. Auch daf\u00fcr ist dieser Orbit g\u00fcnstig, denn auf einem Halo-Orbit wird von der Station aus die Sonne fast nie von Erde oder Mond bedeckt, sodass die Solarzellen fast immer eine Energiezufuhr haben. Um dies experimentell zu testen, soll Mitte 2021 ein kleiner Satellite namens <em><a href=\"https:\/\/gaz.wiki\/wiki\/de\/CAPSTONE_(spacecraft)\" target=\"_blank\" rel=\"noopener\">Capstone<\/a><\/em> den Mond auf einem Halo-Orbit umkreisen, schlie\u00dflich ist er in der <a class=\"wpil_keyword_link\" title=\"Raumfahrt\" data-wpil-keyword-link=\"linked\" href=\"https:\/\/wochenendrebell.de\/astronomie-raumfahrt\/\">Raumfahrt<\/a> ein absolutes Novum. <\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Stabilit\u00e4t des Orbits<\/h2>\n\n\n\n<p>Das klingt alles perfekt, doch einen kleinen Haken hat der Halo-Orbit durchaus. Durch das komplexe Zusammenspiel der Gravitation der Erde und des Mondes und den schiefen Umlauf um den Lagrange-Punkt ist die Bahn leicht instabil, die Station k\u00f6nnte also im Laufe der Jahrzehnte leicht abdriften und irgendwann aus ihrem Orbit geraten.<\/p>\n\n\n\n<p>Daher werden hin und wieder kleine Kurskorrekturen notwendig sein, ab und zu muss die Raumstation ihren Orbit um wenige Meter anpassen, um auf Kurs zu bleiben. Das ist aber kein gro\u00dfes Problem, denn das Lunar Gateway wird vermutlich \u00fcber einen neuartigen Hall-Antrieb verf\u00fcgen, mit dem Kurskorrekturen vorgenommen werden k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n<p>Insgesamt ist nur eine Geschwindigkeits\u00e4nderung von zehn Metern pro Sekunde in einem Jahr n\u00f6tig, um die Umlaufbahn zu erhalten &#8211; ein winziger Betrag. So \u00fcberwiegen insgesamt die Vorteile des elliptischen Halo-Orbits, weshalb sich die Gateway-Partner NASA und ESA, aber auch andere beteiligte L\u00e4nder wie Japan und Kanada nun darauf geeinigt haben.<\/p>\n\n\n\n<figure class=\"wp-block-embed is-type-video is-provider-youtube wp-block-embed-youtube wp-embed-aspect-16-9 wp-has-aspect-ratio\"><div class=\"wp-block-embed__wrapper\">\n<div class=\"BorlabsCookie _brlbs-cb-youtube\"><div class=\"_brlbs-content-blocker\"> <div class=\"_brlbs-embed _brlbs-video-youtube\"> <img decoding=\"async\" class=\"_brlbs-thumbnail\" src=\"https:\/\/wochenendrebell.de\/wp-content\/plugins\/borlabs-cookie\/assets\/images\/cb-no-thumbnail.png\" alt=\"YouTube\" title=\"\"> <div class=\"_brlbs-caption\"> <p>Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerkl\u00e4rung von YouTube.<br><a href=\"https:\/\/policies.google.com\/privacy\" target=\"_blank\" rel=\"nofollow noopener noreferrer\">Mehr erfahren<\/a><\/p> <p><a class=\"_brlbs-btn _brlbs-icon-play-white\" href=\"#\" data-borlabs-cookie-unblock role=\"button\">Video laden<\/a><\/p> <p><label><input type=\"checkbox\" name=\"unblockAll\" value=\"1\" checked> <small>YouTube immer entsperren<\/small><\/label><\/p> <\/div> <\/div> <\/div><div class=\"borlabs-hide\" data-borlabs-cookie-type=\"content-blocker\" data-borlabs-cookie-id=\"youtube\"><script