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Die Hunga Tonga-Eruption könnte erst der Anfang sein.

Eruptionswolke des Hunga Tonga aus dem Weltall


Der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Inselstaat Tonga ist in einer hochexplosiven Eruption ausgebrochen – und die mediale Berichterstattung fällt ungewöhnlich dünn aus, der Ausbruch war nicht einmal Thema in der Tagesschau. Dabei ist das Ausmaß dieser Naturkatastrophe offenbar größer als zunächst angenommen. Vulkanolog*innen warnen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine womöglich noch Jahre andauernde aktive Phase des Vulkans hindeuten. Die Hoffnung auf eine Abkühlung der globalen Temperaturen als Rettung in der Klimakrise ist allerdings vergebens.

Die wichtigste Frage zu Beginn: Wie geht es den Menschen in Tonga? Tongas Hauptstadt Nuku’alofa wurde von einer 1,2 Meter hohen Flutwelle getroffen, es wurden Häuser überschwemmt und viele Menschen mussten sich in höher liegende Gebiete retten. Bisher gibt es keine übermittelten Todesfälle aus Tonga (allerdings gibt es Berichte über Todesfälle durch Wellen an der amerikanischen Pazifikküste, etwa in Peru), die Kommunikation mit Tonga ist aktuell jedoch eingeschränkt, da ein Unterseekabel zerstört wurde. Letztlich bleibt also aktuell nur zu sagen: Wir wissen leider nicht, was gerade jetzt in Tonga passiert. Wir wissen allerdings sehr genau, was mit dem Vulkan passiert ist.

Wie funktioniert der Vulkanausbruch?

Das Innere unserer Erde ist geschmolzen. Das liegt zum einen daran, dass die Hitze aus der feurigen Entstehungszeit unserer Erde vor über 4,5 Milliarden Jahren nur sehr langsam entweichen kann und zum anderen daran, dass das Erdinnere voll von radioaktiven Elementen wie Uran ist, die zerfallen und dadurch stets neue Wärme „nachliefern“. Das ist überlebenswichtig, denn nur ein flüssiges Erdinneres kann ein Magnetfeld erzeugen, das uns vor hochenergetischer Sonnenstrahlung schützt. Es ist aber auch der Antrieb für die geologische Aktivität der Erde. In Vulkanen steigt das geschmolzene Stein aus dem Inneren bis an die Oberfläche an.

Der nun ausgebrochene Vulkan ist der Hunga Tonga-Hunga Haʻapai. Er brach zuletzt häufiger aus, die letzten Ausbrüche ereigneten sich 2009 und 2014/15 – die waren allerdings winzig im Vergleich zur aktuellen Eruption 2022. Paradoxerweise ist gerade das Wasser der Grund dafür, wieso diese Explosion so heftig war, denn es war eine sogenannte phreatomagmatische Explosion.

Wenn Lava normalerweise mit Wasser in Kontakt kommt, entsteht eine hauchdünne Schicht aus Dampf, die isoliert und die Lava somit abkühlt. Diesmal wurde die Magma jedoch so explosiv aus dem Vulkan geschleudert, dass sie mit hoher Geschwindigkeit ins Wasser floss, den Dampffilm durchbrach und direkt das Wasser berührte. Dabei kommt es zu einer zerstörerischen Reaktion: Magma wird auseinandergerissen, wodurch neue Innenflächen mit dem Wasser in Kontakt kommen und der Prozess von vorne beginnt.

Dies steckt hinter der Wucht der jüngsten Explosion.

Was sind die Folgen?

Noch in Neuseeland kenterten Boote, in Fidschi und Vanuatu verursachten Tsunamis Schäden, auch in Neuseeland, Kalifornien und Japan wurden Tsunamis aufgezeichnet – 210.000 Menschen in Japan sollten Anhöhen aufsuchen, in Japan wurde die Tsunamiwarnung aber inzwischen aufgehoben. In Fidschi (600 Kilometer weit vom Vulkan entfernt) kam es zudem zu Ascheregen, Menschen sollen ihre Wasservorräte schützen, wenn möglich zuhause bleiben und bei Ausgängen eine Schutzmaske tragen.

Die Druckwelle der Eruption erreichte am Abend Deutschland und verursachte große Ausschläge bei Drucksensoren. Zu hören war die Eruption noch in Neuseeland und Australiens als lauter Knall. Satelliten im Erdorbit zeichneten Videos auf, welche das Ausmaß der Explosion im globalen Maßstab verdeutlichen.

Können wir denn wenigstens darauf hoffen, dass der Ausbruch uns eine kleine Verschnaufpause in der Klimakrise verschafft?

Kann der Vulkan wirklich das Klima abkühlen?

Grundsätzlich geht sowas: Man erinnere nur an 1816, das Jahr ohne Sommer, nach dem Ausbruch des Tamboras: Der Ausbruch tötete nicht nur vor Ort 70.000 Menschen, sondern verursachte auch Überschwemmungen und eine extreme Kälte im Sommer. die letztlich zu Missernten in Europa führte. Im weiteren Verlauf führte das feuchte Wetter und die schlechte Versorgungslage zum Ausbruch von Pest und Typhus, wodurch viele Länder im Elendsjahr 1817 eine Übersterblichkeit verzeichneten: Frankreich um 4%, die Schweiz sogar um 20%. Aber der Staub des Tamboras rief auch besonders intensive Sonnenuntergänge hervor, die auf Gemälden dieser Zeit betrachtet werden können.