type=\"text\/template\">PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iQW5nZWxpYyBoYWxvIG9yYml0IGZvciBHYXRld2F5IiB3aWR0aD0iMTIwMCIgaGVpZ2h0PSI2NzUiIHNyYz0iaHR0cHM6Ly93d3cueW91dHViZS1ub2Nvb2tpZS5jb20vZW1iZWQvamZDYWFjMWlqUmc\/ZmVhdHVyZT1vZW1iZWQiIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIiBhbGxvdz0iYWNjZWxlcm9tZXRlcjsgYXV0b3BsYXk7IGNsaXBib2FyZC13cml0ZTsgZW5jcnlwdGVkLW1lZGlhOyBneXJvc2NvcGU7IHBpY3R1cmUtaW4tcGljdHVyZSIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPjwvaWZyYW1lPg==<\/script><\/div><\/div>\n<\/div><\/figure>\n\n\n\n<p>Von diesem Orbit aus k\u00f6nnen Raumfahrzeuge aber auch recht leicht in einen anderen Orbit einschwenken und somit andere Punkte auf der Mondoberfl\u00e4che erreichen. F\u00fcr eine polare Umlaufbahn ist bei einer Transitzeit von einem halben Tag etwa lediglich eine Geschwindigkeits\u00e4nderung von 730 Metern pro Sekunde n\u00f6tig.<\/p>\n\n\n\n<h2 class=\"wp-block-heading\">Aufbau kann beginnen<\/h2>\n\n\n\n<p>Nun sind die letzten wichtigen technischen Details rund um die Station gekl\u00e4rt. Wenn alles nach Plan l\u00e4uft, k\u00f6nnen die ersten Module bereits mit robotischen Raketen 2022 und 2023 in den Mondorbit gebracht werden. Wenn 2024 dann die ersten Astronauten kommen und auf dem Mond landen, wird die Station inklusive Mondlander bezugsbereit sein &#8211; ein ambitionierte, einige meinen gar unrealistischer Zeitplan.<\/p>\n\n\n\n<p>Die Festlegung des Orbits ist ein wichtiger Schritt, das ehrgeizigste Unterfangen in der <a class=\"wpil_keyword_link\" href=\"https:\/\/wochenendrebell.de\/gesellschaft-geschichte\/\" title=\"Geschichte\" data-wpil-keyword-link=\"linked\">Geschichte<\/a> Menschheit kann beginnen. Vielleicht wird das Lunar Gateway k\u00fcnftigen Generationen als der Ort in Erinnerung bleiben, an dem der Mensch gelernt hat, dauerhaft fernab der Erde zu leben &#8211; auf einem elliptischen Halo-Orbit.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"<p>Die Menschheit beginnt mit dem Bau einer neuen internationalen Raumstation im Orbit des Mondes, in der vier Astronaut*innen dauerhaft fernab der Erde leben und arbeiten sollen. Nun nimmt sie langsam Konturen an, so haben sich die NASA und die ESA darauf geeinigt, auf welchem Orbit die Station namens Lunar Gateway den Mond umkreisen soll. Klar ist, dass die lunare Raumstation viel weiter von der Erde entfernt ist als alle vorherigen Raumstationen, etwa die ISS, und zwar etwa 1.000-mal weiter. Dies stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, etwa fehlt das Erdmagnetfeld als Schutz vor kosmischer Strahlung und in einem Notfall kann man nicht mal eben zur Erde zur\u00fcck &#8211; der Flug dauert fast drei Tage. Technische Aspekte Aber auch die Erreichbarkeit der Station und der Funkkontakt zur Erde sind viel anspruchsvoller, so k\u00f6nnen Computer dort nicht einfach das irdische Internet verwenden, es ben\u00f6tigt eine Erweiterung, das interplanetare Internet. Zudem ist der Mond zwar unser n\u00e4chster Nachbar, aber dennoch schon sehr weit entfernt &#8211; bis ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit auf der Erde und wieder zur\u00fcck ist, dauert es \u00fcber zweieinhalb Sekunden. 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