Auch der Weltklimarat schreibt in seinem neuesten Sachstandsbericht:

„Auf der Grundlage paläoklimatischer und historischer Belege ist es wahrscheinlich, dass im 21.Jahrhundert mindestens ein großer explosiver Vulkanausbruch stattfinden wird. Ein solcher Ausbruch würde die globale Oberflächentemperatur und den Niederschlag, insbesondere über Land, ein bis drei Jahre lang reduzieren, die globale Monsunzirkulation, extreme Niederschläge und viele CIDs verändern (mittleres Vertrauen). Ein solcher Ausbruch würde also den vom Menschen verursachten Klimawandel vorübergehend und teilweise überdecken.“

Sechster Sachstandsbericht des IPCC, C.1.4.

Einige Menschen fragen nun ungläubig wie ein Vulkanausbruch, der große Mengen des Treibhausgases CO2 erzeuge, das Klima abkühlen kann. Tatsächlich entsteht CO2, doch diese Mengen gehen in der menschengemachten CO2-Flut sowieso unter. Wichtig ist ein anderer Stoff, nämlich Schwefeldioxid (SO2). Er wird bei Vulkanausbrüchen bis in die Stratosphäre gestoßen und verbindet sich mit Wasser, wodurch Tropfen aus Schwefelsäure entstehen, die Sonnenlicht schlucken und nicht bis zum Erdboden durchdringen lassen.

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4.August 1817: Erntewagen treffen ein Jahr nach dem Ausbruch des Tamboras feierlich im schwer von der Hungersnot getroffenen Ravensburg ein.

Der Tambora brach damals mit einem Vulkanexplosivitätsindex von 7 aus, 1816 fielen die globalen Temperaturen um 0,4°C bis 0,7°C – selbst ein solcher Ausbruch würde also nicht genügen, um die Temperaturen vor der Industriellen Revolution auch nur kurzzeitig wiederherzustellen. Und so weit wird es diesmal wohl auch nicht kommen. Ob der Ausbruch in Tonga das Klima global tatsächlich für wenige Jahre messbar abkühlt, lässt sich aktuell noch nicht sagen, da es von der Menge des ausgestoßenen Schwefeldioxids abhängig ist.

Zum letzten Mal verursachte der Ausbruch des Pinatubos vor 30 Jahren eine globale Abkühlung von etwa einem halben Grad. Doch es würde uns ohnehin kaum helfen: Sobald die Aerosole aus der Stratosphäre entfernt sind, wird die Erwärmung einfach nachgeholt, denn sie war nie weg, sondern wurde lediglich kompensiert, sodass wir sie nicht merken. Denkbar wäre es natürlich, die Wirkung eines Vulkans zu imitieren, indem wir selbst Aerosole in die Stratosphäre blasen – doch um damit die Erderhitzung in Schach zu halten, müssten wir bildlich gesprochen etwa einen Pinatubo pro Jahr ausbrechen lassen.

War das nur der Anfang?

Der Vulkan ist also keine langfristige Hilfe, aber im schlimmsten Fall ein langfristiges Problem: Denn leider gibt es zumindest Hinweise darauf, dass dieser Ausbruch noch nicht das Ende, vielleicht nicht einmal der Höhepunkt, sondern der Anfang einer neuen explosiven Phase des Vulkans ist. Radiokarbonanalysen zeigen, dass sich große Ausbrüche ungefähr – und das bedeutet in der Vulkanologie wirklich sehr ungefähr, Prognosen auf das Jahr genau sind in der Regel als unseriös zu betrachten – alle 1.000 Jahre ereignen. Der letzte große Ausbruch ereignete sich etwa um das Jahr 1.100 n. Chr., überraschend kommt der aktuelle Ausbruch also keineswegs.

Aus der Vergangenheit des Vulkans lernen wir allerdings, dass die etwa alle 1.000 Jahre auftretenden größeren Eruptionen bisher meist in mehreren Ausbrüchen vonstatten gingen und wir kennen kein Grund, aus dem dies bei diesem Mal anders sein sollte. Ganz im Gegenteil, die enorme Explosivität des Ausbruchs ist gar nicht allein durch die Reaktion der Magma mit dem Meerwasser zu erklären, sie deutet auf ein „Erwachen“ des Vulkans und große Mengen unter Druck stehenden Magmas hin. Die Zeichen stehen somit auf Einstellung einer längeren Phase größerer Ausbrüche eine wieder aktiver werdende Caldera des Vulkans, wodurch wir in eine im schlimmsten Fall jahrelange Eruptionsserie steuern.

„Wir könnten uns also auf mehrere Wochen oder sogar Jahre großer vulkanischer Unruhen durch den Vulkan Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai einstellen. Um der Menschen in Tonga willen hoffe ich das nicht.“

Shane Cronin, Geowissenschaftler

Das schlimmste könnte Tonga noch bevorstehen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Befürchtung der Forscher*innen als unzutreffend erweist, denn streng vorhersagen lässt sich das Verhalten des Vulkans nicht. Für alle, die etwas mehr Gewissheit wolle, habe ich diesen Artikel gefunden: Forscher*innen fanden heraus, dass wir uns auf einem wärmeren Planeten auch auf mehr Vulkanausbrüche vorbereiten müssen.

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